Asiencup, Tag 3: Underdogs auf Zack

Es ist ja keine bahnbrechend neue Erkenntnis: Wenn der Gegner objektiv besser ist, muss man als Außenseiter mit Hirnschmalz dagegen halten. Dass die Underdogs Jordanien (gegen starke Japaner) und Syrien (gegen eindimensionale Saudis) aber dermaßen auf Zack sind, war nicht zu erwarten.

Japan – Jordanien 1:1 (0:1)

Japan - Jordanien 1:1

Ihr italienischer Teamchef Alberto Zaccheroni stellte die Japaner gegenüber der WM, wo man mit einem 4-1-4-1 beinahe ins Viertelfinale eingezogen wäre, auf ein 4-2-3-1 um – mit Keisuke Honda als zentraler Spielgestalter und Shinji Kagawa von Borussia Dortmund auf der linken Seite. Zudem schalteten sich die Außenverteidiger ganz extrem in die Offensive mit ein. So bildeten sich drei zentrale Duos bei den Japanern: Uchida/Matsui rechts, Nagatomo/Kagawa links und Hasebe/Honda in der Mitte. Der Wolfsburg-Legionär Hasebe war der offensivere der beiden Sechser, Endo sicherte eher nach hinten ab. Vorne lautere Maeda in der Zentrale auf Flanken.

Die Jordanier hingegen kopierten jene Spielweise, mit der die Japaner bei der WM erfolgreich waren: Ein 4-1-4-1 mit drei zentralen Mittelfeldspielern, einer davon als Sechser (Hashhash), dazu zwei Flügelspieler mit Offensivaufgaben. Je nach Spielrichtung ging aus der Mittelfeld-Viererkette immer wieder einer mit nach vorne, Kollege Blumenau nannte das im Sommer den „Japanischen Fächer“. Die Favoriten legten gleich mit Macht los und hatten nach einer Viertelstunde knapp 80% Ballbesitz angesammelt, doch die Jordanier verteidigiten leidenschaftlich – aber nicht unfair. Immer wieder wurde versucht, Überzahl in Ballnähe zu schaffen und den Japanern möglichst wenig Raum zu lassen. Ganz konnten Chancen nicht verhindert werden, aber Gegentor fing man sich immerhin keines (wenn auch mit etwas Glück bei einem vermeintlichen Abseitstor der Japaner).

Kamen die Jordanier hingegen in Ballbesitz, wurde das Feld sofort breitgemacht und die komplette Mannschaft rückte schnell mit nach vorne auf, sodass die Verteidigungslinie auf Höhe des Mittelkreises zu finden war. Wirklich ausspielen konnte der Außenseiter die Kontergelegenheiten bis auf einen Abschluss von Sturmspitze Abdullah Deeb in Minute 30 aber nicht; kurz darauf kam Linksverteidiger Basem Fathi nach einem Eckball zu einer guten Kopfballmöglichkeit. Halb durch die erste Hälfte ließ der Druck der Japaner etwas nach, das hohe Tempo vom Beginn war nicht aufrecht zu erhalten. Dennoch war es schon überraschend und entgegen des Spielverlaufs, als Jordanien kurz vor der Pause durch einen abgefälschten Schuss von Hassan Abdel-Fattah mit 1:0 in Führung ging.

Der frühere Milan-Trainer Zaccheroni reagierte in der Halbzeit uns brachte für den abgemeldeten Maeda in Tadanari Lee (Länderspiel-Debüt!) einen neuen Stürmer. Die Jordanier rückten nun immer mehr mit zwei Viererketten in die Defensive und drängten das japanische Spiel auf die Außen, Keisuke Honda war einigermaßen abgemeldet und Matsui auf der rechten Seite ließ immer mehr nach. Daher musste dieser nach einer Stunde für Okazaki den Platz verlassen. Nun war bei den Japanern das große Rochieren angesagt: Okazaki ging zunächst auf links, Kagawa in die Mitte und Honda nach rechts, alsbald wurde aber fröhlich durchgewirbelt. Was die Jordanier aber weiterhin sehr gut machten, war das Verlagern der Japaner auf die Flanken, denn hohe Zuspiele in den Strafraum wurden zumeist Beute der körperlich etwas stärkeren jordanischen Defensive.

Nach vorne verlegte sich die Mannschaft von Trainer Adnan Hamad mit Fortdauer des Spiels fast nur noch auf das Herunterspielen der Zeit. Konter wurden nicht mehr konsequent zu Ende gespielt und Chancen auf ein zweites Tor waren so nicht mehr vorhanden. Dennoch hätte es beinahe für den Sensationssieg gereicht, hätte nicht der aufgerückte japanische Innenverteidiger Maya Yoshida mit einem wuchtigen Kopfball in der Nachspielzeit doch noch für den hochverdienten Ausgleich gesorgt.

Fazit: Die Japaner waren natürlich das deutlich bessere Team, vor allem was Technik und Tempo angeht. Und auch, wenn ein Sieg der „Japan-Kopie“ Jordanien diesem Spiel nicht ganz entsprochen hätte: Das Unentschieden wurde den Jordaniern nicht geschenkt. Mit leidenschaftlicher Defensive, viel Laufarbeit und einem stimmigen taktischen Konzept ist der Auftakt in diesen Asien-Cup für sie durchaus geglückt. Die Japaner zeigten ihrerseits, dass sie auch in schwierigen Situationen nicht die Nerven und ihr Konzept verlieren (wie schon bei der WM zu sehen war) und kamen letztlich mit einem blauen Auge davon.

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Saudi Arabien – Syrien 1:2 (0:1)

Saudi Arabien - Syrien 1:2

Das klassische 4-4-2 mit einer flachen Mittelfeldkette hat einen systemimanenten Schwachpunkt: Den Link zwischen Mittelfeld und Angriff, wenn die Stürmer zu weit vorne stehen – genau das passierte den hochfavorisierten Saudis gegen den Underdog Syrien. José Peseiro, der portugiesische Teamchef der Saudis, schaffte es zwar, seinen beiden Viererketten eine große Flexibilität im Positionsspiel zu verpassen und so durch geschicktes Verschieben immer die Räume schon abgedeckt zu halten und so die Spielkontrolle absolut in den eigenen Händen zu halten. Doch weil die Syrer (wie schon die Jordanier am Nachmittag) die Mitte zu machten und in der Mittelfeldzentrale ein zahlenmäßiges Übergewicht hatten, hingen vorne gleich zwei Spieler in der Luft. Von denen eine somit im Mittelfeld fehlte, um dort eine Anspielstation zu haben.

Bei den Syrern, die von ihrem rumänischen Teamchef Valeriu Tita in einem 4-2-3-1 aufgestellt waren (das oftmals zu einem 4-4-1-1 wurde), gab es indes nur zwei Spieler mit wirklich dezidiert offensiven Aufgaben. Das war zum einen natürlich Sturmspitze Al-Zeno, und zum anderen das Hirn im syrischen Offensivspiel, Belgien-Legionär Senahrib Malki. Der 26-Jährige lief ungemein viel, war überall zu finden, agierte als Ballverteiler und Anspielstation und bewegte sich aus seiner Position im zentralen offensiven Mittelfeld oft auch in die Spitze nach vorne. Durch das numerisch Unterlegene Mittelfeld der Saudis hatte Malki viel Freiraum.

Die Saudis versuchten alsbald, die Unterzahl in der Zentrale dadurch auszugleichen, dass sich die Mittelfeldketten vermehrt um den Mittelkreis verdichtete. Effekt: Keiner. Als Nasser Al-Shamrani vorne nach etwa 20, 25 Minuten merkte, dass (von einem Steilpass, als er zwischen den starken Innenverteidigern Dyab und Deka durchging) so überhaupt nichts kam, ließ er sich etwas zurückfallen, um sich etwas weiter hinten die Bälle abzuholen. Das war grundsätzlich der richtige Zug, aber weil Abdulrazak Al-Hussein – einer der beiden umsichtigen Sechser – sich liebevoll um Al-Shamrani kümmerte, fruchtete das nicht viel. Die Syrer standen, obwohl sie den Saudis das Spiel überließen, einigermaßen hoch und nahmen die Stürmer schon von dem Strafraum an die Kandarre. Die Saudis bekamen überhaupt keinen Zugriff auf den Strafraum und wurden so auch nicht torgefählich. Und kurz vor der Pause belohnten sich die Syrer für ihr cleveres Spiel mit dem 1:0, passend zum Turnier durch einen abgefälschten Schuss von Abdulrazak Al-Hussein.

Peseiro blieb seinem 4-4-2 auch nach dem Seitenwechsel treu, nur schafften es die Saudis nun, den Gegner weiter nach hinten zu drängen. Die Abwehrreihe rückte im Ballbesitz bis jenseits der Mittellinie auf, um den Syrern den Platz zu nehmen. Diese reagierten, indem sie nun endgültig auf ein 4-4-1-1 umstellten und mit zwei tief stehenden Viererketten verteidigten. Das ging nicht lange gut – nach einer Stunde gelang den Saudis durch den zur Pause für Autef eingewechselten Al-Jassem der Ausgleich. Grundsätzlich wollten die Saudis auch so weiterspielen, allerdings kam ihnen der postwendende erneute Führungstreffer der Syrer hierbei in die Quere. Wieder war’s Abdulrazak Al-Hussain, wieder war der Schuss abgefälscht.

Die Syrer verstanden es nun, wieder etwas höher zu stehen und die Außen der Saudis durch die Flügelspieler im Mittelfeld sehr früh zu empfangen. Das Konzept war somit durchaus streng defensiv, weil die Syrer die Spielgestaltung der Saudis in dieser Phase aber sehr hoch störten, sah das nicht bedrückend defensiv auf, sondern durchaus kontrolliert. Und im Gegensatz zu den Jordaniern im Nachmittagsspiel war Syrien nun auch darauf bedacht, etwaige Konter fertig zu spielen. Zwar gelang ihnen selbst kein Tor mehr. Aber hinten ließen sie gegen die bis zum Schluss eher eindimensionalen Saudis auch keines mehr zu.

Fazit: Im Grunde haben sich die Saudis selbst geschlagen, mit ihrem sturen Beibehalten des 4-4-2 und den Problemen, die sich somit gegen einen defensiven Gegner mit einem Fünfermittelfeld ergeben. Höchsten Respekt aber vor den Syrern, die als objektiv deutlich schwächeres Team dank einer beherzten, disziplinierten und intelligenten Leistung einen durchaus nicht ganz unverdienten Sieg einfahren.

UPDATE: Für José Peseiro ist der Asien-Cup damit auch schon wieder vorbei – der Teamchef der Saudis wurde nach der peinlichen Niederlage umgehend entlassen. Es übernimmt (wieder einmal) Nasser Al-Johar, der schon zweimal saudischer Teamchef gewesen ist.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.