Test-Länderspiel
Tivoli, Innsbruck, 5. Juni 2012
Österreich - Rumänien
0-0
Tore: keine

0:0 gegen Rumänien: Hinten immer besser, vorne weiter mäßig

Scharner ist schlau genug für Vorstöße aus der Innenverteidigung und das defensive Pressing greift immer besser – das die positiven Aspekte von Österreichs 0:0 gegen Rumänien. Was gegen einen erschreckend passiven Gegner noch nicht nach Wunsch klappte: Räume schaffen für das eigene Spiel nach vorne. 

Österreich - Rumänien 0:0

Es ist kaum zu glauben, dass es erst fünf Jahre her ist, als die rumänische Mannschaft in der Qualifikation für die Euro 2008 so brilliant aufgespielt und die Quali-Gruppe vor Holland gewonnen hat. Das rumänische Team des Jahres 2012 ist für den Beobachter hingegen eine ziemlich frustrierende Angelegenheit. Die Kreativität ging offenbar mit dem Altern und dem Aus von Adrian Mutu flöten, die Kampfkraft mit dem Rücktritt von Christian Chivu.

Der ideale Gegner also für die österreichische Mannschaft, um auszutesten, wie weit man mit der eigenen Spielgestaltung schon ist, wenn man gegen einen Gegner, der über das Niveau von Fußballzwergen hinausgeht dazu gezwungen ist. Somit auch ein Testlauf für die WM-Qualispiele gegen Kasachstan (wir erinnern uns an eine grausame Leistung beim Zufallssieg in Salzburg und eine blutleere, weil als letztes Spiel eher sinnlose Nullnummer in Astana), Färöer und wohl auch Irland.

Das zentrale Mittelfeld

Wie nicht anders erwartet worden war, zogen sich die Rumänen recht schnell recht weit zurück. Das 4-2-3-1 von Victor Piţurcă baute sich dreißig Meter vor dem Tor quasi als Mauer auf, durch die das österreichische Team durchzukommen hatte. Die Hauptlast im Taktgeben und Löcher suchen lag bei David Alaba: Der Bayern-Legionär war, einmal mehr, überall zu finden. Zu Beginn mal kurz als Linksverteidiger hinter dem aufgerückten Suttner, dann auch mal halbrechts vorne, aber grundsätzlich war seine Position halblinks als Achter.

Neben ihm agierte Veli Kavlak als Abfangjäger bei rumänischen Kontern (sehr zweikampfstark!) und natürlich nach vorne als Passgeber. Dass Kavlak aus der Tiefe heraus spielen kann, ist schon seit fünf Jahren bekannt, und auch bei Beşiktaş spielt er in dieser Position. Der auch optisch seit seinem Abschied aus Österreich stark veränderte Kavlak ist auf jeden Fall eine ernsthafte Alternative zu Julian Baumgartlinger.

Pressing: Immer besser, immer konsequenter

Das erfreulichste Detail an diesem Spiel war, dass wie schon zuletzt gegen die Ukraine ein klarer Plan beim Pressing in der eigenen Hälfte zu sehen war, und dieser auch sehr konsequent durchgeführt wurde. Anders als in jenem Spiel wurde aber gegen die Rumänen schon früher draufgegangen, oft schon der Pass in die Nähe des österreichischen Strafraums verhindert und die Rumänen damit offensiv komplett aus dem Spiel genommen.

Folge: Im kompletten Spiel hatten die Gäste drei Torchancen – zwei Konter und einmal nach einem Ballverlust in der Vorwärtsbewegung. Keine Frage: Gegner, die sich eher auf das Reagieren beschränken, können so sehr gut vom eigenen Tor weggehalten werden. In diesem Bereich wurden in den Spielen unter Koller zweifellos die größten Fortschritte gemacht.

Scharners taktisch gute Vorstöße

Über weite Strecken der Partie war die österreichische Innenverteidigung defensiv überhaupt nicht gefordert. Was vor allem Paul Scharner zu Vorstößen nützte. Genau das, das Verständnis und die Fähigkeit zur Spieleröffnung, ließ er gegen die Ukraine zumeist vermissen. Gegen Rumänien traute er sich viel mehr nach vorne zu gehen, das Mittelfeld zu verstärken, und so vor allem David Alaba zu erlauben, sich aus seiner Position zu bewegen.

Genau das ist von spielintelligenten Verteidigern gefordert: Wenn sich der Gegner zurückzieht und nur mit einer Spitze vorne agiert, ist es nicht nur völlig sinnlos, wenn beide Innenverteidiger stur hinten bleiben. Nein, es ist sogar kontraproduktiv: Einer der beiden kann locker aufrücken, das Mittelfeld verstärken und so für zusätzliche Optionen im Spiel nach vorne sorgen. Scharner, als gelernter Mittelfeld-Spieler, kann das hervorragend und in der Premier League hat er auch das nötige taktische Rüstzeug mitbekommen, das umzusetzen. Und Koller lässt ihm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht nur die Freiheit zu Vorstößen, nein, er wird sie sogar fordern.

Die Außenverteidiger: Fleißig, immerhin

Dieser Schritt hat die Mannschaft, was das eigene Gestalten eines Spiels angeht, noch vor sich. Was im Vergleich zum Ukraine-Spiel als positiv zu vermerken ist, sind die Außenverteidiger. Auch Suttner traute sich viel öfter und viel mehr, sich ins Offensiv-Spiel einzuschalten. Zwar hatten über links weiterhin Arnautovic (der nach wenigen Minuten auf der rechten Seite auf die linke Bahn wechselte) und Alaba die inhaltliche Hauptlast über, aber Suttner  war durchaus präsent. Alleine seine Flanken waren der pure Horror.

Eine ansprechende Partie lieferte auf der rechten Seite Gyuri Garics ab. Defensiv ließ der Mann von Bologna überhaupt nichts anbrennen und nach vorne war er immer wieder eine Anspielstation, agierte zum Teil weit vorne – aber wie auch bei Suttner kam der entscheidende Pass zu selten an. Dass er eine Klasse besser ist als Florian Klein, hat er trotz insgesamt zweier für seine Verhältnisse durchschnittlichen Partien eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Die Akte Arnautovic

Was wurde nach dem Ukraine-Spiel nicht alles über Marko Arnautovic diskutiert. Fakt ist: Konnte man nach dem 3:2 noch über seine Körpersprache und seine Rolle innerhalb des Teams diskutieren, ist das nach dieser Leistung nicht mehr nötig. Der Bremer lieferte eine seiner besten Spiele im Team-Trikot ab – vor allem im kämpferischen Bereich. Er er grätschte Bälle von der Linie weg, er hängte sich in die Zweikämpfe rein und er presste auf die Gegner, dass es eine Freude war.

Durch seine Rochaden – erst mit Burgstaller, dann immer wieder mit Junuzovic – war er auch für die Rumänen nie wirklich greifbar, wiewohl er in seinem Arbeitseifer ein wenig auf den Zug zum Tor vergaß. Das lag aber auch am engmaschigen Defensiv-Netz der Rumänen und daran, dass das mit dem eigenen Offensiv-Spiel ganz deutlich noch die größte Baustelle im österreichischen Spiel ist.

Das Spiel zum gegnerischen Tor

Denn das ÖFB-Team sammelte zwar Ballbesitz weit jenseits der 60-Prozent-Marke, aber Zugriff auf den rumänischen Strafraum gab es kaum. Marcel Koller weiß, dass man es sich als Mittelklasse-Nation nicht erlauben kann, vorne auf Halli-Galli zu spielen und hinten halt zu beten, dass schon nichts passiert. Koller wollte und will erst einmal der Defensive einen funktionierenden Plan mit auf den Weg geben, wie man nicht dauernd Tore schluckt. Dann kommt der Rest.

Im Spiel nach vorne ging allerdings weiterhin vieles ohne das nötige Tempo, sodass die Rumänen sich mit dem Verteidigen nicht übertrieben schwer taten. Funktionierende Laufwege waren in dem Sinn noch keine zielführenden erkennbar, vor allem das Positionsspiel und die Laufwege ohne Ball waren sehr durchsichtig. Das war mehr ein generelles Sich-Richtung-Ball-Bewegen, aber nichts überraschendes. Nichts, was einen gegnerischen Verteidiger aus seiner Position zieht, was Löcher riss, was eine neue Option ergäbe.

Was man bei alldem nicht außer Acht lassen darf: Mit Martin Harnik hat ein Spieler, der extrem viel Zug zum Tor entwickelt und sich auch schon einen entsprechenden Ruf erarbeitet hat, nicht dabei. Guido Burgstaller ist ein Arbeiter, jemand, der auf seine ihm eigene Art und Weise auch Löcher ziehen kann – dafür ist er aber wohl ganz vorne besser aufgehoben. Es wird eh in immer mehr Mannschaften so, dass Stürmer nicht mehr primär zum Tore schießen da sind, sondern zum Bälle halten und Verteidiger binden – darum agierte er auch bei Rapid in vorderster Front.

Der Gegner: Brrrrrr.

Nach der Euro 2008, in der die Rumänen wegen der ängstlichen Herangehensweise mehr an sich selbst als an Italien und Frankreich gescheitert waren, landete man in der Quali für die 2010 sogar hinter Constantini-Österreich und war auch für die Euro 2012 meilenweit von einer Teilnahme entfernt, gewann jeweils nur drei von den zehn Spielen. Und in der Quali für Brasilien 2014 wird gegen Vize-Weltmeister Holland, gegen die Türken, die sich deutlich im Aufwind befindlichen Ungarn und die für die EM erst im Play-Off gescheiterten Esten nichts drin sein, wenn man sich präsentiert wie in diesem Spiel in Innsbruck.

Es gibt keinerlei Kreativität in dieser Mannschaft. Gepresst wird nur an vorderster Front, und auch nicht in einem Ausmaß, das einen ins Schwitzen bringen müsste. Das Spiel aus dem Zentrum ist ungenau, den Flügelspielern fehlt es an Durchsetzungskraft. Aber immerhin: Die Defensive steht – wenn auch gegen eine diesbezüglich (noch) eher biedere Truppe wie Österreich – recht sicher. Aber mit 0:0 auswärts bei Topf-3 und Topf-4-Teams wird Rumänien keinen Stich machen.

Fazit: Hinten immer solider, vorne fehlt’s noch

Marcel Koller wollte explizit sehen, wie weit sein Team in der eigenen Spielgestaltung ist, und das muss man sagen: Da fehlt’s noch ziemlich. Einzelaktionen von Arnautovic werden nicht immer von Erfolg gekrönt sein, Janko war wiederum zu wenig im Spiel, weil es nicht gelungen ist, durch Laufwege ohne den Ball Löcher zu kreieren. Das war noch recht überschaubar und hat noch sehr viel Luft nach oben. Immerhin: Die Standards waren nicht kompletter Ramsch, sondern zumindest so mittel-gefährlich. Muss man aber sicher auch noch dran feilen, wenn es aus dem Spiel heraus kaum Chancen gibt.

Hinten allerdings schaut das in der Tat immer besser aus, hier wurde in diesen eineinhalb Wochen ein riesiger Schritt nach vorne gemacht. Mit dem konsequenten Pressing in der eigenen Hälfte wurde es den Ukrainern und den Rumänen, beides Mittelklasse-Teams, mehr oder weniger vergleichbar stark wie Österreich, praktisch unmöglich gemacht, zu Chancen zu kommen. Hier agiert das ÖFB-Team sehr diszipliniert, verfolgt einen genauen Plan und ist auf einem richtig guten Weg.

Damit, und mit dem Test gegen die Türkei im August noch vor der Brust, kann man zumindest schon mal ohne ganz großes Bauchweh in das erste WM-Quali-Spiel gegen Deutschland gehen, da wird man das Spiel nicht selbst machen müssen. Und vom Teamchef verordnetes Null-Attackieren im Mittelfeld, wie beim 2:6 in Gelsenkirchen vor einem Jahr, wird es dabei sicher auch nicht geben. Dann allerdings, beim Doppel in bzw. gegen Kasachstan im Oktober, sind gute Laufwege ohne Ball zum Löcher reißen schon eher gefragt.

(phe)

PS: Ein Wort an dieser Stelle noch zur APA. Hier wurde jene rumänische Aufstellung, die auch der ORF vor Spielbeginn eingeblendet hatte – also mit Dorin Goian im Mittelfeld und Vlad Chiricheş in der Innenverteidigung – auch genau so ausgeschickt, was auch die darauf zurückgreifenden Medien ebenso brav wie blind übernommen haben. Tatsächlich war es genau umgekehrt: Chiricheş spielte als Sechser und Goian, wie immer, in der Innenverteidigung.

Einmal eine halbe Minute auf’s Spielfeld zu schauen, ob das Eingeblendete auch der Realität entspricht, ist wohl zu viel verlangt.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.