Luiz Adriano beschenkt Barcelona

Das 5:1 sieht klar aus. Die Spielanteile waren auch, wie immer, klar auf Seiten von Barcelona. Aber dennoch haben die Katalanen auch Glück, dass vor allem Luiz Adriano mehrere Sitzer vergab und so Shachtar der realistischen Möglichkeit beraubt, ins Semifinale einzuziehen…

FC Barcelona - Shachtar Donetsk 5:1

Was kann man gar nicht brauchen, wenn man für ein Champions-League-Viertelfinale ins Camp Nou fährt? Genau – zwei verletzte Stamm-Innenverteidiger… Shachtar-Coach Mircea Lucescu musste auf Tchigrinski und Kutcher verzichten, und die Vertreter Ischenko und Rakitski waren der Aufgabe nicht ganz gewachsen. Das waren einige andere in der Mannschaft der Ostukrainer aber auch nicht.

Lucescu ließ sein gewohntes 4-2-3-1 auflaufen, mit den vier Brasilianern in der Offensive. Vor allem zu Beginn waren die vier auch durchaus im Spiel, mit schnellen Kontern über vor allem über Jadson versuchten die tief stehenden Ukrainer, Nadelstiche zu setzen und auch zu Zählbarem zu kommen. Das hätte auch ein, zweimal tatsächlich funktioniert – auch, weil Barcelona nach der frühen Führung durch Iniesta kurzzeitig etwas nachlässig agierten.

Einziger kleiner Hingucker in der Aufstellung von Barcelona war die Tatsache, dass David Villa auf der rechten Seite spielte, statt auf der linken – dort agierte diesmal Iniesta, mit Seydou Keita dahinter im Halbfeld. Ansonsten war das natürlich Barcelona, wie man Barcelona kennt: Viel Ballbesitz, schnelle Pässe, große Flexibilität im Positionsspiel und, zumindest zu Beginn, massiven Pressing nach Ballverlusten.

Shachtar lässt sich auseinander reißen

Die Katalanen machten einen hervorragenden Job darin, die Formation der Ukrainer auseinander zu ziehen und in die entstehenden Löcher zu stoßen. Shachtar versuchte, zentral dicht zu stehen und machte den Strafraum zu, davor waren mit Mchitarian und Hübschmann zwei zusätzliche dezidiert defensive Leute aufgestellt.Angesichts der Tatsache, dass vor allem Rat (aber auch Srna) oft weit einrückten und die brasilianischen Flügel vor ihnen die entstehenden Ecken nicht schlossen – sie passten auch auf Villa und Iniesta auf – gelang es Barcelona, mit hohen und schnellen Seitenwechseln den Gegner zu schnellem Verschieben zu zwingen, was nicht immer gelang.

Dani Alves und Adriano Correia bearbeiteten die Flügel und verursachten bei Rat und Srna durchaus Unsicherheiten. Denn gingen sie mit den offensiven Außenverteidigern mit, konnten Iniesta und (vor allem) Villa in ihrem Rücken in den Strafraum stechen; blieben sie etwas zentraler in Strafraumnähe, flankten Alves und Adriano ins Zentrum. Und dort war vor allem Ischenko ein Unsicherheitsfaktor.

Schon nach einer Viertelstunde versandeten die davor durchaus gefährlichen schnellen Gegenstöße von Shachtar zunehmend und es wurde (zu bald, aus Sicht der Gäste) eine reine Abwehrschlacht. Die Ukrainer versuchten so gut es ging, Barcelona um den Strafraum herum spielen zu lassen bzw. den Gegner möglichst von selbigem wegzuhalten, doch auch das funktionierte nicht immer – so fand ein toller Pass von Iniesta aus dem linken Halbfeld den von der rechten Seite in den Strafraum stürmenden Dani Alves. Ischenko hatte das Abseits aufgehoben, und schon stand es 2:0.

Luiz Adrianos schlimmer Tag

Die Spielweise von Lucescus Mannschaft war zwar ungewohnt defensiv, aber angesichts des Gegners durchaus verständlich. Und hätte Sturmspitze Luiz Adriano nicht gar so einen schlechten Tag gehabt, es hätte dennoch ein gutes Resultat werden können. Nachdem er schon in der ersten Halbzeit ein, zwei sensationelle Möglichkeiten kläglich vergab, versprang dem Brasilianer auch kurz nach Wiederbeginn eine punktegenaue Flanke von Razvan Rat.

Doch anstatt den 1:2-Anschluss zu erzielen, ließ sich Luiz Adriano kurz darauf von einer ins Backfield gespielten Xavi-Ecke düpieren, er ließ Piqué unbedrängt abziehen, und es stand 3:0 für Barcelona. Die Endscheidung in diesem Spiel, aber für Shachtar ging es weiterhin darum, sich eine zumindest machbare Ausgangsposition für das Rückspiel zu verschafffen – und angesichts der Heimstärke dürfen die Ukrainer da mit Fug und Recht vielleicht sogar als leichter Favorit gesehen werden. Und als Rakitski einen Srna-Freistoß zum 1:3-Anschlusstor ins Netz ablenkte, schien dieses Vorhaben trotz Luiz Adrianos Horror-Tag zu gelingen.

Barça lässt Ball und Gegner laufen

Wenn nicht 54 Sekunden später Keita sofort das 4:1 erzielt hätte. Mit dem erneuten Drei-Tore-Vorsprung im Rücken und gegen eine nun doch sichtlich geknickte Mannschaft aus Donetsk fiel es Barcelona nun nicht allzu schwer, den Ball im Mittelfeld zu kontrollieren, ohne wirklich noch zwingend auf einen fünften Volltreffer zu gehen. Daran änderten auch Lucescus Wechsel (Fernandinho statt Jádson im Zentrum, Teixeira statt Willian auf links) nichts.

Und doch war es zehn Minuten vor Schluss wieder Luiz Adriano, der mit seinem Pfostenschuss einen weiteren Sitzer vergab. Und 2:4 wäre noch ein erträgliches Resultat gewesen – doch Xavi machte im Gegenzug nach einer Hereingabe des überragenden Dani Alves das 5:1. Damit ist nach menschlichem Ermessen im Rückspiel nicht mehr mit einem Ausscheiden von Barcelona zu rechnen. Der Clásico im Semifinale kann kommen!

Fazit: Shachtar macht’s sich selbst schwer

Natürlich, Donetsk spielte defensiv. Das hätte aber wunderbar funktioniert, wenn nicht Luiz Adriano alleine von den drei Toren, die er mit seinen Chancen machen MUSS, kein einziges tatsächlich macht. So steht statt einem 3:5 oder 4:5 ein äußerst ernüchternden 1:5, das den eigentlich so bärenstarken Ukrainern jede realistische Chance nimmt, noch ins Halbfinale einzuziehen. In der Tat hat Shachtar in dieser Saison jedes Spiel in der Champions League gewonne – bis auf dieses hier und das 1:5 im Herbst bei Arsenal, als man den Gunners ins offene Messer lief. Das de facto als ukrainischer Meister feststehende Team wird auch kommende Saison ein Team sein, mit dem man rechnen muss.

Barcelona hat das gespielt, was Barcelona immer spielt. Und trotz der fünf eigenen Treffer muss Barça durchaus froh sein, dass die blitzschnellen Konter, mit denen vor allem Busquets als Aushilfs-Innenverteidiger nicht immer mitkam, vom Gegner nicht kosequenter ausgenützt wurde. Klar waren die Hausherren überlegen und gewannen auch verdient, aber so klar, wie es am Ende aussieht, hätte es beileibe nicht kommen müssen.

Gut für Barcelona aber, dass man nun nicht mehr mit einem allzu knappen Ergebnis in den Hexenkessel Donbass-Arena fahren muss.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.