Gunned Down

Ein respektables Resultat wollte Shakhtar-Trainer Lucescu aus dem Emirates Stadium entführen. Doch statt einer Sensation setzte es eine verdiente Klatsche im Duell des Ersten gegen den Zweiten der Gruppe H. Die Gunners ließen über 90 Minuten nichts anbrennen und entschieden das Spiel binnen neun Minuten endgültig.

Arsenal FC - Shakhtar Donetsk 5:1

Offensiv gegen Möchtegern-Offensiv

Wie Lucescu sich das mit dem „respektablen Resultat“ vorgestellt hatte, musste man sich schon früh fragen. Formell war sein Team mit einem 4-2-3-1 – und damit durchaus nicht feig ausgerichtet – aufs Grün des Emirates Stadium geschickt worden. Praktisch kam diese Ausrichtung aber nicht zur Geltung, denn der statische Mittelfeldverbund der Gäste hielt mit dem schnellen und sehr dynamischen Spiel der Gunners schlichtweg nicht mit.

Schnell und dynamisch – was heißt das? Es heißt, dass die Positionsangaben auf der Grafik nicht in Stein gemeißelt sind. Insbesondere in der Vorwärtsbewegung wurde munter hin- und herrotiert. Rosický und Chamakh, Chamakh und Fàbregas sowie Nasri und Clichy zeigten sich etwa sehr fleißig im flexiblen Tausch ihrer momentanen Aufgabe. Die teilweise bis vor den Strafraum aufrückenden Verteidiger erhöhten den Druck zusätzlich, ohne das deswegen hinten ein Leck enstanden wäre. Denn Squillaci ließ sich meistens weiter zurückfallen, Die Außenverteidiger Eboué und Clichy nach Bedarf. Song gab den laufstarken Box-to-Box-Midfielder und putzte vor der Verteidigung aus.

Pyatov bringt Arsenal in Führung

Trotz der Dauerdominanz taten sich die Gunners eine Viertelstunde lang schwer, gefährliche Strafraumszenen herauszuholen. Der Grund: Spitze Fàbregas erlebte nicht seinen besten Tag, Rosický war noch nicht auf Touren und sonst das Duett Nasri-Chamakh  vermochte allein noch nicht genug auszurichten. Dann war es Shakhtar-Goalie Pyatov, der den Bann für die Gastgeber brach.

Nasri schlug eine Flanke ins Strafraumchaos. Der Ball senkte sich allerdings zu nahe vor dem Tor, doch Pyatov ließ das Leder wieder aus. Kaltschnäuzig bedankte sich der aufgerückte Song mit der 1:0-Führung (19.).

Als Konsequenz des Rückstands begann in der Shakhtar-Defensive langsam Unsicherheit zu grassieren. Kucher und Rakitskiy lieferten zunehmend Stellungsfehler ab. Dazu zog der warmgelaufene Rosický nun öfters in die Mitte und Wilshere rückte gut zehn Meter auf, wodurch Song in der Offensive auch eine Anspielstation nach hinten hatte.

Aus 4-1-4-1 mach 4-2-4

Arséne Wenger und seinen Kickern waren die zunehmenden Schwierigkeiten der gegnerischen Defensive nicht entgangen, und so wurde noch einen Gang hochgeschaltet. Die komplette Abwehr bewegte sich nun oft bis weit über die Spielfeldhälfte, Nasri und Rosický übernahmen dann die Position zweier Aussenstürmer, der bislang zurückhängende Chamakh zog parallel zu Fàbregas in den Strafraum. Dahinter halfen Song und Wilshere bei der Verteilung des Balles und beim Punktieren der angeschlagenen Abwehr.

Das nominelle 4-1-4-1 war am Höhepunkt der Arsenal-Offensiven effektiv ein 4-2-4, mit dem auch die zu acht, zu neunt hinten stehenden Ukrainer nichts anfangen konnten. Es zeigte sich, dass diese in der CL bislang defensiv ausgerichtete Truppe auf dem Niveau den Schalter zum druckvollen Angriffsspiel (und auch nicht zu schnellen Kontern) einfach nicht finden konnte – gegen eine Weltklassemannschaft wie Arsenal erst recht nicht.

Trotzdem reagierte Lucescu erst einmal gar nicht, und wartete offenbar darauf, dass sich sein Team von selber einstellte. Was nicht geschah. Die logische Strafe: Das 2:0 für Arsenal. Der in den Strafraum gezogene Nasri wurde von Song mit einer abgefälschten Flanke bedient, entdrehte sich seinem Bewacher und ließ Pyatkov keine Chance (42.).

Die frühe Auflösung der linken Seite

Nun sah sich auch der Shakhtar-Coach unter Zugzwang. Er zog nach der Pause den schnellen, aber insgesamt blass gebliebenen Willian aus dem linken Mittelfeld ab und warf Douglas Costa in die Schlacht. Den fand man allerdings nicht auf der Position von Willian wieder, sondern zumeist auf der rechten Seite. Texeira spielte nun vor Hübschman, Letzterer war neben seinem DM-Partner Gai und Rechtsaußen Srna einer der wenigen, die in diesem Spiel offensive Impulse für Donetsk zu setzen vermochten. Doch kaum fand sich Srna in flankenbereiter Position, oder Srna/Gai in vielversprechender Position vor dem Gunners-Strafraum (was selten genug vorkam), schon isolierten die auftrumpfenden Gastgeber die Stürmer. Besonders Luiz Adriano hatte keinen guten Tag und somit keine Chance gegen seinen jeweiligen Wächter (zumeist Djourou oder Squillaci).

Mit dem Abgang von Willian war zudem links ein Loch entstanden, wodurch Hübschman seine zentrale Position öfters verlassen musste und Raţ, der bisweilen ab und an die Offensive unterstützte, noch mehr unter Druck kam. Damit konnte Arsenal den Druck in der Mitte und links noch stärker erhöhen.

Trotzdem gehörte die erste Großchance nach er Halbzeit den Gästen. Ein schneller Vorstoß zeigt, wie es hätte gehen könnten. Mkhitaryan brachte einen Laufpass auf Luiz Adriano an, der jedoch an Fabiański scheiterte. Kurz davor hatte ein Abseits einen Vorstoß von Raţ zunichte gemacht.

Neun Minuten, drei Tore

Es war der ohnehin meist abgemeldete Adriano, der das Spiel vorentschied. Der mit nach vorne gekommene Djourou wurde von ihm zu Boden gerissen. Bedauerlicherweise hatte es sich um eine Strafraumszene gehandelt, und so blieb dem souveränen Referee Moen aus Norwegen nichts anderes übrig, als auf den Elferpunkt zu deuten. Fàbregas trat an, und knallte den Ball wuchtig ins linke Eck – 3:0 (60.). Drei Minuten später war der Arbeitstag für ihn beendet (Denílson kam) und auch der nun gelb-belastete Adriano musste das Feld für den Ex-Gunner Eduardo räumen.

Der wohl schon davor geplante Wechsel konnte den nächsten Gegentreffer aber nicht verhindern. Ein Doppelpass zwischen Wilshere und Rosický eröffnete Ersterem eine 1-gegen-1 Situation mit Pyatkov, die er für sich entschied (66.). Die beiden Innenverteidiger, Rakitskiy und Kucher, sahen dabei ausgesprochen schlecht aus. Insbesondere Rakitskiy war zuweit auzfgerückt und hatte somit die Lücke für den Doppelpass geschaffen.

Nun griff Lucescu zu seinem dritten Wechsel. Alexej Gai durfte duschen gehen, Jádson kam für ihn. Was allerdings mehr Probleme in der Defensivarbeit brachte, als dass es die Offensive verstärkt hätte. Hübschman hatte nun keinen Partner mehr im defensiven Mittelfeld. Nach dem bereits erwähnten Wegbruch der linken Seite hätte er nun Arbeit für drei Spieler leisten müssen. Da er auch selbst erkannte, dass dies wenig Sinn machte, vernachlässigte er die Flanke und konzentrierte sich nur noch auf die Zentrale.

Es machte aber ohnehin wenig Unterschied. Das Spiel war bereits entschieden, und eine Minute nach dem Tausch lupfte Nasri den Ball in den Lauf von Chamakh. Der warf zuerst ganz abgebrüht einen Blick Richtung Linesman um den Ball dann mit etwas Glück an Pyatkov vorbeizudrücken (69.). Das von Shakhtar reklamierte Abseits stellte sich in der Wiederholung als nicht vorhanden heraus, wenngleich es eine knappe Entscheidung war.

Arsenal macht Pause, Donetsk einen Treffer

Im der Folgen schickte Wenger seinen beiden fleißigsten Offensivarbeitern in den Feierabend (72., Walcott für Chamakh und Arshavin für Nasri). Die beiden Ersatzleute vermochten die Abwehr des ukrainischen Meisters noch ein paar Mal zu beschäftigen, obwohl Arsenal im Laufe der letzten 20 Minuten gleich um mehrere Gänge zurückschaltete.

So gelang Donetsk letztlich doch noch das Ehrentor, erzielt von Eduardo an seiner ehemaligen Heimstätte. Die nur noch halbherzig mitlaufende Gunners-Defensive erlaubte den weiten Pass von Eduardo auf Jádson, dessen Flanke zurück an den Absender und schließlich den schönen Abschluss aus elf Metern.

Fazit

Man muss Shakhtar Donetsk zugestehen, dass der Ausfall von Spielmacher Fernandinho durchaus eine Rolle gespielt hat. Denn so unterlegen präsentiert sich das Mittelfeld sonst einfach nicht. Eine Niederlage hätte aber auch dieser vierte Brasilianer in der Startaufstellung nicht abwenden können. Zu statisch war das Spiel des Underdogs angelegt, zu fehleranfällig die Defensive und zu harmlos der Angriff.

Willian konnte aus seiner Schnelligkeit keinen Nutzen ziehen, die offensive Mittelfeldreihe verpuffte – ebenso wie Solospitze Luiz Adriano – wirkungslos in der Enge der Arsenal-Abwehr. So trugen auch die Mühen von Hübschman, Gai und Srna, das Spiel nach vorne zu treiben, keine Früchte. Ebensowenig wie die Wechsel von Shakhtar-Trainer Lucescu. Die zeigten zwar weiter den Willen zur Offensive, waren aber weder dem Spielstand noch den strategischen Verhältnissen am Feld angemessen.

Es fehlten die Mittel, sich gegen die Übermacht im Emirates zu wehren. Und um gegen Arsenal das Spiel zu machen und ein 0:2 oder einen noch höheren Rückstand wettzumachen, dafür fehlt auch die personelle Klasse.

Die Gunners hingegen trumpften mit gutem Tempo, hoher taktischer Flexibilität und Kalschnäutzigkeit auf. Dem Gruppensieg steht wohl nichts im Wege, und auch danach ist alles drin für die Jungs von Arsène Wenger.

(gpi)

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Über Georg Pichler

Journalist und zumindest digitaler Superkicker. In echt hütet er meistens das Kastl und das recht gut. Zukünftiger ÖFB-Präsident. Kein Fan, mag aber Sturm Graz.