Nani-Show gegen überforderte Türken

Manchester United lief ohne den streikenden Rooney und ohne den formstarken Berbatov auf – aber auch, wenn Macheda gegen Bursaspor seine Chance nicht nützte, war der türkische Meister heillos überfordert. Und mit dem mehr als schmeichelhaften 0:1 extrem gut bedient.

Man Utd - Bursaspor 1:0

Vor ziemlich genau drei Jahren war Besiktas bei einem Champions-League-Spiel in Liverpool mit 0:8 fürchterlich unter die Räder gekommen. Coach der Türken war damals Ertuğrul Sağlam – genau der Mann, der heute den aktuellen türkischen Meister und Tabellenführer Bursaspor trainiert. Und dem bei Manchester United beinahe ähnliches passiert wäre wie damals an der Anfield Road – wäre nicht diesmal United gnädig gewesen. Und hätte er nicht diesmal einen deutlich fähigeren Torhüter dabei gehabt als damals.

Denn seine international komplett unerfahrene Mannschaft machte es United extrem leicht, den Ball zu kontrollieren, das Spiel schnell zu machen und Bursapor spielerisch auseinander zu nehmen. Das ging deshalb so leicht, weil im 4-1-4-1 der Türken (übrigens ohne Ex-Österreicher Turgay Bahadır in der Startformation) die Mittelfeldreihe stets 20 bis 30 Meter vor der Abwehrreihe stand und dazwischen nur der Schwede Gustav Svensson war, der als Solo-Sechser natürlich nicht den kompletten, riesigen Raum abdecken konnte.

Was die so hoch stehende Mittelfeldreihe sollte, wurde aber nicht ganz klar. Denn die vier Mann pressten überhaupt nicht auf den jeweils ballführenden United-Spieler, auch war sie nie auch nur annähernd in der Lage, selbst Druck auf die Abwehr-Kette der Gastgeber ausüben. Genaugenommen waren die vier Mann im Bursaspor-Mittelfeld einfach nur da. Sercan Yıldırım hing in der Spitze komplett in der Luft.

Bursaspor lädt United ein

Das riesige Loch nützte Manchester natürlich nach Herzenslust aus. Vor allem Rechtsaußen Nani wickelte den fast schon bemitleidenswerten Linksverteidiger, den eingebürgerten Brasilianer Vederson, im Minutentakt ein; sein frühes Weitschusstor zum 1:0 (natürlich entstanden durch viiiieeel Platz im Halbfeld) bescherte United natürlich zusätzliche Ruhe. Ferguson stellte sein Team in einem 4-3-3 auf, mit Michael Carrick als tief stehendem Quarterback in der Mittelfeldzentrale. Davor verschoben Fletcher und der sehr agile Anderson permanent hin und her, oftmals wechselten sie ihre Positionen auch untereinander aus. Zudem ließ sich Sturmspitze Macheda auch immer wieder in das Riesenloch fallen, um besser anspielbar zu sein. Lediglich Linksaußen Park Ji-Sung (bei dem die letzte Haarfärbe-Aktion gründlich misslang) fiel da etwas ab.

Und weil aus dem Mittelfeld des türkischen Meisters so gar nichts kam, hatten auch die United-Außenverteidiger Rafael und Evra jede Menge Muße, sich ins Offensivspiel einzuschalten. Rafael diente dabei Nani als dankbare Anspielstation; Evra hinterlief Park Ji-Sung und erzeugte mit diesen Aktionen mehr Gefahr als der Koreaner. Das einzige Manko von Manchester in der ersten halben Stunde: Man hatte es verpasst, die Führung zu erhöhen.

Denn nach einer halben Stunde hatten die Gäste das Problem dann doch erkannt und schlossen das Loch hinter dem Mittelfeld, indem sich die vier Mann zehn, fünfzehn Meter nach hinten begaben. Und siehe da: Sofort war der Angriffswirbel von United eingebremst. So gelang es Bursaspor, mit einem 0:1 in die Kabine zu gehen, das die Unterlegenheit nicht einmal annähernd ausdrückt.

Seltsamer Doppelwechsel

Zu Beginn der zweiten Hälfte überraschte Sağlam ein wenig – weniger mit dem Doppelwechsel an sich, den der Trainer vornahm, sondern mit dem beteiligten Personal. Er brachte nämlich nicht etwa einen zweiten Sechser, um im defensiven Mittelfeld die Räume enger zu machen und zu versuchen, United spätestens dort den Ball abzunehmen. Nein, er brachte IV Öztürk für IV Stepanov; dazu nahm er Solospitze Sercan Yıldırım raus und brachte Turgay Bahadır, der exakt diese Position einnahm. Was Sağlam damit bezweckte? Unklar. Auswirkungen hatte dieser Doppeltausch, wie nicht anders zu erwarten war, keine.

Bei Manchester orientierte sich Park Ji-Sung nun deutlich weiter in die Offensive – auch, um Ali Tandoğan hinten zu binden und es so Anderson und auch Macheda zu ermöglichen, in diesen Raum hinein zu agieren. Bursaspor schaffte es nun zwar, United deutlich seltener zum Torabschluss kommen zu lassen (und wenn, war der bulgarische Keeper Ivankov ein absolut sicherer Rückhalt, zweifellos der beste Bursaspor-Akteur an diesem Abend). Aber selbst gefährlich nach vorne kommen? Weiterhin Fehlanzeige. United spielte mit einer Sicherheit, als ob man schon drei Tore Vorsprung hatte, so harmlos waren die Türken. Und trotz der an sich knappen Führung hatte man zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, United würde das Spiel nicht gewinnen.

Nach etwa einer Stunde wechselten Nani und Park die Seiten, wenig später musste der Koreaner für Obertan vom Feld. Nani setzte seine Show nun auf der anderen Seite fort, er war der mit Abstand auffälligste Spieler der Hausherren. Das änderte sich erst, als Sir Alex in der 77. Minute mit Javier Hernández einen zweiten Stürmer (für den fleißigen Anderson) brachte und auf ein 4-4-2 umstellte. Die Spielkunst war nun, die die naturgemäß brachial angewachsenen Abstände zwischen den Spielern, dahin.

Was aber nichts machte. Die Türken waren zuvor schon ein weiteres Mal gezwungen gewesen, positionsgetreu umzustellen – Keçeli ersetzte den verletzten Tandoğan – und auch, wenn es Insúa nun ein wenig halbherzig versuchte, etwas zu Bahadır in die Spitze aufzurücken, für Gefahr konnte Bursaspor erst in der 91. Minute sorgen. Durch einen 25m-Schuss von Svensson, der bei Kuszczak (mit dessen erst sechstem Ballkontakt bis dahin!) aber keine Unsicherheiten auslöste.

Fazit: Sieg nicht annähernd hoch genug

United war den vor allem in der ersten halben Stunde etwas naiv auftretenden Türken von der ersten bis zur letzten Minute in allen Belangen haushoch überlegen, das Endresultat von 1:0 entspricht dem Zwei-Klassen-Unterschied nicht einmal annähernd. Hinzu kam, dass Bursaspor-Trainer Sağlam mit seinem Doppelwechsel zur Halbzeit genau gar nichts bewirkte.

Der 90 Minuten auf der Bank fröstelnde Dimitar Berbatov sah, wie sich vor allem Macheda im Vergeben zahlreicher Chancen auszeichnete. Das war das einzige Manko von United an diesem Abend.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.