Sweet Revenge

Was für ein Hype um dieses Spiel – dem ersten von Fernando Torres im Chelsea-Trikot, ausgerechnet gegen Liverpool. Doch im Spiel selbst war El Niño kein Faktor, da dominierte die neu gefundene Stabilität der Reds mit Dalglish‘ Dreierkette. So blieb Liverpool ohne Gegentor und nützte vorne einen Cech-Schnitzer.

Chelsea - Liverpool 0:1

Wie schon zuletzt gegen Stoke ließ Kenny Dalglish auch an der Stamford Bridge seine vor allem auf der Insel völlig ungewohnte Dreier-Abwehrkette ran, aber ihre Spielweise unterschied sich nicht nur in der Besetzung vom 2:0 gegen die Potters. Denn da war der zentrale Mann Kyrigiakos wie ein Libero oftmals weit mit nach vorne geprescht, beim Spiel gegen Chelsea aber blieb das aus. Zum einen, weil die Blues mit zwei Stürmern agierten. Und zum anderen, weil diesmal Martin Skrtel in der Mitte spielte – ein rustikaler Zweikämpfer und Ball-Wegdrescher, aber kein Mann für den kontrollierten Spielaufbau.

Das in Zahlen kaum zu definierende Dalglish-System war auf den Gegner perfekt abgestimmt, zumindest defensiv. Die Mittelfeld-Raute von Chelsea, die vier Spieler am Mittelkreis versammelte und so sicherlich auf einen numerischen Vorteil im Mittelfeld gehofft hatte, wurde von ebenso vielen Liverpool-Spielern neutralisiert. Vor allem Lucas Leiva machte einen sensationellen Job gegen Nicolas Anelka: Der Franzose, dessen Position die des Zehners ohnehin nicht ist, fand de facto nicht statt. Oftmals ließ er sich noch weiter zurückfallen, was ihm noch weniger lag; wenn er auf die Seiten auswich, stand ihm der jeweilige Außenmann der Dreierkette oder der Wing-Back auf den Füßen.

So blieb Chelsea nur das Spiel über die Außenverteidiger Cole und Bosingwa, die beide quasi im Alleingang für ihre Flanken zuständig waren. Sie wurden aber beide schon recht früh von den Liverpool-Wingbacks Kelly und Johnson empfangen. Die Folge: Chelsea kam (von einem Leichtsinns-Querpass von Maxi Pereira in der 2. Minute, den Torres abfing) nicht sinnvoll in den Liverpool-Strafraum. Es blieben nur Fernschüsse, die keine Gefahr darstellten.

Liverpool hatte hinten Überzahl, in der Zentrale zumindest Gleichstand – was hieß, dass es vorne zwangsläufig dünn wurde mit dem Personal. Kuyt lief sich die Lunge aus dem Leib und kämpfte wie ein Berseker, rieb sich so aber ziemlich auf. Raul Meireles war derjenige Spieler, der bei den Reds noch am ehesten vorne unterstützend wirkte, auch Maxi Rodríguez ging, wenn sich die Gelegenheit bot, gerne mal mit. Aber mehr als schnelle Gegenstöße waren nicht möglich. Die beste Chance der ersten Halbzeit hatte Rodríguez, der eine Traumflanke von Gerrard (der im Duell mit Lampard Punktsieger war) aus zwei Metern Entfernung an die Latte knallte.

Torres raus, Schwung rein

Bewegung kam erst in das statische und für englische Verhältnisse auch nicht allzu schnelle Spiel, als in der 66. Minute Fernando Torres den Platz verließ. Er spielte so, wie er in dem (noch) ungewohnten blauen Trikot ausshieht: Blass. Für ihn kam mit Salomon Kalou ein Flügelstürmer, Ancelotti stellte also von dem 4-4-2 mit Raute, das seinem Team sichtlich nicht liegt, auf das gewohnte 4-3-3 um. Kalou spielte den Rechtsaußen, Anelka den Linksaußen.

Das bedeutete für Liverpool: Erst mal abtasten und austesten, wie man selbst darauf reagieren sollte. Johnson und Kelly blieben nun erst einmal hinten, um auzuloten, inwieweit sie gegen die nun vorhandenen Außenstürmer und die so entstehende Breite im Chelsea-Spiel Agger bzw. Carragher helfen sollten. Und genau in diese Phase fiel ein Konter über Gerrard, der sich auf der rechten Seite gegen Lampard durchsetzte. Seine Flanke vor das Tor segelte sowohl an Terry und Ivanovic (die sich beide auf Kuyt konzentrierten, der in die Flanke zu laufen drohte), als auch am unsicher nur halb herauslaufenden Cech vorbeisegelte. Meireles sagte am zweiten Pfosten „Danke“ – 1:0 für Liverpool.

Was Ancelotti zu einem erneuten Wechsel zwang. Malouda kam für Essien, kurz darauf auch mit Innenverteidiger David Luiz der zweite Neuzugang des Transder Deadline Day. Vor allem die Spielweise und Positionierung von Malouda sorgte nun aber eher für Verwirrung in den eigenen Reihen als beim Gegner. Der Franzose spielte, als ob er nicht genau wüsste, wo er jetzt genau sein sollte und was im Detail sein Job war. Er kam zumeist über die halblinke Position im Mittelfeld, ging aber oft auch so halb in die Spitze und so halb auf die andere Seite, aber wirklich Bindung zum Spiel fand er nie.

Chelsea glich die etwas verlorene Maßnahme Malouda daruch aus, dass einer der Innenverteidiger – zumeist der dabei eher starksige Terry – nach vorne mit ging. Liverpool reagierte darauf, indem die Flügelspieler nun hinten blieben und mit Gerrard (über rechts) und dem für Maxi Rodríguez eingewechselten Fábio Aurélio (über links) die Konter vortrugen. Meireles wich in der Schlussphase Poulsen, der Malouda zusätzlich neutralisierte.

Es fehlte den Blues eindeutig an den Mitteln, sich gegen die massierte Liverpool-Defensive durchzuspielen – und ein wenig Pech hatten sie am Ende auch noch: Weder ein zumindest nicht völlig unverdächtiges Handspiel von Lucas, noch ein Bodycheck von Johnson gegen Ivanovic – beide Aktionen im eigenen Strafraum – wurden geahntet.

Fazit: Torres ein Nicht-Faktor, die Liverpool-Defensive stark

Das sieht nach einem durchaus tauglichen Konzept aus, was Kenny Dalglish da mit seiner Dreierketten und den damit verbundenen weiteren Umstellungen gefunden hat. Zumindest, wenn es gegen weniger gut besetzte Mansnchaften geht (wie gegen Stoke), oder man sich gegen starke Teams auf die Defensive verlegt (wie diesmal). Zudem zeigt sich der eigentlich als Sechser bzw. Achter geholte Meireles immer mehr als wunderbarer Dreh- und Angelpunkt für schnelle Konter.

Eine Frage bleibt beim neuen System aber weiterhin offen: Die nämlich nach dem Plan B, wenn Liverpool – vor allem gegen starke Mannschaften – in Rückstand gerät und selbst das Spiel zu machen hat. So oder so aber hat Kenny Dalglish die Defensive der Reds zu einem kaum überwindbaren Hindernis für die Gegner gemacht (dies ist das vierte Zu-Null-Spiel in Folge), was dem Rest der Mannschaft sichtlich Sicherheit verleiht.

Und Chelsea? Da könnte das Luxusproblem „Torres und Drogba und Anelka“ zu einem tatsächlichen werden. Die Variante mit Drogba und Torres vorne und Anelka als Zehner dahinter war in diesem Spiel ein totaler Flop – der Franzose machte gegen Lucas keinen Stich, Drogba und Torres waren nur physisch anwesend.

Und vor allem der Spanier somit ein absoluter Nicht-Faktor. Was den Sieg für die Reds umso mehr zu einer Art süßen Rache macht. Zumindest für jetzt hat Torres (zumindest sportlich…) nicht den besseren Deal gemacht.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.