…oder an dessen geschicktester Umgehung. Ballverliebt nimmt die fünf Top-Teams der österreichischen Bundesliga unter die Lupe – die Flügelteams Sturm, Salzburg und Ried, das Zentrums-Team Austria. Und die Mannschaft von Rapid, die wohl die interessanteste der neuen Saison wird.
Sportlich ist in die „Großen 4“ zuletzt das Team aus Ried dazugestoßen – die Innviertler ließen Rapid hinter sich, holten den Cup und schicken sich auch dieses Jahr an, im Konzert des Führungsquartetts mitzuspielen. Es ist Geschmackssache, ob man die Spitzenteams nun als „Große 5“ oder als „Große 4 plus Ried“ bezeichnet – in diese Vorschau jener Teams, die um die internationalen Plätze kämpfen, gehört Ried zweifellos dazu.
Red Bull bekommt Flügel
Der Topfavorit auf den Meisterteller ist sicher das Team aus Salzburg. Was sich in den paar Spielen, die Ricardo Moniz am Ende der letzten Saison am Ruder war, angedeutet hatte, wird in der neuen Spielzeit konsequent verfeinert: Positiver Fußball ist angesagt, mit voller Konzentration auf die Flügel.
Moniz stellt sein Team in einem, wie es so schön heißt, holländischen 4-3-3 auf, ähnlich wie 2008/09 unter Co Adriaanse. War damals das Angriffsspiel auf Janko ausgerichtet war, so ist es das Anno 2011 auf den Brasilianer Alan, der von Huub Stevens sträflich vernachlässigt wurde aufblüht, seit Moniz ihm das Vertrauen schenkt.
Das Rezept der Bullen ist nicht allzu kompliziert: Die Spieler auf den Halbpositionen im Mittelfeld (Leitgeb und Cziommer) legen den Ball auf die Außenstürmer, diese flanken ins Zentrum auf Alan. Die offensichtliche (und kurzsichtichte) Möglichkeit, das zu verteidigen, ist die Konzentration auf Alan – aber der ist technisch so beschlagen, dass kein Verteidiger dieser Liga ihn über 90 Minuten ausschalten kann, wenn permanent die flachen (!) Flaken auf ihn zufliegen.
Es gibt grundsätzlich zwei Wege, das sinnvoll zu verteidigen: Entweder, die Außenverteidiger konzentrieren sich auf die Bullen-Flügel – worduch aber das eigene Angriffsspiel gelähmt wird. Oder man lässt die Pässe von Cziommer und Leitgeb gar nicht erst zu. Das wird, so wie die anderen Teams aufgestellt sind, die Variante sein, mit der es die Gegner wohl eher versuchen werden.
Was wiederum mehr Verantwortung für die Außenverteidiger der Bullen schafft: Denn, wie in einem holländischen 4-3-3 üblich, rücken diese zwar auf, sind aber nicht pirmär dafür vorgesehen, die Flügelstürmer zu hinterlaufen und selbst zur Grundlinie durchzugehen. So oder so, der Schlüsssel zum Erfolg bei Salzburg liegt ganz massiv auf den Flügeln – sicherlich ein Grund, warum man sich mit Leonardo einen Spieler geholt hat, der dieses System in- und auswendig kennt.
Dass ein Roman Wallner, der bulliger ist und technisch nicht so beschlagen wie Alan, in diesem System nicht so gut funktioniert, konnte man schon sehen. Sollte sich Alan verletzen, wird Moniz einen Plan B brauchen, zuden ist mit gesteigertem Frust bei Wallner zu rechnen, wenn er kaum spielt und, wenn doch, er kaum zur Geltung kommt.
Sturm: Wer eröffnet des Meisters Spiel?
Beim Meister gab es im Sommer eine ganz entscheidende Personalie: Gordon Schildenfeld verließ die Steirer und dockte bei Eintracht Frankfurt an, um dort in die deutsche Bundesliga aufzusteigen. Das ist nicht nur defensiv ein großes Problem, weil ohne den Kroaten der zweifellos beste Abwehrspieler der abgleaufenen Saison fehlt, sondern genauso in der Vorwärtsbewegung.
Denn ohne Schildenfeld stellt sich die einfache Frage: Wer soll das Spiel bei Sturm nun eröffnen? Denn den ersten Pass können weder die verblieben Feldhofer und Burgstaller so spielen wie der Kroate, und der als Ersatz verpflichtete Milan Dudic schon gleich gar nicht.
Was Sturm noch mehr zu einem flügelorientierten Team macht, als das in der Vergangenheit schon der Fall war. Denn weil aus der Innenverteidigung nicht mit viel zu rechnen ist, verstärkt das die Verantwortung für die Außenverteidiger (Standfest und vermutlich Popchadze) – auch über das zentrale Mittelfeld hinaus
Denn wie schon letzte Saison zu erkennen war, ist das Zentrum kein Herd der Kreativität und wird im Spiel nach vorne eher eine untergeordnete Rolle spielen. Es bleibt zwar abzuwarten, ob Matthias Koch seine Rolle offensiver interpretiert als Mario Kienzl, da es aber auch ein einem wirklich mobilen möglichen Zehner fehlt, wird wieder sehr viel Aufbauarbeit über die Flanken kommen.
Die schnellen Hölzl und Wolf sind dafür prädestiniert und sie waren auch ein entscheidender Faktor zum Titelgewinn, aber die Besetzung der Offensivzentrale ist noch eine kleine Baustelle. Muratovic, der das in den ersten paar Pflichspielen gemacht hat, fehlt es altersbedingt massiv an Mobilität und Kondition, um da eine Dauerlösung zu sein – er war grandios als Joker für eine halbe Stunde, aber wahrscheinlicher ist, dass auf Sicht eher Imre Szabics die hängende Spitze gibt und Kienast den Stoßstürmer.
Szabics ist aber kein Zehner und wird sich immer eher nach vorne orientieren als nach hinten – so wird er eher mit seiner hohen Arbeitsrate die Flügel unterstützen, als aus dem Zentrum für Zuspiele zu sorgen. Das macht Sturm anfällig gegen Teams mit defensivstarken Außenverteidigern und guter Spielgestaltung aus der defensiven Zentrale (wie Ried beim 1:1 zum Auftakt schon gezeigt hat), weil man zwischen Weber/Koch und dem Angriff mit einem größeren Loch rechnen kann.
Wie wird die Austria Baumgartlinger ersetzen?
Hat Sturm mit Schildenfeld den besten Innenverteidiger der Liga verloren, muss die Wiener Austria den Abgang von Julian Baumgartlinger verkraften – dem fraglos besten defensiven Mittelfeldmann und Spieleröffner, den es in Österreich derzeit gibt.
Die Unsicherheit, ob Junzovic bleibt oder auch noch ins Ausland geht, ist für die Austria zwar quälend, hat aber auf den Aufbau und die Ausrichtung der Mannschaft keine so weitreichenden Folgen das Fehlen von Baumgartlinger.
Das Problem: Petr Hlinka ist zwar ein geeigneter Staubsauger mit gutem Auge für das Verhindern gegnerischer Angriffe, aber er ist kein Spieleröffner. Darum wird wohl der aus Wr. Neustadt geholte Alex Grünwald auch dann den Job in der Zentrale bekommen, wenn Junuzovic bleibt (ansonsten wird halt Liendl die linke Seite übernehmen). Allerdings fehlt noch so ein wenig das Gefühl innerhalb der Mannschaft, Grünwald bei seiner Aufgabe auch zu unterstützen.
Bei seinem ersten Einsatz im Heimspiel gegen Rudar Pljevlja rückte das Offensivquartett so weit auf, dass sich zwischen Grünwald und dem Angriff ein Riesenloch auftat, in dem sich der Gegner breitmachte und sinnvolle Pässe von Grünwald in die Spitze unmöglich machte.
Hier wird es vor allem an Junuzovic (oder Liendl) und Barazite sein, auf die Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen und eine Spieleröffnung von Grünwald auch zuzulassen. Denn ansonsten wird die Austria dazu gezwungen sein, das Mittelfeld zu umgehen und wiederum über die Flügel zum Erfolg zu kommen. Dann wäre aber Grünwald im Zentrum verschenkt, weil gegen die schwächeren Teams so ein zusätzlicher Mann vorne fehlte, um den zu erwartenden tief stehenden Gegner zu überwinden, und weil die besseren Teams ohnehin selbst hauptsächlich über die Flügel kommen und es zentral nicht viel zu verteidigen gäbe.
Ried bleibt sich treu
Herbstmeistertitel, Cupsieg und trotz eines eher mühsamen Frühjahrs ein starker vierter Platz in der Liga – die Innviertler waren letztes Jahr der Hecht im Karpfenteich. Es deutet nichts darauf hin, dass das dieses Saison anders ist, denn Ried wäre nicht Ried, wenn man sich nicht treu bleiben würde.
So wird Paul Gludovatz weiter auf sein bewährtes 3-3-3-1 setzen, in dem die Abgänge mit jungem, spielintelligentem Personal nachbesetzt wurden – Benny Basala, U17-Europameister aus Köln, nimmt die Position des rechten Wing-Backs statt Brenner ein, Reifeltshammer jene von Stocklasa.
Das nominell unterbestzte Zentrum ist ein Zugeständnis an das auf Flügel konzentrierte Spiel der Gegner und ist gleichzeitig ein Schlüssel zum eigenen Spiel, schließlich gibt es so auf jeder Flanke drei Spieler gegen die sonst üblichen zwei bei der Gegnerschaft – Überzahl auf den Flanken, zumal mit jungen, dynamischen und schnellen Spielern (Royer, Basala) ist einer der entscheidenden Vorteile.
Gleichzeitig war der entscheidende Schritt nach vorne in der abgelaufenen Saison das Fallenlassen von Drechsel. Denn in der Offensive ist die Zehn nicht die entscheidende Funktion, dafür braucht es aufgrund des ansonsten entleerten Mittelkreises dort Spieler, die schnell sind und gegen die gegnerischen Sechser auch viel defensiv arbeiten kann.
Das war Drechsel nicht, das sind der schmächtige Carril und die Rieder Allzweckwaffe Anel Hadzic aber sehr wohl. Weswegen Carril, der diese Position letztes Jahr spielte, eher überschaubare Scorer-Werte hatte und auf den ersten Blick für viele keine übermäßig wichtige Rolle im Rieder Höhenflug spielte – letztlich aber seine Aufgaben erfüllte und sehr wohl seinen Teil zum Erfolg beigetragen hat.
Das unübliche System, zum Leben erfüllt von einer jungen, schnellen und vor allem spielintelligenten Mannschaft, wird auch diese Saison viele Gegner vor große Probleme stellen. Einzige wirkliche Schwäche ist die fehlende Kadertiefe – viele Spieler dürfen nicht längerfristig ausfallen.
Große Variabilität und viele Möglichkeiten bei Rapid
Das interessanteste Team der neuen Saison wird, wie es derzeit aussieht, wohl Rapid werden. Denn der neue Trainer Peter Schöttel hat bereits angekündigt, sich in seiner Formation auch am jeweiligen Gegner zu orientieren, sich nicht auf ein System festlegen zu wollen und vor allem auch das Personal hat, um verschiedenste Varianten auf das Feld zu bringen.
Wichtigste Änderung unter Schöttel ist aber, dass Hofmann vom (nominell) rechten Flügel ins Zentrum geht und somit das jahrelange „Hofmann-Loch“, das entstand, wenn der Deutsche regelmäßig in die Mitte zog, geschlossen wird.
In einem 4-4-2 ist Hofmann zentral neben einem einzelnen Sechser (Kulovits hat wegen seiner Kampfstärke in diesem System Vorteile gegenüber Heikkinen). Hier würde das Spiel von Rapid jenem der Austria durchaus ähneln, wiewohl Hofmann sicher eher nach vorne aufrückt als Grünwald bei den Violetten. Der Vorteil dieses Systems: Beide Flügel bleiben doppelt besetzt bei gleichzeitiger Kreativität aus dem Zentrum – das fehlte in der Vergangenheit, zudem gibt es vorne zwei Anspielstationen. Nachteil: Die zwei Spieler vorne sind sich in der Spielanlage sehr ähnlich, ein Loch zwischen Mittefeld und Angriff macht gegen zwei Sechser beim Gegner das Loch schwer zu überwinden.
Es ist zu erwarten, dass das 4-4-2 eher die Variante ist, wenn es gegen Team mit nur einem Sechser geht (wie beim Startsieg gegen die Admira) und wenn Schöttel das Spiel selbst gestalten will. Es gibt aber auch die Möglichkeit, in einem 4-2-3-1 aufzulaufen – ein probates Mittel gegen Mannschaften mit zwei defensiven Mittelfeldspielern.
Hier würde Hofmann auf die Zehn gehen und ihm mit Prager oder Prokopic (die das beide spielen können) ein Achter zur Seite gestellt werden, der eher aus der Tiefe kommt unf dort Platz sucht; mit einem klassischen Sechser als Absicherung – hier hätte Heikkinen wegen seiner Qualitäten als Holder wohl leichte Vorteile gegenüber Kulovits.
In dieser Formation hätte Rapid zwei Mann auf dem Feld, die ein Spiel aus der Zentrale heraus lenken können, und dennoch blieben wiederum beide Flügel besetzt.
Dort hat Schöttel nun auch vermehrt Möglichkeiten. Auf der linken Seite ist Schrammel zwar bei Standards nicht annähernd so gefährlich wie Katzer, bringt aber aus dem Spiel deutlich mehr. Eine mögliche Problemzone könnte eher die rechte Flanke sein – zwar muss niemand mehr die Putzfrau für Hofmann spielen, aber Thonhofer ist keiner der Top-Rechtsverteidiger der Liga und Michael Schimpelsberger ist an sich eher Sechser oder Innenverteidiger.
Zur These: Die Meisterschaft wird auf den Flügeln entschieden…
Doch so oder so: Rapid macht auf dem Papier den mit Abstand varbaibelsten Eindruck gegenüber den sehr auf ein spezielles System fixierten und eher eindimensionalen Gegnern im Kampf um die internationalen Plätze bzw. den Meistertitel. Die Probleme bei den Hütteldorfern sind somit in der neuen Saison eher im Umfeld zu erwarten als auf dem Platz selbst.
Auffalend ist eben die Fixierung vieler Teams auf das Flügelspiel, obwohl eigentlich nur Ried – dank des Systems mit den Wing-Backs – die Außenverteidiger wirklich massiv nach vorne schieben lässt und neben den Innviertlern nur noch Salzburg mit echten Außenstürmern aufläuft.
Vor allem in den Spielen gegen Salzburg – weil dort der Kader individuell und in der Tiefe besetzt ist als bei Ried – wird es darauf ankommen, wie es gelingt, ohne die defensiv gebundenen Außenverteidiger das eigene Spiel eröffnet und wie sehr es möglich ist, die somit natürlich beschnittenen Flügel in den eigenen Offensivbemühungen umgeht.
Deshalb die These: Die Meisterschaft wird über die Flügel entschieden – oder für denjenigen, der den am besten funktionierenden Plan hat, um vom Gegner gebremste Flügel durch die Zentrale zu umgehen.
(phe)