Day 2 – 3,5-3,5-1-2 (oder: Diegos Wandervogel)

Südafrika 2010 – Tag 2 | Diego Maradona schickte den armen Jonás Gutiérrez auf massive Wanderschaften; die Griechen ließen sich von guten, aber nicht überragenden Koreanern fast vorführen; und England schafft es, gegen biedere Amis nicht zu gewinnen. Nicht nur wegen Greens Fehlgriff.

Südkorea – Griechenland 2:0 (1:0)

Südkorea - Griechenland 2:0

Was waren das noch für Zeiten, als Ottos griechische Defensive die ganze Welt vor Rätsel stellte. Heute nämlich agierte die hellenische Zentralverteidigung mit Papadopoulos und Vyntra schlicht heillos überfordert. Haarsträubende Stellungsfehler, ungschicktes Zweikampfverhalten, schreckliche Fehlpässe: Ein Gegner, der etwas kaltschnäuzigere Killer vorm Tor hat als die Koreaner, hätte den Griechen noch ein paar mehr eingeschenkt. Tor Nummer eins verschuldete zwar noch Stürmer Charisteas, der sich beim Freistoß von der Cornerfahne zwischen die Verteidiger stellte (er selbst reagierte auf die Flanke gar nicht, Torosidis hinter ihm stand schon schlecht zum Torschützen), aber das zweite Tor darf sich Vyntra ankreiden. Dazu später mehr.

Außerdem war Torosidis links zwar (zumindest zu Beginn) offensiv ein wenig auffälliger als Seitaridis vor der Pause, hinten dafür ein ebenso hüftsteifes Opfer schneller koreanischer Vorstöße. Seitaridis rechts machte zwar defensiv einigermaßen dicht, weit über eine Stunde kamen von ihm aber nur Alibi-Pässe und Quergeschiebe. Erst, als Rehhagel den eingewechselten Patsatzoglou vom DM zwischen die IV stellte und hinten mit Dreierkette agieren ließ, wurde Seitaridis, nun ins Mittelfeld aufgrückt, mutiger. Das war etwa in der 65. Minute, und der koreanische Linksverteidiger Lee Young-Pyo brauchte einige Minuten, ehe er der neuen Ausgangslage Herr wurde und seine Seite wieder besser in den Griff bekam. Die argentinischen Scouts haben die Indisponiertheit des Routiniers sicher bemerkt, er darf sich wohl schon mal auf eine Sonderbehandlung von Carlos Tévez freuen.

Samaras, der als LM/LA aufgeboten war, zog zu Beginn noch einige schöne Vorstöße von Torosidis mit, ließ aber schnell nach und produzierte nur noch Mist. Der nach einer Stunde für ihn gekommene Salpingidis machte es nicht besser, aber dass der für Charisteas eingetauschte Kapetanos zu Gekas ins Sturmzentrum ging und die rechte Seite so für Seitaridis frei wurde, war der Auslöser für das kurze griechische Zwischenhoch.

Extrem schwach bei den Griechen war auch das Dreier-Mittelfeld: Dieses nahm praktisch nicht teil. Was wohl auch an Park Ji-Sung lag: Der Star der Koreaner wurde im 4-2-3-1 in der offensiven Mittelfeld-Zentrale aufgeboten, die beiden Außen (Lee Chung-Yong von Bolton, der „Double-Dragon“-Zwillingspartner des Celtic-Sechsers Ki; sowie Yeom aus der K-League) rochiertern permanent. Die Folge: Die griechischen Außen mussten sich dauernd neu justieren, und der Mittelkreis wurde (aus Angst vor Park Ji-Sung?) gemieden wie vom Teufel das Weihwasser. Und als ein grichischer Querpass doch einmal in seine Nähe kam, setzte Park Vyntra sofort unter Druck. Dass dieser in seiner Panik den Ball vertendelt und das 0:2 dabei herauskommt, ist folgerichtig.

Besonders bitter für die Griechen ist, dass die Koreaner echt nichts Außergewöhnliches zeigen mussten, weder spielerisch noch taktisch. Tempoverschärfungen im Ballbesitz, um die Griechen zu verunsichern; rochierende Außenstürmer, und Aus. Nicht einmal die Außenverteidiger mussten allzu konsequent den Weg nach vorne suchen. Hinten links rum, hinten rechts rum, und dann langer Hafer über 50 Meter Richtung Gekas – mehr war das bei den Griechen über eine Stunde lang kaum.

Fazit: Den Koreanern reichte eine gute, aber sicher nicht überragende Leistung, um die Griechen vor allem spielerisch fast lächerlich zu machen.

—————————–

Argentinien – Nigeria 1:0 (1:0)

Argentinien - Nigeria 1:0

Das war schon eine eher merkwürdige Variante, die sich der argentinische Trainerstab da ausgedacht hat. Eine Art 3,5-3,5-1-2 nämlich: Mit Samuel und Demichelis als (zumeist recht sichere) Innenverteidiger, Heinze links hinten, aber Jonás Gutiérrez als Rechtsverteidiger und auch als Mann im rechten Mittelfeld, als Pendant zum (heute enttäuschenden) Di María links. Der Rest wie gehabt: Verón und Mascherano zentral defensiv, Messi überall, Tévez eher über rechts (vor Gutiérrez) und Higuaín vorne, als Ritter von trauriger Gestalt.

Die Nigerianer wussten zu Beginn überhaupt nichts mit dem Argentiniern anzufangen. Aus allen Richtungen kamen die Bälle in den Strafraum, Messi war sehr fleißig und (natürlich) nie wirklich in Griff zu kriegen. Alleine mit dem erfolgreichen Abschluss wurde es heute nichts. Was auch nicht nötig war, schließlich profitierte ja Heinze von lächerlichem Abwehrverhalten bei einem simplen Eckball.

Die Nigerianer starteten mit einem 4-4-2, mit Chinedu Obasi im linken Mittelfeld (was sky-Dampfplauderer Fritz von Thurn und Taxis, neben etlichen anderen faktischen Fehlern, peinlicherweise erst fünf Minuten vor Obasis Auswechslung nach einer Stunde überrissen hat). Dieses war auch das Problem, wie erwartet: Etuhu ist kein Organisator, wie es Mikel sein hätte sollen, Haruna fehlt die Erfahrung und Kaita war rechts (erfolgreich) damit beschäftigt, Di María aus dem Spiel zu nehmen.

Verwundbar waren die Argentinier, bei aller Offensivpower, aber hinten. Und da vor allem über die Seiten: Heinze ist nun mal gelernter Innenverteidiger, und Gutiérrez turnte gezwungenermaßen viel vorne herum. Obasi nützte die Freiräume vor allem vor der Pause immer wieder für ambitionierte Vorstöße. Nach einer Stunde tauschte Lagerbäck statt Obasi dort Odemwingie, schließlich ist dieser die eigentliche Einserbesetzung auf dieser Position. Odemwingie enttäuschte aber, und brachte es in der Viertelstunde, die ihm vor der Umstellung bei Argentinien blieb, nur auf einen einzigen echten Vorstoß über die linke Seite.

Dann reagierte die argentinische Bank und brachte Maxi Rodríguez für Verón, um dem rechten Mittelfeld einen Full-Time-Betreuer zu geben und den (was Wunder) zunehmend müde wirkenden Gutiérrez zu entlasten. Damit war es mit Odemwingies ohnehin überschaubarer Herrlichkeit auch schon geschehen, und damit auch mit dem nigerianischen Spiel. Dieses war zwar nicht ganz so unter aller Sau wie beim Afrikacup im Jänner, einen großen Schritt nach vorne hat die Mannschaft unter Lagerbäck (ihn nach zwölf Jahren in gelb nun in grüner Ausrüstung zu sehen, ist noch etwas seltsam) aber in der kurzen Zeit natürlich nicht machen können.

Ach ja: Der gute Jonás Gutiérrez beendete seine Reise auf der linken Mittelfeldseite. Dorthin rückte er, nachdem Burdisso für rechts hinten anstelle von Di María kam. Diesen beerbte der Newcastle-Legionär am Ende…

Fazit: Nigeria fehlt es einfach an der Klasse, das Spiel gegen Griechenland droht ein echtes Lowlight zu werden. Argentinien ist aber sicher auch noch weit davon entfernt, 100% des Leistungsvermögens auszuschöpfen.

—————————–

England – USA 1:1 (1:1)

England - USA 1:1

Ging gut los, für die Engländer, ging aber schlecht weiter. Das frühe 1:0 durch Gerrard (der erstaunlicherweise mit Lampard gemeinsam im defensiven Mittelfeld agierte) war vor allem auf Schlafmützigkeit im US-Abwehrverbund zurückzuführen. Dass Onyewu und DeMerit nur zuschauten und DM Clark dann Gerrard zu stören versuchen musste, geht eigentlich nicht. Nur: Die Engländer machten aus der frühen Führung zu wenig. Genaugenommen machten sie daraus gar nichts.

Gerrard und Lampard agierten defensiv (bis auf ein paar haarsträubende Knochenbrecher-Pässe vor allem nach der Pause) recht okay, konnten aber nach vorne kaum Impulse setzen. Lennon wirkte auf rechts etwas gehemmt, vor allem wohl weil er dem Frieden in Form eines heute extrem enttäuschenden Landon Donovan nicht traute. Glen Johnson erkannte die Schwäche von Donovan etwas früher, aber erst nach dem Seitenwechsel versuchten die beiden die Räume, die ihnen Donovan und Bocanegra gewährten, zu nützen. Da kam etwas mehr Initiative von der rechten Seite, die Flanken waren aber allesamt Mist. Links musste Milner (dem man seine gesundheitliche Schwächung deutlich ansah) schon früh Shaun Wright-Phillips weichen, aber auch seine Wirkung hielt sich in Grenzen.

Von den Seiten kam nichts in die Mitte, aus dem DM kaum Impulse, so musste sich Rooney im 4-4-1-1 über ein riesiges Areal abmühen, um überhaupt Bälle zu sehen. Das gelang viel zu lange viel zu wenig. Heskey vorne war ein armer Hund, ähnlich wie der für ihn eingewechselte Crouch. Hinten wurde bei den Engländern überdeutlich, wo aber die eigentliche Schwäche lauert: In der Innenverteidigung. Ledley King und sein Knie ist eh ein Dauerthema, John Terry segelte an diversen Kopfbällen vorbei und bringt für den Spielaufbau genau nichts – und Jamie Carragher wurde von seiner zu langsamen Pace öfter in Bedrägnis gebracht als ihm lieb war. In seinen ersten 15 Minuten sammelte er schon drei derbe Fouls, ein kläglich verlorenes Laufduell mit Altidore und eine Verwarnung. Ach ja, und Green im Tor. Schön langsam könnte man glauben, dass man automatisch schlecht spielt, sobald man ein englisches Teamtrikot überstreift, ganz egal wie stark die Saison davor war.

Eine Mannschaft mit mehr Klasse im Offensivbereich als die Amerikaner hätten diese überdeutlichen Mankos fraglos konsequenter genützt. Aber da von Donovan links gar nichts und von Dempsey rechts noch weniger kam, stand Altidore vor einem ähnlichen Problem wie Rooney. Und Robbie Findley, bei allem Respekt, ist von WM-Niveau ein schönes Stück entfernt. Die anderen Stürmer aber wohl auch.

So war es an DeMerit und Onyewu, die sich nach dem frühen Patzer deutlich steigerten und mit dem harten Hund Howard (der nach einem bösen Crash sicherlich nicht schmerzfrei durchhielt), der den Amerikanern gegen aber halt auch wirklich nicht gerade furchteinflößende Engländer den Punkt retteten.

Fazit: Nix Ganzes und nix Halbes. Natürlich sind immer noch beide die Favoriten auf den Achtelfinal-Einzug, aber beeindruckend war’s von beiden nicht.

(phe)

Cool? Sag das doch anderen!

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.