Die Austria in der CL: Gute Teile und starke Phasen, aber zu wenig konstant

Mit dem ersten Sieg eines heimischen Teams in der Königsklasse seit dem 20. Februar 2001 endete sie, die Champions-League-Premiere der Wiener Austria. Nach einem Europacup-Herbst, in der es zwei Ohrfeigen von Atlético Madrid gab, aber andererseits auch fünf Punkte, also mehr, als man erwarten durfte. Ballverliebt blickt noch einmal zurück: Das waren die sechs Spiele der Veilchen in der Königsklasse – und die Lehren daraus.

0:1 gegen den FC Porto

Austria - Porto 0:1 (0:0)
Austria – Porto 0:1 (0:0)

Im ersten Spiel gegen den FC Porto zeigte die Austria eine halbe Stunde lang, wie man einen an sich klar besseren Gegner ärgert: Giftiges Pressing im Mittelfeld, dem anderen Team gar nicht erst die Möglichkeit zur Gestaltung geben, und überfallsartig umschalten. Die Portugiesen hatten damit große Probleme, bis die Umklammerung der Austria etwas nachließ.

So kam Porto etwas besser ins Spiel und nützte nach knapp einer Stunde eine Unachtsamkeit der Austria zum 1:0 durch Lucho González. In der Folge fehlte es Violett an den Mitteln, Porto ernsthaft ins Wanken zu bringen – so stand die knappe Niederlage zum Auftakt zu Buche.

0:0 in St. Petersburg

St. Petersburg - Austria 0:0
Zenit – Austria 0:0

Für das Auswärtsspiel im alten Petrovskyi-Stadion änderte Trainer Bjelica das System: Vom 4-1-4-1, das es in der Qualifikation gab, auf ein 4-4-1-1. Damit war auch die Herangehensweise sehr defensiv – mit zwei Viererketten, aus in denen fast nur die Mittelfeld-Außen Royer und Leovac offensiv vorhanden waren.

Die Führung für Zenit schien nur eine Frage der Zeit, bis der deutsche Referee Deniz Aytekin kurz vor der Halbzeit Zenit-Achter Axel Witsel mit einer lächerlichen roten Karte unter die Dusche schickte. Gegen damit nur noch zehn Spieler von Zenit verteidigte die Austria in der Folge das Remis einigermaßen trocken über die Zeit. Das 0:0, bei dem man nach vorne wiederum keinen nennenswerten Stich machte, bedeutete aber immerhin schon im zweiten Spiel den ersten Punkt.

0:3 gegen Atlético Madrid

Austria - Atlético Madrid 0:3 (0:2)
Austria – Atlético Madrid 0:3 (0:2)

Hatte die Austria gegen Porto mutig begonnen und bei Zenit wacker verteidigt, wurde gegen den überlegenen Gruppensieger aus Madrid ein deutlicher Klassenunterschied sichtbar. In etwas seltsamen Trikots, deren Farbe eine schräge Mischung aus gold und gelb war und dabei eher senfig aussah, lief man den extrem ballsicheren, gedankenschnellen, technisch beschlagenen und vorm Tor eiskalten Madrilenen recht hilflos hinterher.

Nach nicht mal zehn Minuten stellte Raúl García auf 0:1, nach zwanzig Minuten hieß es dank eines grandiosen Konters und Diego Costas erstem Tor des Abends 0:2, kurz nach der Pause stellte der Brasilo-Spanier den 0:3-Endstand her. Atléti musste sich nicht mal wirklich anstrengen, um der Austria eine Lehrstunde zu erteilen.

0:4 in Madrid

Atlético Madrid - Austria 4:0 (3:0)
Atlético Madrid – Austria 4:0 (3:0)

Und auch beim Rückspiel im Calderón hätte kein taktischer Kniff dafür sorgen können, dass die Austria auch nur in die Nähe eines Punktes gekommen wäre. Die Spanier hatten durch ihr 4-2-2-2 ständige Überzahl im Zentrum, waren über ihre nach vorne preschenden Außenverteidiger auch auf den Flügeln permanent dominant, gingen früh nach einem Eckball-Gestocher in Führung, lagen zur Halbzeit schon 3:0 in Front.

Nur dem überragenden Heinz Lindner, der generell einen Top-Herbst auf absolut vorzeigbarem internationalem Niveau absolvierte, war es zu verdanken, dass die Austria nicht in ein ganz schlimmes Debakel lief. So hielt er eine Viertelstunde vor Schluss sogar einen Elfmeter. „Die waren einfach zu gut für uns“, konstatierte danach auch Nenad Bjelica – der wegen eines Ausrasters im Hinspiel gesperrt war und von Co-Trainer René Poms vertreten worden war.

1:1 in Porto

Porto - Austria 1:1 (0:1)
Porto – Austria 1:1 (0:1)

Aber auch nach vier Spielen war immer noch eine dicke, fette Null am Torkonto. Das änderte sich dann allerdings im fünften Spiel. Roman Kienast, im 4-2-3-1 auf die Zehn gestellt, nützte nach zehn Minuten einen schlimmen Fehlpass von Danilo zu einem Weitschuss-Treffer zum 1:0. Für die Portugiesen, die nach dem Punktgewinn von Zenit im schon am frühen Abend über die Bühne gegangenen Spiel gegen Atlético umbedingt gewinnen mussten, waren dann in der Folge auch das aktivere Team. Aber wieder wusste Lindner auf so gut wie alles eine Antwort.

Nach der Pause konnte er den Versuch von Jackson Martínez dann aber nicht parieren und nach dem Ausgleich verlegte sich die Austria darauf, den Punkt zu halten. Das gelang auch. Damit war zwar nach dem ersten Tor der zweite Punkt in trockenen Tüchern, gleichzeitig stand aber auch der letzte Gruppenplatz fest.

4:1 gegen Zenit

Austria - Zenit 4:1 (1:1)
Austria – Zenit 4:1 (1:1)

Im abschließenden Spiel gegen Zenit ging es also für die Austria um nichts mehr als um die Chance um den Sieg und damit einen ordentlichen Batzen Geld. Zunächst waren es aber wie schon im Hinspiel die Gäste aus Russland, die den Ton angaben und nach einer halben Stunde auch verdient in Führung gingen.

Doch Hosiners Ausgleich vor der Pause und der Doppelschlag durch Jun und erneut Hosiner unmittelbar nach dem Seitenwechsel brachten nicht nur eine 3:1-Führung für die Austria und damit die Vorentscheidung, sondern ließen die Gäste auch in der Folge ziemlich schwimmen. Es hat sicher auch mitgespielt, dass Zenit um den Zwischenstand im Parallelspiel wusste und in der Gewissheit, dass auch eine Niederlage das Weiterkommen nicht mehr verhindern wird.

Aber klar wurde auch: Eine so tolle Mannschaft, wie Zenit bis vor anderthalb Jahren war, ist sie längst nicht mehr. Das 4:1 von Kienast in der Nachspielzeit machte den Deckel drauf, die Austria hatte gewonnen, und das absolut verdient.

Bilanz: 1 Sieg, 2 Remis, 3 Niederlagen

Gar keine Frage: Die Austria hat deutlich besser abgeschnitten, als man das erwarten konnte. Sie zeigte, dass sie in Phasen und Teilen gegen Teams aus der erweiterten europäischen Top-Klasse wie Porto und Zenit nicht so schlecht aussehen muss – die beiden Abreibungen gegen Atlético waren erwartbar und angesichts der überragenden Klasse der Spanier auch nicht weiter schlimm. Dieses Team ist so gut wie Barcelona und Real Madrid, gegen diese Team schauen ganz andere auch schlecht aus.

Es gelang allerdings nicht, diese Komponenten auf einer konstanten Basis abzurufen. Da wurde mal ein großartiges Mittefeld-Pressing aufgezogen (erste Hälfte gegen Porto), da wurde mal stark verteidigt (zweite Hälfte in St. Petersburg), da wurden dann auch mal konsequent die Torchancen verwertet (daheim gegen Zenit). Dazwischen fehlte es aber auch immer mal wieder am Mut, einen wankenden Gegner auch etwas nachhaltiger anzubohren (Porto daheim und auswärts).

Damit wird deutlich, was dem Meister einer im Champions-League-Vergleich kleinen Liga wie Österreich zur europäischen Spitze fehlt: Es ist nicht das grundsätzliche Können, gut zu verteidigen, gut zu pressen oder die Torchancen zu verwerten. Sondern die Fähigkeit, all das gleichzeitig auf dem nötigen Niveau zu zeigen und die Fähigkeit, das über mehrere Spiele hinweg konstant auf dem nötigen Niveau zu zeigen.

So hat sich die Austria bei ihrer Champions-League-Premiere im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr ordentlich präsentiert; hat dabei fünf Punkte mehr gemacht als etwa Olympique Marseille, und auch mehr Zähler eingefahren als alle sieben anderen Gruppenletzten. Wenn im Frühjahr die Doppelbelastung wegfällt, ist die Austria – dem vielversprechenden Talent von Rapid und der inhaltlichen Überlegenheit von Ried und Grödig zum Trotz – ganz klar die zweitbeste Mannschaft der heimischen Liga und sollte recht sicher Zweiter werden.

Einstweilen aber kann man nur sagen: Danke, Austria, für sechs Champions-League-Abende mit österreichischer Beteiligung. Hat (meistens) Spaß gemacht!

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.