Erste Liga 2011/12 | 33. Spieltag
Reichshofstadion, 4. Mai 2012
Austria Lustenau - Wolfsberger AC
2-2
Tore: 3' Boya, 90' C. Stückler bzw. 19' Jacobo und 83' Solano

Reif für die Bundesliga? Lustenau wäre interessanter, der WAC passt besser

Mit dem 2:2 bei Austria Lustenau hat der WAC einen womöglich vorentscheidenden Schritt zum Aufstieg in die österreichische Bundesliga gemacht – beim direkten Duell zeigten der Kroate und der Isländer auf den Trainerbänken aber beide ihre Qualitäten. WAC-Coach Bjelica mit seiner eher nüchternen, kompakten Spielanlage. Und Lustenau-Trainer Kolvidsson mit dem auch inhaltlich fundierten Versuch, das Spiel selbst zu gestalten.

Austria Lustenau - Wolfsberger AC 2:2

Ein Kroate und ein Isländer – sie kämpfen als Trainer um den Aufstieg in die Bundesliga: Die Wolfsberger mit dem führeren Kaiserslautern-Profi Nenad Bjelica (40, seit acht Jahren erst als Spieler, dann als Trainer in Österreich tätig) und die Lustenauer Austria mit Helgi Kolvidsson (40, als Spieler in Lustenau und im süddeutschen Raum in zweiter und dritter Liga unterwegs) sind jene Teams, die sich als die verbliebenen Kandidaten im Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga herauskristallisiert haben. Mit dem WAC in der besseren Position: Mit vier Punkten Vorsprung ging’s zum direkten Duell am viertletzten Spieltag ins Ländle.

Die Spielanlage des Heimteams

Das größte Problem, mit dem Lustenau zu kämpfen hatte, war das krankheitsbedingte Fehlen von Spielmacher Sascha Boller. Statt dem Blondschopf aus Deutschland musste Jan Zwischenbrugger auf die Zehn in Kolvidssons 4-2-3-1 gehen. Dieser ist ein braver Spieler, aber er strahlt weder die Omnipräsenz eines Boller aus, noch hat er dessen Qualitäten im Gestalten des Spiels.

Zudem war Zwischenbrugger zwischen WAC-Sechser Messner und Roland Putsche ziemlich eingezwickt, sodass er noch weniger am Spiel teilnehmen konnte. So gab es zwei Möglichkeiten für die Vorarlberger, nach vorne zu kommen: Über die Flanken (das frühe 1:0 durch Boya entstand aus schleißigem Abwehrverhalten – Suppan versuchte nicht einmal, den Flankenball zu verhindern) oder über lange Bälle.

Vor der Pause: WAC hat das Spiel im Griff

Der WAC machte schon vor, aber erst recht nach dem 1:1-Ausgleich (einem schlimmen Patzer von Lustenau-Goalie Kofler bei einem Jacobo-Freistoß) sehr geschickt das Mittelfeld zu. Nenad Bjelica setzte in dieser Partie nicht auf sein gewohntes 4-4-2, sondern opferte einen Stürmer, um die Zentrale zu stärken. Generell war die Ausrichtung der Kärntner recht defensiv, kein Wunder, sie konnten mit einem Remis deutlich besser leben.

Jacobo – ein richtig unguter Kerl auf dem Platz, weinerlich und mit einer veritablen Fallsucht ausgestattet – sollte, wie gewohnt, auf dem linken Flügel für Akzente setzen, die anderen drei in der Mittelfeld-Kette hatten aber eher defensive Aufgaben. Kerhe auf der rechten Seite bremste gemeinsam mit Baldauf den flinken Thiago ein, Putsche passte auf, dass Zwischenbrugger nicht ins Spiel kam. Lediglich Zakany war noch mit gestalterischen Aufgaben bedacht: Er positionierte sich oft recht tief und stieß dann wie ein Box-to-Box-Spieler bis in die Spitze vor. Der Sechser Messner agierte als reiner Zerstörer – Aufgaben in der Gestaltung hatte er praktisch keine.

Der Plan des WAC ging auf: Lustenau fand keine Wege, um mit spielerischen Mitteln durch das Mittelfeld der Kärntner durchzukommen, da konnte sich Boya noch so viel bewegen und auch im Mittelfeld sich anbieten. So blieben nur noch lange Bälle, mit denen der WAC keine Probleme hatte. Die Folge: Lustenau hatte zwar mehr Ballbesitz, aber die Kärntner kontrollierten das Spiel.

Nach der Pause: Lustenau findet vor das Tor

Zwei Aspekte ließen das Spiel nach der Pause zu Gusten von Lustenau kippen: Zum einen, dass WAC-Coach Bjelica seine Flügelspieler die Seiten tauschen ließ. So sollte statt Jacobo nun der defensiv deutlich stärkere Manuel Kerhe die Angriffsbemühungen des starken Lustenau-RV Daniel Dunst einbremsen. Das war aber ein Schuss ins Knie: Nicht nur, dass Dunst gegen Kerhe (gegen den er selbst defensiv nichts zu befürchten hatte) noch mehr nach vorne randalierte als vor der Pause, nein, nun ließ sich auch Lustenau-LV Zech nicht lumpen und tat es Dunst gleich.

Und zum anderen, dass Thiago und Krajic, die beiden Lustenauer Außenstürmer, deutlich zentraler agierten bzw. einrückten, um den Außenverteidigern das hinterlaufen zu ermöglichen. So überrannten die Vorarlberger das Zentrum, sodass der WAC hier überhaupt nichts Konstruktives mehr zeigen konnte, und verfügten aber dennoch über die nötige Breite, um die Abwehrkette des WAC auseinander zu ziehen.

Vor allem Boya verstand es sehr geschickt, die sich bietenden Räume im Strafraum anzugehen, sich mit seinem robusten Körperbau zur Wehr zu setzen und den Abschluss zu suchen. Lustenau war nach dem Seitenwechsel das klar spielbestimmende Team und hatte genug Chancen, sich die verdiente Führung zu sichern. Doch die Möglichkeiten wurden allesamt vergeben.

WAC erst in Not, dann in Führung

Bjelica nahm eine Viertelstunde vor Schluss Zakany aus dem Spiel und brachte mit Jochum einen zweiten Zerstörer und stellte auf ein 4-2-3-1 um. Das Signal war klar: Schauen, dass das 1:1 über die Zeit gebracht wird. Doch es ergab sich sogar die Chance auf mehr: Jacobo, von dem nichts mehr zu sehen war, ging bei einem der seltenen Konter nach einem leichten Schubser von Dürr spektakulär zu Boden – Freistoß, Solano kam mit dem Kopf dran, und der WAC führte 2:1.

Die Vorarlberger warfen in den letzten Minuten dann noch alles nach vorne, und ein Freistoß-Gewaltschuss von Innenverteidiger Stückler brachte in der Nachspielzeit noch den Ausgleich. Hochverdient – mindestens. Im Kampf um den Aufstieg aber wohl dennoch etwas zu wenig.

Fazit: WAC passt besser in die Bundesliga, Lustenau wäre interessanter

Im Endeffekt geht das Remis in Ordnung: Der WAC kontrollierte das Spiel mit geschicktem Spiel gegen den Ball vor der Pause, Austria Lustenau mit mutigem Spiel nach vorne nach dem Seitenwechsel. Für den Kampf um den Bundesliga-Aufstieg heißt das, dass der WAC sich nur noch selbst schlagen kann – in den letzten drei Spielen sollten die Kärntner ihren Vier-Punkte-Polster eigentlich nicht mehr verspielen.

Doch egal, wer nun das Ticket für die Bundesliga löst: Es wird eine Mannschaft rauf kommen, die sich vor der höchsten Spielklasse nicht fürchten muss – obwohl weder der WAC noch Lustenau zeigen etwas wirklich Außergewöhnliches zeigen.

Angesichts der aktuellen Bundesliga-Landschaft würde wohl der WAC besser hinein passen: Geschickte Arbeit gegen den Ball im Mittelfeld. Bis auf Jacobo keine Spieler, auf die man ein spezielles Auge richten müsste, aber sehr kompakt. Im Spiel nach vorne könnte es in der Bundesliga etwas Probleme geben: Zakany als Box-to-Box-Spieler, der das Umschalten von Defensive auf Offensive organisiert, ist dabei durchaus ausrechenbar. Das reicht in der Ersten Liga, aber bei den auf Verhindern geeichten Teams der Bundesliga geht das sicher nicht mehr so leicht. Zudem dürfen Zweifel angemeldet werden, ob Christian Falk als Solo-Spitze in der Bundesliga wirklich zurecht kommt. Er tut sich mit einem Sturmpartner sichtlich leichter.

Schöner zum Ansehen wäre, auch wenn es sich wohl nicht mehr ausgehen wird, Austria Lustenau. Unter Kolvidsson, und da vor allem nach der Winterpause, zeigen die Vorarlberger immer den Mut zur Initiative. Massiv nach vorne marschierende Außenverteidiger, Flügelstürmer die das Hinterlaufen ermöglichen,  ein Sascha Boller als nimmermüder Spielgestalter (wenn er nicht gerade krank im Bett liegt) – und mit Pierre Boya als robustem Solo-Stürmer, der Bälle nicht nur versenken sondern auch halten kann, dabei eigentlich zu gut für die Erste Liga ist.

Da es in der Bundesliga ja nicht so richtig viele Mannschaften gibt, die selbst gestalten (wollen), wäre ein Team wie Lustenau – wie gesagt, nichts Außergewöhnliches, aber zumindest inhaltlich an höheren Sphären orientiert – ein netter Farbtupfer gewesen.

Weshalb man Helgi Kolvidsson nur gratulieren kann und sagen muss: Bitte mehr Trainer von dieser Sorte!

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.