Österreich zeigt im Playoff Russlands Schwächen auf, nützt sie aber nicht – 0:2

Österreich spielt, Russland trifft: Trotz einer ordentlichen Leistung verlieren die ÖFB-Frauen das Playoff-Hinspiel daheim mit 0:2. Dabei fehlt es dem jungen rot-weiß-roten Team nicht an den Spielanteilen, und schon gar nicht – ganz generell gesprochen – am Potenzial, die recht un-beeindruckenden Russinnen zu biegen. Sehr wohl aber an der internationalen Erfahrung. Noch.

Österreich – Russland 0:2 (0:2)

Gegen Dänemark hatte es wunderbar funktioniert – so schickte Teamchef Thalhammer nicht nur wieder die exakt selbe Besetzung wie beim überraschenden 3:1 gegen den Gruppensieger auch im Playoff-Hinspiel gegen Russland auf das Feld. Sondern auch mit einer recht ähnlichen taktischen Ausrichtung.

Guter Druck, aber wenig Torgefahr

Wieder wurde versucht, auf die gegnerische Spieleröffnung Druck zu machen – man wusste, dass die russische Defensive Probleme mit der Ballbehandlung hat. Mehr als die Außenverteidigerinnen wurde hierbei allerdings die Abwehr-Zentrale angegangen, Nina Burger und Laura Feiersinger erkämpften sich immer wieder Bälle – allerdings war hier eine Szene schon nach rund 15 Sekunden absolut bezeichnend für den restlichen Spielverlauf. Nina Burger hatte sich einen Ball toll erkämpft, geht damit Richtung russischem Tor, verpasst dort aber sowohl den Zeitpunkt zum Abspiel als auch jenen zum Abschluss.

Solche und ähnliche Szenen wiederholten sich über den Lauf des Spiels immer wieder. Mal wurde zu überhastet abgeschlossen, noch öfter allerdings lief man sich in der gegnerischen Abwehr fest. Und wenn es wirklich notwendig wurde, war die exzellente russische Torfrau Elvira Todua zur Stelle. Leider schloss Top-Torjägerin Burger bei ihrer unglücklichen Performance für Neulengbach im Europacup gegen Cluj an: Voller Einsatz, viele gewonnene Zweikämpfe, aber im Zug zum Tor seltsam gehemmt.

Schnaderbeck überragend – aber…

Die mit Abstand fleißigste Spielerin im österreichischen Trikot war Viktoria Schnaderbeck. Sie spulte Kilometer ohne Ende ab, war immer dort, wo die Action war. In ihrer Rolle war der größte Unterschied zum Dänemark-Spiel: Die Bayern-Legionärin war nämlich deutlich höher postiert als ihre Klub-Kollegin Sarah Puntigam. Durch diese versetzte Tiefe ergab sich die Rolle von Schnaderbeck als Ankurblerin und als Schnittstelle zwischen Defensive und den Stürmerinnen. Sie suchte auch, wenn es die Gelegenheit ergab, den Abschluss – wenn auch ohne Fortune.

Aber! Durch die versetzte Anordnung den Duos in der zentrale wurden natürlich andererseits Passrouten für das russische Mittelfeld offen. Was insofern problematisch war, da die Gäste durch ihr relativ klares 4-3-3 ohnehin eine Überzahl im Zentrum hatten. Das wussten sie zwar in den seltensten Fällen zu konstruktiven Aktionen zu nützen, es verhinderte aber letztlich einen stringenten österreichischen Spielaufbau durch das Zentrum.

Dadurch blieben den ÖFB-Frauen zwei Optionen: Entweder über die Flügel – dort unterstützten war die AV Hanschitz und Gröbner durchaus ihre Vorderleute Aschauer bzw. Tieber, auch wurden die russischen Außenstürmerinnen nach hinten gedrückt und in ihrer Gefahr de facto neutralisiert. Aber im Spiel gegen den Ball standen die Russinen gut. Oder, andere Option, der lange Ball in Richtung Burger und Feiersinger. Das war deutlich unkomplizierter, aber auch nicht von sehr viel mehr Wirkung geprägt.

Russland: Von der Idee ähnlich wie die Herren

Der neue russische Teamchef Sergej Lavrentiev lässt sein Team, wie erwähnt, in einem 4-3-3 auflaufen. Das ist das gleiche wie bei den Herren, nur wird das vor allem auf den Außenpositionen ganz anders interpretiert. Während bei den spektakulären Männern die oberste Maxime für die Außenverteidiger „ab nach vorne!“ heißt, gilt bei den deutlich weniger aufregenden Frauen für die Außenstürmerinnen eher „ab nach hinten“. Im Ballbesitz orientierten sich Terekhova und Sochnova sofort sehr hoch und sehr weit nach außen, gegen den Ball arbeiteten sie aber sehr diszipliniert nach hinten.

Deutlich mehr Überschneidungen gibt es im Zentrum. Vor Sechser Olesya Mashina, die sich vornehmlich horizontal bewegt, sind Morosova und Savchenkova für die horizontale Bewegung zuständig. Eine der beiden orientiert sich zumeist nach vorne, während die andere absichert. Hintergrund ist natürlich einerseits, Dreiecke mit den Flügelspielern zu bilden. Das gelang ob der vielen Defensivarbeit der dort aufgestellten Spielerinnen aber nicht. Und andererseits natürlich, um eine österreichische Spielgestaltung aus dem defensiven Zentrum heraus zu verhindern. Das klappte ganz gut.

ROTE LINIE: Viki Schnaderbeck agierte deutlich höher als Sarah Puntigam. ORANGE LINIE: Die Außenstürmerinnen von Russland verrichteten viel Defensiv-Arbeit, standen zuweilen sogar hinter den beiden zentral-hohen Spielerinnen im Dreier-Mittelfeld. SCHWARZE LINIE: Eine aus dem russischen Dreier-Mittelfeld rückte auf, während die andere neben Sechser Mashina absicherte. (Bild: phe)

Schwach am Ball, stark vorm Tor

Die größten Probleme bekam die russische Abwehrkette nicht, wenn sie den Ball auf sich zu kommen sahen. Sondern, wenn sie ihn hatten und etwas damit machen sollten: Das sah zuweilen recht wirr und unkoordiniert aus, nicht gerade von viel Plan gesegnet. Spieleröffnung von hinten fand daher praktisch nicht statt, und trotz der Überzahl im Mittelfeld-Zentrum kamen auch Morosova und Savchenkova kaum zur Geltung. Von hinten bis vorne bei bei Russland die Fehlquass-Quote erstaunlich.

Ihre besten Momente hatten die Gäste, wenn es gelang, schnell in die Spitze zu kommen. Dort konnten sie ihre größte Stärke ausspielen: Ihre Routine. Denn viele Chancen brauchten die Russinnen wahrlich nicht. Genau genommen hatten sie im ganzen Spiel nur zwei ernsthafte Tormöglichkeiten. Und tatsächlich waren beide auch drin. Erst ein Konter, als Terekhova flankte, Shlyapina vor dem Tor Höller aus der Position zog und Gröbner nicht früh genug eingerückt war, um Savchenkova am 1:0 zu hintern. Und kurz vor der Halbzeit, als Shlyapina mit einem Lochpass bedient wurde und wiederum Gröbner den Fehler machte, die russische Spitze nicht Abseits zu stellen. Zack bumm, 0:2, und beide Gegentore aus heiterem Himmel.

Respekt vor Toren aus dem Nichts

Mit der komfortablen Führung im Rücken konnten sich die Russinnen nach dem Seitenwechsel natürlich noch mehr darauf verlegen, hinten nichts anbrennen zu lassen. Vom Gegner ging an sich nicht die geringste Gefahr aus – aber weil das auch in der ersten Halbzeit so war und man sich trotzdem zwei Tore eingefangen hatte, merkte man Österreich nun schon an, dass man dem russischen Braten nicht traute.

Weshalb man sich lange nicht mehr traute, konsequent von hinten heraus nachzurücken. Teamchef Thalhammer bedeutete seiner Hintermannschaft immer wieder, sie solle sich doch im Ballbesitz weiter nach vorne orientieren. Das tat sie allerdings erst wieder in der Schluss-Viertelstunde. Und kaum tat sie das, bereitete man der gegnerischen Hintermannschaft wieder deutlich mehr Probleme.

Zu wenig Präzision

Denn die hatten sie über weite Strecken der zweiten Hälfte nur punktuell. Thalhammer brachte nach einer Stunde Lisa Makas als neue Stürmerin, dafür ging Laura Feiersinger auf den rechten Flügel (für die ausgewechselte Tieber). Davon erhoffte er sich wohl mehr Akzente aus der Tiefe, aber auch gegen Feiersinger arbeiteten Medved (trotz früher gelber Karte) und Sochnova gut.

Zudem fehlte nun auch wieder dem rot-weiß-roten Team die Präzision. Das war schon in der Anfangsphase so, als man einige billige Fehlpässe schlug – nach einer Viertelstunde hatte man sich aber erfangen, fand man die Sicherheit. Die hatte nach dem zweiten Gegentor wieder verflüchtigt, was es der russischen Defensive zusätzlich leicht machte. Der Spielverlauf spielte den Gästen in die Hände, und sie hatten die Routine, das über die Zeit zu bringen.

Fazit: Das Potenzial ist da, die Abgeklärtheit noch nicht

Keine Frage: Von der individuellen Klasse, vom spielerischen Potenzial und auch vom taktischen Standpunkt braucht sich diese österreichische Mannschaft vor Russland überhaupt nicht verstecken – im Gegenteil. In solchen Spielen kommt aber natürlich noch der Aspekt der internationalen Erfahrung dazu, und der fehlt dieser blutjungen Rasselbande (Ø-Alter: 21,8 Jahre) ganz einfach noch. Doch genau, um sich diese Erfahrung zu holen, sind solche Spiele – und letztlich auch solche Niederlagen – unerlässlich.

Mit dem 2:0-Auswärtssieg im Rücken müsste für Russland schon ein mittelschweres Wunder her, um das EM-Ticket im Rückspiel noch zu verspielen. Aber zum Aufbauen großer Hoffnungen taugt dieses Spiel aus russischer Sicht garantiert nicht. Denn wenn es gegen eine Greenhorn-Truppe wie Österreich offensichtlich wird, dass die Abwehr mit dem Ball nicht umgehen kann und es aus dem Mittelfeld heraus keine nennenswerte Kreativität gibt, werden das die europäischen Schwergewichte bei der EM-Endrunde zweifellos beinhart ausnützen.

Aber wer weiß, vielleicht gelingt das ja auch schon dem europäischen Mittelgewicht Österreich im Rückspiel.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.