Confed-Cup 2013: Wenig bedeutendes Turnier, sehr bedeutende Erkenntnisse

Ja, das hat durchaus Spaß gemacht. Eine ziemliche Dichte an ziemlich feinen Teams, in einem Turnier, dass war weltweite Aufmerksamkeit, aber vergleichsweise geringe Bedeutung hat. Das Resultat: Ein ausgesprochen gutklassiges Turnier mit vielen unterhaltsamen Spielen, aber (vom Gastgeber abgesehen) ohne den Druck des Gewinnen-Müssens. Ein Jahr vor der WM also eine Gelegenheit zu probieren und Erkenntnisse zu sammeln. Nicht unbedingt nur taktische, auch solche das Klima betreffend.

1.: Brasilien ist auf einem guten Weg

Grundformation von Brasilien beim Confed-Cup 2013
Grundformation beim Confed-Cup 2013

Wie viel der Sieg beim Confed-Cup im geschichtlichen Großen Granzen wert ist, darüber lässt sich trefflich diskutieren. Sicher ist aber: Gastgeber Brasilien ist sportlich auf bestem Weg, für die Heim-WM in einem Jahr gerüstet zu sein. Das Duo Thiago Silva/David Luiz in der Innenverteidigung ist auf Nationalteam-Ebene womöglich das beste der Welt, mit Marcelo und Dani Alves kommt man zumindest bei den acht teilnehmenden Nationen dem Ideal der zwei guten Außenverteidiger am Nächsten, das Mittelfeld-Zentrum hält dicht, nach vorne gibt es mit Neymar und Oscar einiges an Talent – wiewohl die beiden ihr bestmögliches Zusammenspiel noch nicht gezeigt haben.

Hauptmerkmal der Seleção unter Luiz Felipe Scolari ist vor allem die extrem druckvolle Anfangsphase in jeder Partie gewesen. Japan und Mexiko geriet da schon vorentscheidend ins Hintertreffen, Spanien im Finale musste auch einem frühen Rückstand hinterherlaufen. Allen Spielen gemein war aber auch, dass Brasilien die Intensität nach dieser starken Anfangsphase – mit dem Finale als Ausnahme – danach deutlich zurückschraubte. Man cruiste, wenn möglich auf der frühen Führung im Halbgas-Modus dem Sieg entgegen. Gegen Japan und Mexiko klappte das, gegen Italien (wo es kein schnelles Tor gab) nicht, auch Uruguay überstand diese Phase im Semifinale.

Brasilien bei der Copa América 2011
Brasilien bei der Copa América 2011

Vergleicht man die Truppe mit jener, die vor zwei Jahren bei der Copa América – wo es nach einer mühsamen Gruppenphase das Aus im Viertelfinale gegeben hatte – so erkennt man vieles nicht mehr wieder. Nicht nur personell. Beim Turnier in Argentinien machte die Seleção unter Mano Menezes nicht nur einen seltsam langsamen und uninspirierten Eindruck, sondern ließ vor allem zwei Dinge komplett vermissen: Kompaktheit im Mittelfeld und Breite im Spiel nach vorne.

„Zu wenig Bewegung, zu wenig Tempo, sehr statisches Spiel und vor allem: Ein zu großer Abstand, bzw. zu wenig Kontakte zwischen den sechs Spielern hinten und den vier vorne“, analysierten wir im ersten Gruppenspiel, dem 0:0 gegen Venezuela.

„Weil die Brasilianer wieder ein veritables Loch zwischen defensivem Mittelfeld und Offensivreihe ließen, hatten die drei Paraguayer im Mittelkreis das Zentrum sehr gut unter Kontrolle, weil wiederum nur Ramires einen Link zwischen der Defensive und Ganso und Co. darstellte. Auch von den Außenverteidigern kam wieder gar nichts“, hieß es in der Analyse vom zweiten Gruppenspiel, einem 2:2 gegen Paraguay.

„Das brasilianische Spiel verfiel in den alten Trott: Wenig Breite, viel Platz zwischen Defensive und Offensive und ein Offensiv-Quartett, dass nicht gut harmonierte, wenn der Ball doch einmal vorne war“, im Viertelfinale gegen Paraguay – das letztlich im Elferschießen verloren wurde.

Im zentralen Mittelfeld ist von der Copa 2011 keiner mehr übrig: Luiz Gustavo sorgt für Umsicht und defensive Stabilität, Paulinho – die große Entdeckung des Turniers – für den Schub nach vorne, und Oscar versuchte, sich durch extrem viel Laufarbeit immer anspielbar zu machen. Scolari packte also vor allem körperliche Präsenz ins Zentrum. Während Marcelo auf der linken AV-Position ein Fixpunkt ist, kämpft Scolari rechts hinten mit den gleichen Problemen wie seit Jahren: Dani Alves performt in der Seleção einfach nicht, Maicon ist längst endgültig kein Thema mehr, und viele Alternativen hat Scolari nicht.

Die rechte Seite mit einem schwachen Dani Alves und dem ebenfalls nicht überzeugenden Hulk ist der wohl größte Schwachpunkt, den es für die WM noch zu beheben gilt. Im Tor ist Júlio César immer noch ein guter Mann, aber nicht mehr der Weltklasse-Keeper vergangener Tage. Und bei allem Respekt vor seiner sehr ansprechenden Performance bei diesem Turnier: Brasilien hatte auch schon mal bessere Mittelstürmer als Fred. Der noch dazu der einzige echte, gelernte Mittelstürmer im ganzen Kader war.

2. Pressing- und ballbesitzorientierte Europäer werden’s schwer haben.

Grundformation von Spanien
Grundformation von Spanien

Man sollte sehr vorsichtig sein, Spanien nach einem mauen Turnier und nach den Vernichtungen von Real und vor allem Barcelona im CL-Semifinale schon abschreiben zu wollen. Immerhin wurde die U-21 gerade einmal mehr Europameister.

Aber: Der Confed-Cup zeigte sehr wohl, dass es für Teams, die ihr Spiel auf Pressing und Ballbesitz anlegen, vor allem aufgrund der klimatischen Bedingungen – heiß und schwül – sehr schwer sein wird. Vor allem, wenn man bedenkt, dass den Top-Klubs aus Spanien und Deutschland, deren Nationalteams so spielen, wieder eine lange Saison mit vielen Europacup-Partien bevorsteht.

Spanien war körperlich im Halbfinale gegen Italien schon schwer am Limit und im Finale dann komplett tot, obwohl man in der Gruppenphase das billige Trainingsspielchen gegen Tahiti hatte, anstatt drei echte Ernstkämpfe absolvieren zu müssen. Angesichts dieser Erkenntnisse gilt es, bei der WM danach zu trachten, nach zwei Gruppenspielen den Aufstieg geschafft zu haben und Verlängerungen in der K.o.-Phase auf jeden Fall zu vermeiden. Vor allem für Teams aus den hinteren Gruppen, also E bis H, wäre eine Verlängerung wohl tödlich, weil diese Teams im weiteren Turnierverlauf immer einen Tag weniger zur Regeneration haben als jene aus den vorderen Gruppen.

Darauf gilt es sich vor allem eben für Deutschland und für Spanien, aber auch für Bosnien und Holland einzustellen, will man wirklich eine Chance auf den Titel haben. Denn würde im Viertelfinale etwa die ohnehin starke Truppe aus Kolumbien, die Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit noch dazu wie kaum eine zweite kennt, und man ist physisch schon derart bedient wie Spanien beim Confed-Cup schon nach zwei ernsthaft geführten Spielen, wird garantiert Schluss sein.

3.: Reaktive Teams aus Europa dürften im Vorteil sein

Auch, wenn sich Italien im Gruppenspiel gegen Japan – dem wohl aufregendsten bei diesem Turnier – nicht so besonders geschickt anstellte, ist es dennoch so, dass man die Italiener groß auf der Rechnung haben muss. Weil Prandelli bei seinem Team, anders als etwa Del Bosque mit Spanien, aus einer Vielzahl von Systemen (4-3-2-1 gegen Mexiko und Japan, 4-4-1-1 gegen Brasilien, 3-4-2-1 gegen Spanien und wieder 4-3-2-1 gegen Uruguay), Formationen und Taktiken wählen kann, einige extrem vielseitige Spieler zur Verfügung hat (Marchisio, Giaccherini, De Rossi, etc.) sich dabei am Gegner orientiert und überhaupt kein Problem damit hat, selbst das Spiel nicht zu machen.

Dreimal verwendete Italien das 4-3-2-1
Dreimal verwendete Italien das 4-3-2-1

Weil Italien in der Regel nicht bzw. nur wenig presst, was vor allem gegen Spanien im Halbfinale auffällig war, spart das Team einiges an Kraft. Durch den relativ breiten Kader und angesichts der Tatsache, dass Prandelli zu regelmäßigen Umstellungen neigt – mal spielte Marchisio, mal Aquilani, gegenüber wechselten sich Giaccherini und Candreva ab, Pirlo bekam immer wieder seine Pausen, durch die Wechsel zwischen Dreier- und Viererkette auch Barzagli bzw. Bonucci – bekommen viele Akteure auch im Regelfall ihre Downtime.

Dass das Klima reaktive Mannschaften bevorzugt, kann aber auch für andere europäische Mannschaften von Vorteil sein. Hodgsons England fällt einem da spontan ein, auch die Schweizer. Die Portugiesen, sollten sie sich qualifizieren, könnten das auch.

Sicher ist nur: Vor allem für die europäischen Teams wird das Wetter ein ganz entscheidender Punkt werden.

4.: Südamerikanische Dominanz zu erwarten

Schon in Südafrika trumpften vor allem die südamerikanischen Teams „hinter“ Brasilien und Argentinien auf. Uruguay erreichte das Halbfinale, Paraguay das Viertelfinale, Chile das Achtelfinale (und scheiterte dort an Brasilien). Mit Spaniens 2:1 gegen Chile  gab es bis zum Achtelfinale in 19 Spielen gegen nicht-südamerikanische Teams nur eine einzige Niederlage.

Auch Uruguay zeigte sich vom System her flexibel
Auch Uruguay zeigte sich vom System her flexibel

Eine ähnliche Dominanz darf man auch nächstes Jahr erwarten – nicht nur, weil es einige richtig gute Teams aus den Conmebol-Verband sein werden, die teilnehmen, sondern auch, weil diese die klimatischen Bedingungen einfach gewöhnt sind.

Dabei ist Uruguay, trotz des Semifinales beim Confed-Cup, nicht mal der heißeste Kandidat. Óscar Tabárez ist zwar immer noch ein interessanter Trainer, dem Flexibilität in Systemfragen sehr wichtig ist – er switchte zwischen Dreier- und Viererkette, zwischen zwei und drei Stürmern, zwischen flachem und etwas windschief-rautenförmigen Mittelfeld. Aber das Team ist tendenziell überaltert und über den Zenit, den es 2010 und 2011 erreichte, schon ein wenig hinaus. Es ist seither sehr wenig frisches Blut und neuer Konkurrenzkampf in den Kader gekommen.

Zu wenige Tore: Mexiko
Zu wenige Tore: Mexiko

Aber das sehr gut funktionierende Team aus Kolumbien um die Neo-Monegassen Falcao und James Rodríguez und dem hochinteressanten Teamchef José Néstor Pekerman kann durchaus ein Kandidat für das Semifinale sein. Auch Chile, mit Jorge Sampaoli ebenso mit einem aufregenden Trainer im Amt, ist einiges zuzutrauen.

Die Kenntnis um das Klima wäre grundsätzlich auch bei Mexiko vorhanden. Dort scheitert es aber an anderer Stelle: Das Team von Juan Manuel de la Torre ist erstens ziemlich eindimensional, vom 4-4-1-1 mit Giovani als hängender Spitze geht er nicht ab – wiewohl in den U-Teams etwa durchaus eher mit Dreierkette agiert wird. Und, zweitens, ist Mexiko bei aller Spielstärke, erschreckend harmlos vor dem Tor. Nur drei in sechs Quali-Finalrundenspielen, in den ersten zweieinhalb Spielen beim Confed-Cup nur ein Elfer-Tor. Obwohl mehr als genug Chancen dagewesen wären.

5.: Japan kann viel, muss es sich aber auch zutrauen

Japan: Personell seit 2011 unverändert
Japan: Personell seit 2011 unverändert

Wer vom ziemlich flachen Auftritt Japans beim Auftakt-0:3 gegen Brasilien enttäuscht war, wurde im zweiten Spiel gegen Italien wieder in die Realität versetzt: Wie schon beim Asien-Cup, den Japan nach Strich und Faden zerlegte, zeigte sich das Team von Alberto Zaccheroni (auch er so ein feiner Trainer!) von seiner guten Seite: Ramba-Zamba-Tempofußball, mit viel Vertrauen in das eigene Können.

Wie den Mexikanern fehlt es aber auch Japan an den Toren. Maeda ist ein fleißiger Arbeiter, aber kein Goalgetter, Mike Havenaar fehlt da auch die internationale Klasse. Interessantes Detail: Obwohl es einige neue Alternativen in europäischen Top-Ligen gibt, vor allem in Deutschland, ist es beim Confed-Cup die exakt gleiche Grundformation gewesen wie vor zweieinhalb Jahren beim Asien-Cup. Heißt: Die Mannschaft ist eingespielt, kenn sich in- und auswendig. Sie kann auch bei der WM aufzeigen, wenn Zac einen Weg findet, mit dem Klima umzugehen und wenn sich die Japaner auch wirklich etwas zutrauen.

6.: Die Afrikaner werden wieder früh heimfahen. Das wird aber nicht am Klima liegen.

Nigeria hat fraglos Potenzial. Nicht so viel, um in der K.o.-Runde bei der WM weit zu kommen. Nein, sie werden froh sein müssen, die Vorrunde zu überstehen. Aber immerhin ist man in Nigeria mit Stephen Keshi auf einem guten Weg – sportlich.

Nigeria fehlten zwei wichtige Spieler
Nigeria fehlten zwei wichtige Spieler

Man war gegen Uruguay auf Augenhöhe, traute sich gegen Spanien im Mittelfeld zu attackieren. Zudem ist man noch stärker, wenn mit Victor Moses von Chelsea und Mittelstürmer Emmanuel Emenike von Spartak Moskau, die verletzt fehlten. Linksaußen Nnamdi Oduamadi zeigte durchaus auf, der in Italien spielende 22-Jährige ist eine der Entdeckungen dieses Turniers. Die Qualifikation für die WM sollte gelingen (wenn es auch ziemlich wahrscheinlich nicht besonders glanzvoll geschehen wird) und es ist auch kein Afrika-Cup mehr im Weg, nach dem afrikanische Verbände ja gerne den Panik-Button drücken.

Doch obwohl auch Côte d’Ivoire an sich die Qualität hätte, zumindest ordentlich abzuschneiden, ist nicht zu erwarten, dass alle fünf afrikanischen Teilnehmer im kommenden Jahr zu den „Geläuterten“ gehören wird. Was nach dem Afrika-Cup Anfang des Jahres galt, gilt nämlich natürlich weiterhin: So lange die nationalen Verbände nicht professionell arbeiten, können sich die Teams sportlich nicht entwickeln. Nicht zuletzt stritt man auch in Nigeria auch vor diesem Turnier mal wieder um die Prämien.

Und der sportliche Wert der allermeisten Teams aus Afrika ist, das wurde beim von Nigeria gewonnen Turnier deutlich, jämmerlich. Weshalb man davon ausgehen kann, dass sich der größte Teil dss Quintetts nächstes Jahr sehr schnell wieder von der WM verabschieden wird. Und es wird nichts mit dem Klima zu tun haben.

7.: Tahiti – ein witziger Farbtupfer

Immerhin: Tahiti schon ein Tor
Immerhin: Tahiti schoss ein Tor

Dass die mit dem längst aufs sportliche Altenteil des griechischen Mittelständlers Panthrakikos geschobenen Marama Vahirua verstärkte Hobbykicker-Auswahl aus Tahiti die Bude dreimal angefüllt bekommen würde, war von vornherein klar. Ob man die Bilanz von 1:24 Toren jetzt als Erfolg sehen möchte oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Zum Vergleich: Bei der U-20-WM vor vier Jahren kam man mit 0:21 Toren davon.

Man wusste um die Chancenlosigkeit und präsentierte sich als witziger Farbtupfer. Teamchef Eddy Etaeta ließ alle drei Torhüter je ein Spiel ran, gegen Nigeria gab es sogar ein Tor. Die Grundausrichtung war mit dem 5-4-1 klar defensiv, aufgrund des eklatanten Klasse-Unterschieds half das aber natürlich auch wenig.

Aber die Teilnahme kann Tahiti keiner mehr nehmen, mit einem Spiel gegen Spanien vor 71.800 Zuschauern im Maracanã. Dass es 0:10 verloren wurde, was soll’s. Marama Vahirua übrigens hat seine Karriere nach dem Turnier beendet.

Fazit: Feines Turnier mit interessanten Erkenntnissen

Das Turnier hat einige schöne Spiele produziert und einen schönen Überblick über die allgemeinen Formkurven gegeben. Vor allem Italien hat einiges ausprobiert. Spanien wird sich etwas überlegen müssen, in Richtung WM. Die nachrückenden Teams wie Mexiko und Japan haben ihre Möglichkeiten angedeutet, mehr aber (noch?) nicht.

In jedem Fall aber ist dieser Confed-Cup ein Plädoyer dafür gewesen, dieses Turnier nicht mehr per se zu belächeln, weil es ja sportlich um nicht allzu viel geht. Dazu war der Unterhaltungswert zu hoch und die Erkenntnisse daraus zu bedeutend.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.