So biegt Österreich die „Rode Duivels“

Der erste echte Tester für das ÖFB-Team nach den beiden mühsamen Pflichtsiegen gegen Kasachstan und Aserbaidschan ist die Auswärtsfahrt nach Brüssel. Die Belgier sind seit der letzten WM-Teilnahme 2002 in einem ähnlichen Tal wie Österreich, haben aber durchaus Talent in ihrem Kader.

Belgien, voraussichtliche Formation

Als Belgien zuletzt auf der großen Bühne des Weltfußballs aufgetreten ist, war noch Marc Wilmots der Chef auf dem Platz; der herbe Gert Verheyen wetzte auf der Flanke, Mbo Mpenza sollte für die Tore sorgen. Das Team hatte im WM-Achtelfinale von Kobe die Brasilianer zwar fest im Griff, ein Geniestreich von Rivaldo sorgte aber für das belgische Aus. Ein Aus für lange Zeit.

Von der damaligen Mannschaft sind noch zwei Spieler dabei: Daniel van Buyten und Timmy Simons. Beide haben ihre beste Zeit schon deutlich hinter sich. Aber rund um die beiden Routiniers hat sich in den letzten Jahren wieder jede Menge Talent versammelt. So sind sieben Spieler aus dem Olympia-Kader von Peking grundsätzlich im Kader (sofern nicht verletzt) – dort kamen die „Roten Teufel“ immerhin ins Semfinale.

Die prägende Figur ist jetzt im A-Nationalteam dieselbe wie vor zwei Jahren in Peking: Maroane Fellaini von Everton. Er ist nicht nur wegen seiner, nun ja, ungewöhnlichen Frisur der auffälligste Spieler. In der Offensivzentrale des üblichen 4-1-3-2 zieht der erst 22-jährige die Fäden. Er arbeitet viel nach vorne, hat ein Auge für die Mitspieler, ist kopfballstark und kann auch selbst zum Abschluss kommen. Dafür ist er weitgehend von Defensiv-Aufgaben befreit – Timmy Simons (33, Nürnberg) schaltet sich dafür kaum jemals in die Offensive ein. Gegen den Ball lässt er sich sehr tief fallen und macht zwischen Vincent Kompany (24, Man City) und Daniel van Buyten (32, Bayern) den dritten Innenverteidiger vor dem üblicherweise recht soliden Torwart Logan Bailly (24, M’gladbach). Im Ballbesitz schiebt die Verteidigungsreihe extrem weit nach vorne, hier stehen Van Buyten und Kompany nicht selten auf Höhe der Mittellinie.

Vor allem Van Buyten neigt jedoch in der letzten Zeit immer wieder zu bösen Schnitzern – nicht nur beim FC Bayern, sondern etwa auch im ersten Spiel gegen Deutschland. Dort leitete sein Fehler das einzige Tor für die Deutschen ein! Beide Innenverteidiger sind sehr robust und extrem kopfballstark, aber nicht die Schnellsten. Hier empfielt es sich also, einen schnellen, kleinen Stürmer aufzustellen. Jimmy Hoffer wäre dazu prädestiniert, zumal sein Tempo der zu erwartenden österreichischen Kontertaktik zusätzlich entgegen kommen würde.

Auf den Außenpositionen würden in der Wunsch-Aufstellung des belgischen Teamchefs Leekens ebenso zwei gelernte Innenverteidiger spielen – nämlich Toby Alderweireld (21, Ajax) rechts und der etatmäßige Kapitän Thomas Vermaelen links. Weil der Arsenal-Spieler aber verletzt ist, dürfte wie schon in Astana Olivier Deschacht (29, Anderlecht) zum Einsatz kommen. Er hat zwar nicht annähernd die Klasse von Vermaelen, ist aber dafür ein echter Linksverteidiger.

Die Belgier verteidigen in der Regel trichterförmig – das heißt, die gegnerischen Angriffe sollen ins Zentrum zur Dreierkette Van Buyten/Simons/Kompany gelenkt werden. Deshalb ziehen die belgischen AV auch eher in Richtung Zentrum. Das hat etwa gegen Deutschen dazu geführt, dass die gegnerischen Außenstürmer viel Platz haben, um hinter den AV bis zur Grundlinie zu gehen und dort in den Rücken der Abwehr zu flanken. Die Deutschen Philipp Lahm und Thomas Müller exerzierten das bei deren 1:0-Sieg schulbuchmäßig vor.

Das Rezept wäre also: Mit schnellen Doppelpässen der Flankenspieler (also voraussichtlich Fuchs/Arnautovic, in erster Linie) mit dem offensiven Mittelfeld (Junuzovic würde sich da anbieten) in den Raum hinter die belgischen AV durchzubrechen, um von dort so flach wie möglich in die Mitte zu flanken. Ideal wäre, wenn dort sowohl kurz als auch lang eine Anspielstation lauert. So sollte die Sturmspitze etwa die eine Position einnehmen, und der zentrale Offensivmann im Mittelfeld (Juno, der in die Mitte ziehen könnte) die andere.

Wie sind die belgischen AV auszuhebeln? Etwa mit schnellen Pässen zwischen LV Fuchs, OM Junozovic (der sich danach Richtung zweiten Pfosten orientiert) und LM Arnautovic, der gegen die großen, kopfballstarken belgischen IV flach flankt. Dort könnte der Ball Juno finden - oder die Sturmspitze, die mit ihm die Laufwege kreuzt. Bei Tempo sind die belgischen IV anfällig.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass RV Toby Alderweireld besonders viel Offensivgeist entwickeln wird. Zum einen, weil er mit Arnautovic den Spieler gegen sich haben sollte, vor dem George Leekens mit Abstand den höchsten Respekt hat. Vor allem aber, weil die belgischen Außen eben eher nach innen ziehen, weniger nach vorne. Was zur Folge hat, dass die beiden Flügelspieler im Mittelfeld (normalerweise Démbélé von Fulham und Hazard von Lille, die aber beide verletzt sind) nicht nur für die Offensive eine entscheidende Rolle spielen, sondern auch für die Defensive. Jelle van Damme (26, Wolverhampton) und Axel Witsel (21, Lüttich) haben diese Positionen beim 2:0 in Astana eingenommen, und werden das vermutlich auch gegen Österreich tun. Gegen den Ball übernehmen sie die Agenden der nach innen ziehenden AV, im Ballbesitz haben sie im Vorwärtsgang aber nicht immer bedingungslose Hilfe von hinten zu erwarten.

In der Offensive zeigt sich bei den Belgiern ein entgegengesetztes Bild gegenüber der Abwehr: Hier sind die Spieler vor allem technisch beschlagen und sehr schnell. Die Flügel sowieso, aber auch Fellaini und Stürmer Jelle Vossen (21) – sollte er nicht seinem Genk-Vereinskollegen Marvin Ogunjimi (22) Platz machen müssen, der als Joker beide Tore in Kasachstan erzielt hat. Gesetzt ist indes Sturmpartner Romelu Lukaku. Das Wunderkind von Anderlecht ist trotz seiner erst 17 Jahre mit 1.92m Größe und 95kg an Gewicht ein veritabler Schrank. Zudem hat er überlicherweise durchaus Torriecher, letzte Saison war er Torschützenkönig in der belgischen Meisterschaft. Auf einen Treffer im Nationalteam wartet er aber noch.

Die Ausfälle von Hazard und Démbélé schmerzen Temchef Leekens fraglos deutlich mehr als jener von Kapitän Vermaelen, denn ohne die beiden unerhört schnellen und technisch extrem starken Außenstürmer fehlt der Mannschaft eine zentrale Stärke. Was aber nicht heißt, dass Fuchs und (vermutlich) Klein die beiden unterschätzen sollten – vor allem Witsel wird zweifellos besonders darauf aus sein, den Mainzer so viel wie möglich hinten zu beschäftigen. Eher schon könnte Jelle van Damme, der vor einigen Jahren bei Werder Bremen kläglich gescheitert war, ein Schwachpunkt sein.

Worauf ist also aus österreichischer Sicht zu achten? Es ist bereits durchgeklungen, dass Constantini mit einem 4-2-3-1 plant. Sicher werden die beiden IV (wohl wieder Prödl und Scharner) mit dem belgischen Sturm-Duo gut beschäftigt sein, Wadlbeißer Schiemer im DM als Kettenhund vor Fellaini wäre sicher nicht verkehrt. Der zweite DM (Baumgartlinger oder Pehlivan) darf da ruhig ein paar Freiheiten mehr genießen, zumal beide in der Spieleröffnung eine Klasse besser sind als Schiemer. Links ist Fuchs ohnehin gesetzt, er dürfte mit Witsel aber einiges zu tun bekommen; Klein rechts wird den Belgiern wohl etwas weniger Kopfzerbrechen bereiten.

Kavlak vor ihm wird mit Deschacht zwar einen gelernten LV gegen sich haben, ist diesem in puncto Technik und Tempo aber zweifellos überlegen – ähnlich wie Arnautovic mit Alderweireld auf der anderen Flanke. Junuzovic in der Zentrale wird ein Gespür dafür brauchen, welche Seite er eher unterstützen soll, denn durch die Mitte wird nicht viel gehen. Warum Constantini vorne gegen die extrem robusten, aber technisch limitierten IV in Maierhofer einen ebensolchen Stürmer aufbieten will, ist eher ein Mysterium. Ein kleiner, schneller Stürmer, der auch bei Kontern brauchbar ist (wie Hoffer), wäre wohl die sinnvollere Variante.

Denn Belgien wird als Heimmannschaft unter Druck mit technisch starken Offensivspielern zweifellos das Spiel gestalten, was das ÖFB-Team mit schnellen Kontern ausnützen kann. Dafür stehen Arnautovic und Kavlak. Maierhofer etwas weniger.

Wenn das mal nicht nach hinten losgeht…

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Was sich sonst noch tut: In der Österreich-Gruppe stehen die Favoriten Deutschland (nach dem 3:0 in Berlin gegen die Türkei) in Kasachstan und Türkei (in Aserbaidschan) vor Pflichtsiegen, was das Spiel in Brüssel auf dem Papier zum engsten des Tages werden lässt.

Rehabilitation für das peinliche 1:3 in Armenien ist für WM-Achtelfinalist Slowakei daheim gegen Irland (zuletzt 2:3 gegen Russland) angesagt; ebenso wie für die Serben nach deren 1:3-Heimblamage gegen Estland. Problem dabei: Serbien muss nach Genua und sich dort mit Italien messen…

Die Holländer empfangen nach dem mühsamen 1:0 in Moldawien nun mit Schweden den härtesten Gruppen-Gegner; England die erstaunlichen Montenegriner. Die haben mit drei Toren in drei Spielen neun Punkte geholt! Die Schweizer kämpfen nach dem 0:1 in Podgorica daheim gegen Wales schon um die letzte Chance aufs EM-Ticket. Und Weltmeister Spanien fliegt nach Schottland.

Kleiner Ausflug noch in die Africacup-Qualifikation: Dort hat Titelverteidiger Ägypten sensationell 0:1 in Niger verloren – damit ist der Weg für den noch unbesiegten Gruppengegner Südafrika fast schon frei. Auch WM-Starter Algerien hat mit einem 1:1 gegen Tansania und einem 0:2 in der Zentralafrikanischen Republik (!) einen fürcherlichen Fehlstart hingelegt. Dafür sind überraschend Botswana und die Kapverden auf Kurs zu ihrer ersten Afrikacup-Teilnahme!

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.