Champions League 2011/12 | 4. Gruppen-Spieltag
Ashburton Grove, London, 1. November 2011
Arsenal FC - Olympique Marseille
0-0
Tore: keine

Maues 0:0 hilft weder Arsenal noch OM

Leckerbissen? Nein, das war das Spiel zwischen Arsenal und Marseille wirklich nicht. Beide Mannschaften ließen die Struktur im Spiel nach vorne vermissen, beiden fehlte es an der Breite, und keiner konnte über einen längeren Zeitraum Torgefahr erzeugen. Das 0:0 war somit logisch.

Arsenal - Marseille 0:0

Arsenal? Nach vielen Abgängen und einem schrecklichen Saisonstart im Kommen, aber das Gebilde wirkt fragil. Marseille? Konnte sich aus dem Tabellenkeller lösen, ist aber weit weg vom eigenen Anspruch. Das sind die Teams national. In der Champions League stimmten bislang die Resultate. Und beide Teams wussten vor diesem Spiel: Ein Sieg, und man hat das Achtelfinale so gut wie sicher.

Toller Start von Marseille…

Der französische Vizemeister legte sofort mit heftigem Pressing los. Damit wusste Arsenal erst einmal überhaupt nichts anzufangen: Marseille sammelte viel Ballbesitz und versuchte vor allem, über die Außen nach vorne zu kommen und von dort flach in den Strafraum zu flanken. Dass man mit hohen Bällen gegen Mertesacker und Vermaelen nicht viel Spaß haben würde, war Marseille klar.

Jenkinson und André Santos wurden somit früh als mögliche Schwachstellen erkannt und angebohrt, und mit dem teils brutalen Pressing im Mittelfeld kam Arsenal nicht dazu, ins Spiel zu finde. Hinzu kam die recht hohe Positionierung von Valbuena – die später schon ein Probelm darstellte – und der unglaubliche Aktionsradius von Rémy, wodurch beide fast immer anspielbar waren und die Hausherren vor große Probleme stellten.

…doch der währt nicht lange

Das ging etwa eine Viertelstunde so und eine Führung für die Franzosen wäre sowohl möglich als auch hochverdient gewesen, doch dann kam ein deutlicher Bruch. Zum einen, weil das Pressing OM nachließ, und zum anderen, weil Arsenal sich nun darauf verlegte, die eigenen Außenverteidiger einfach zurückgezogener und mit einer klaren defensiv orientierten Rolle spielen zu lassen. So wurden die Ayew-Brüder auf den Flügeln ziemlich aus dem Spiel genommen.

Vorne reagierten mit Walcott und Gervinho die immer wieder rochierenden Außenspieler auf die fehlende Unterstützung von hinten, indem sie noch weiter ins Zentrum gingen; vor allem Gervinho ließ seine jeweilige Seite oft komplett brach liegen – so waren Diarra und Cheyrou im defensiven zentralen Mittelfeld von Marseille mit zusätzlichen Defensiv-Aufgaben konfrontierte.

Neutralisation durch die Mitte

Arsenal hatte kein echtes Flügelspiel, die Folge war eine Partie, die sich vornehmlich im Zentrum abspielte, und weil sich dort eine ähnliche Raumaufteilung mit ähnlicher Rollenverteilung gegenüber standen, neutralisierten sich die beiden Mannschaften dort.

Arsenal fehlte es am nötigen Tempo, um die gegen den Ball in zwei Viererketten stehenden Franzosen durchzukommen. Mitunter war der Spielaufbau ziemlich behäbig und es fehlten zum einen die Ideen von hinten heraus und die Klasse und die Beweglichkeit von Robin van Persie in der Spitze. Aus dem langsamen Spiel heraus konnte nie ein eigener Spieler im Strafraum freigespielt werden und Arsenal machte somit nie den Eindruck, wirklich ein Tor schießen zu können.

Spiel schläft völlig ein

OM konnte ohne Pressing überhaupt keine Akzente mehr setzen und die Quote der angekommenen Pässe, die jener von Arsenal in der ersten Viertelstunde haushoch überlegen war, näherte sich immer mehr dem recht fahrigen Niveau der Hausherren an. So sank mit dem Tempo und der Genauigkeit auch eklatant der Unterhaltungswert und auch die Klasse des Spiels.

Daran änderte sich auch nach dem Seitenwechsel recht wenig: Viel Struktur war nicht erkennbar, und durch viele Fehler auf beiden Seiten gab es kaum ernst zu nehmende Angriffszüge. Immer öfter wurden auch lange Bälle versucht, doch auch diese hatten nicht den erhofften Effekt.

Was auch daran lag, dass bei Arsenal Ramsey nun etwas tiefer stand und Marseille so durchs Zentrum nicht mehr durchkam – hier wurde die Positionierung von Valbuena zum angekündigten Problem – und, weil Jenkinson und vor allem André Santos auf den Flügeln nun deutlich mehr Initiative zeigten, was die Ayew-Brüder in die Defensive zwang. Dennoch fehlte es Arsenal weiterhin an der Breite im Spiel nach vorne und auch am Zug zum Tor.

Amalfitano bringt Schwung

Didier Deschamps reagierte, indem er mit Amalfitano (statt dem fleißigen, aber glücklosen Rémy) einen neuen Mann für die Belebung der rechten Seite brachte, und diese Maßnahme zeigte durchaus Wirkung. Mit ihm auf dem Flügel kam sofort Schwung ins Spiel, der neue Mann riss das Spiel an sich. So hatte Marseille nun plötzlich ein totales Übergewicht auf dieser Seite des Feldes, auch wenn man dieses nicht wirklich nützen konnte.

In weiterer Folge kamen auch Lucho González (für Valbuena, als Zehner) und Gignac (für Jordan Ayew, als Spitze). Allesamt keine schlechten Maßnahmen von Deschamps, aber auch keine wirklichen Verbessungen zu vorher.

Auch mit Van Persie harmlos

Arsenal hatte in der zweiten Hälfte mehr Ballbesitz, aber Konkretes schaute dabei nicht heraus. Konnte man das lange mit der Abwesenheit von Robin van Persie erklären, fiel dieses Argument nach einer Stunde weg – da kam der Holländer für den Koreaner Park Chu-Yong, der ihn nicht ersetzen hatte können.

Doch auch mit Van Persie in der Spitze wurde es nicht besser: Zu viele Bälle kamen nicht an. Auch wenn mit Rosický und Arshavin (statt Ramsey und Gervinho) wie beim Gegner keine schlechten Wechsel waren, herumheißen konnten sie das Spiel nicht.

Fazit: Zwei Teams mit deutlich fehlendem Selbstverständnis

Man merkte diesem lauen 0:0 deutlich an, dass hier zwei Teams am Werk waren, deren Saison bisher so gar nicht den Erwartungen entspricht. Arsenal versteht es trotz der jüngsten Erfolge in der Premier League nicht annähernd so wie früher, den Ball laufen zu lassen, das Tempo hoch zu halten und den Gegner so auszumanövrieren. Hier muss man auch die Rolle von Mikel Arteta hinterfragen, der es nicht schafft, Struktur ins Spiel der Gunners zu bringen – gerade auf Champions-League-Niveau wäre das aber schwer gefragt.

Marseille fing wunderbar an, presste konsequent auf die Gegenspieler – sogar Arsenal-Goalie Wojciech Szczesny musste mitunter Haken schlagen, um sich der Franzosen zu erwehren – doch nach einer Viertelstunde war das Spiel von OM wie abgerissen. Die Ayew-Brüder auf den Flanken (die sie nach der Pause tauschten) blieben wirkungslos, Diarra und Cheyrou trauten sich nicht so recht nach vorne und Valbuena stand zu hoch, um im Rücken von Song und Arteta viel ausrichten zu können.

Kurz: Es war über weite Strecken ein unansehnliches Spiel mit überschaubarem Unterhaltungswert. Und es zeigte, dass Dortmund (sofern annähernd in Bestform) sich vor keiner dieser beiden Teams in die Hosen zu machen braucht.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.