Es muss nicht immer glanzvoll sein

Das weiße Ballett kann auch als Ergebnismaschine auftreten – das wurde beim 2:0 im Stadtderby gegen Atlético deutlich. Denn nachdem die Zwei-Tore-Führung früh hergestellt wurde, ließ man den Gegner aus der eigenen Stadt am ausgestreckten Arm verhungern.

Real Madrid - Altético Madrid 2:0

Im Gegensatz zum übermächtigen Stadtrivalen hat Atlético Madrid letzte Saison einen Europapokal gewonnen. Doch für einen Sprung ins echte Rampenlicht reichte das nicht. Und dieses Derby zeigte auch ganz klar warum: Es fehlt neben der Masse an Stars einfach an der Klasse und der spielerischen Potenz. Was im direkten Duell zunächst sehr drastisch aussah.

Denn Atlético empfing Real von Beginn an extrem weit in der eigenen Hälfte, stand mit beiden Viererketten des 4-4-2 sehr tief und versuchte, den Hausherren den Raum zum Kombinieren zu verweigern. Nach vorne allerdings fehlte zu Beginn sichtlich der Plan – das Nachrücken funktionierte praktisch gar nicht, so musste Reyes in der 5. Minute ewig lange warten, ehe die ersten zumindest halbherzig sich in seine Richtung bewegten.

Real erkannte schnell, dass es nur mit schnellem Kombinationsspiel gelingen würde, die massierte Atlético-Defensive zu knacken – un mit Überraschungsmomenten. Als nach einer Viertelstunde handball-ähnlicher Belagerung des Strafraums plötzlich der aufgerückte Innenverteidiger Ricardo Carvalho zum Doppelpass ansetzte und zum 1:0 traf, hatte Atlético-Coach Quique Flores wohl eher nicht auf der Rechnung.

Die Gäste mussten nun natürlich ein wenig von ihrem reinen Defensiv-Konzept abgehen und postierten die beiden Viererketten nach dem Gegentor deutlich höher. Was zur Folge hatte, dass man anfälliger für Steilpässe auf die schnellen Offensivkräfte Reals war. Ein solcher Steilpass landete dann auch prompt bei Cristiano Ronaldo, der noch kurz vor der Strafraumgrenze unfair gestoppt werden konnte. Özil verwandelte den fälligen Freistoß aber rotzfrech direkt zum 2:0.

Real machte in den ersten 25 Minuten einen beinahe unschlagbaren Eindruck. Cristiano Ronaldo rochierte extrem viel, Özil zeigte sich spielfreudig, Di María war fleißig und Ramos hielt auf seiner Seite Simão wunderbar in Schach, und Higuaín war immer wieder das Ziel von hohen Anspielen von hinter der Mittellinie. Atlético dafür wurde nach vorne ausschließlich über die Seite von Reyes gefährlich. Er konnte den Raum, den ihm der über-offensive Marcelo immer wieder gewährte, am Besten nützen und er brachte auch, unterstützt von Kun Agüero, immer wieder Flanken zu Forlán in die Mitte. Casillas hatte bei einem eher unsouveränen Rettungsversuch in der 27. Minute Glück, dass der Uru den Ball am Tor vorbei drosch.

Aufgepasst auf die Deutschen

Danach jedoch riss der Faden bei den Königlichen, weil die beiden zentralen Mittelfeld-Spieler bei Atlético auf das bisherige Geschehen reagierten: Mario Suárez kümmerte sich nun ziemlich Mann-gegen-Mann um Sami Khedira; der Portugiese Tiago um den quirligen Mesut Özil. Das war die entscheidende Maßnahme, denn plötzlich lahmte das Real-Spiel sichtlich. Di María hatte nun immer mehr mit dem auftauenden Filipe Luís zu tun, welcher das Leistungsloch von Simão zumindest ein wenig ausgleichen konnte. Und Cristiano Ronaldo konnte so plötzlich auf sich alleine gestellt nicht allzu viel ausrichten. So bekam Atlético das Spiel gegen Ende der ersten Hälfte hervorragend in den Griff, was zu einigen wilden Schreianfällen von Real-Coach Mourinho an der Seitenlinie führte.

Nach der Pause versuchte sich Özil Platz zu verschaffen, indem er immer wieder auf den linken Flügel auswich – jene Seite, die Ronaldo immer wieder verwaisen ließ und ansonsten Marcelo überließ. Diese Maßnahme zeigte schnell Wirkung, Real kam mit Schwung in die zweite Hälfte und Higuaín hätte beinahe mit dem schnellen 3:0 für die endgültige Entscheidung gesorgt.

So aber schlatete Real mit der scheinbar sicheren Führung im Rücken alsbald wieder einen Gang zurück. Atlético spielte das 4-4-2, wie man es gegen Real machen muss: Sie gaben zwar formationsbeding die Mittelfeldzentrale preis, stellten aber alle möglichen Anspielstationen von Khedira und Alsonso sehr geschickt zu. Zudem verengte sich das Spiel von Real nach vorne hin immer mehr, sodass mit Filipe Luís und vor allem Valera die Außenverteidiger recht ungestört ihren Vorwärtstrieb ausleben konnten. Alleine, wirkliche gefährliche Torsituationen konnte Atlético nicht herausspielen – ein Pfostenschuss von Forlán aus 20 Metern (60.) war die mit Abstand beste Tormöglichkeit.

Atlético kommt nicht vor’s Tor

Nach 70 Minuten nahm Quique Flores Tiago aus dem Spiel. Zum einen, weil dieser nach einem taktischen Foul verwarnt worden war und gegen den jeweiligen zentralen Mittelfeld-Mann von Real (abwechseld Özil und Ronaldo) nicht mehr mit vollstem Einsatz in die Zweikämpfe gegen konnte; zum anderen, um mit Raúl García einen etwas offensiveren Mann in die Mittelfeldzentrale zu bekommen. Dennoch offenbarte sich in dieser Phase auch die Schwäche selbst eines an sich gut gespielten 4-4-2. Denn angesichts der Tatsache, dass García in der Zentrale nun mit Khedira und Alonso zwei Gegenspieler hatte und nichts ausrichten konnte, blieb das Spiel von Atlético weiterhin auf die Flanken beschränkt.

Und hier machten Marcelo (unterstützt von Carvalho) und Ramos (gegen den unsichtbaren Simão und später gegen Diego Costa) vieles richtig. Außerdem schickte Mourinho in der Schlussphase mit Mohamadou Diarra (für Di María) einen weiteren Mann für das defensive Mittelfeld auf den Platz, – womit Khedira und Alonso frei wurden, um die Flanken noch mehr zu kontrollieren. Letztlich schaukelte Real das 2:0 also unspektakulär über die Zeit.

Fazit: Real kann’s auch staubtrocken

Real zündete etwa 25 Minuten lang ein Feuerwerk, war drückend überlegen und führte schon verdient mit 2:0, ehe Atlético entscheidende (und durchaus erfolgreiche) Änderungen vornahm. Ja, die Königlichen gingen mit der sicheren Führung im Rücken nicht mehr volles Tempo, aber Atlético schickte sich in der Folge schon an, aktiv zum Spielgeschehen beizutragen und sich nicht wie Santander und Deportivo zuletzt (je 1:6) von Real vernichten zu lassen.

Das Real Madrid unter Mourinho ist sich aber nicht zu schade, einen Sieg auch mal staubtrocken nach Hause zu schaukeln und sich damit zufrieden zu geben, die Stärken des Gegners (heute: Flügelspiel) geduldig niederzuhalten. Was letztlich in einem sicheren 2:0-Sieg mündete, den man als korrekt bezeichnen darf.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.