Das ambitionierte Projekt mit Luis Enrique, der bei der Roma das Barcelona-Gen einpflanzen soll, hat mit dem 1:2 im Stadtderby gegen Lazio einen Dämpfer erlitten. Doch obwohl man schon nach sieben Minuten mit einem Mann weniger auf dem Feld stand, war die Roma eigentlich die bessere Mannschaft.
Es ist ein Experiment. Dieses Projekt bei der Roma, wo man mit Luis Enrique, Coach des B-Teams von Barcelona unter Pep Guardiola, den Barcelona-Style nach Italien verpflanzen will. Mit eigener Spielgestaltung, mit Pressing, extrem hoch stehenden Außenverteidigern und dem unbedingten Willen zur eigenen Spielgestaltung. Das klappt manchmal schon recht gut, dann setzt es aber auch immer wieder peinliche Niederlagen. Die Konstanz fehlt eben.
Früher Rückschlag
Im Stadtderby gegen Lazio stellte Luis Enrique sein gewohntes 4-3-3 auf, in dem Totti in seiner Paraderolle als Falsche Neun zentral agierte und von Borini (statt des gesperrten Osvaldo) links und Lamela rechts flankiert wurde. Lange hatte diese Formation aber nicht bestand, weil schon nach sieben Minuten Torhüter Stekelenburg nach einer Notbremse an Miroslav Klose die rote Karte sah. Ersatz-Torhüter Lobont, für den Erik Lamela weichen hatte müssen, war gegen den fälligen Elfmeter von Hernandes machtlos. Die Roma war nun einer weniger und hinten, musste also etwas tun – und Luis Enrique tat etwas.
De Rossi ging nun aus seiner Sechser-Position de facto ins Abwehrzentrum und agiert von dort heraus als extrem tief stehender Spieleröffner. Das erlaubte den Außernverteidigern José Angel und Taddei, sich extrem viel in die Offensive mit einzuschlaten, oft agierten diese minimum auf einer Höhe mit Pjanic und Simplicio.
Vorne wurde aus dem Drei-Mann-Sturm ein Solo-Angriff, in dem Totti als vorderste Spitze agierte und Borini sich ins Mittelfeld fallen ließ und dort erst zentral, dann nach einem Platztausch mit Pjanic gemeinsam mit José Angel über die linke Seite kam. Die Wucht, die die Roma unmittelbar nach dem Rückstand entwickelte, wurde mit dem schnellen Ausgleich durch Borini belohnt.
Das Spiel der Roma hatte damit eine extreme Rechtslastigkeit, man konnte sich aber kaum Chancen heraus arbeiten, auch der Ausgleich war aus einem Freistoß gefallen. Das Pressing wurde vor allem in den kurzen Momenten unmittelbar nach Ballverlust angewendet, danach zog sich die Roma eher zurück. Oft genug funktionierte das auch, dass der Ball schnell zurück erobert werden konnte – aber im Spielaufbau gelang nicht wenig.
Mit den eigenen Waffen
Was daran lag, dass Lazio-Coach Edy Reja seinem Team den klaren Auftrag mitgegeben hat, im Mittelfeld selbst so gut es geht ein Pressing aufzuziehen. Damit hatte auch die Roma kaum Zeit am Ball und längere Ballstaffetten, wie sie Luis Enrique gerne gesehen hätte, waren kaum möglich. Die Folge war ein eher zerfahrenes Spiel, in dem sich die beiden Mannschaften im Mittelfeld auf den Füßen standen, viele Fehlpässe provozierten und die Strafräume kaum einmal erreicht wurden.
Am 4-4-1-1 von Lazio wurde nichts geändert, auch als man in Überzahl war und recht schnell klar wurde, dass mit den zwei Viererketten zwar die Roma halbwegs in Schach gehalten werden kann, es aber nicht gelang, Verbindungsspieler Hernanes und Sturmspitze Klose mit Bällen zu füttern. Zumal ersterer immer mehr auf einer Höhe mit dem Deutschen spielte und eine vertikale Bewegung, die bei schnellen Lochpässen nötig gewesen wäre, somit kaum möglich war.
Roma besser, aber Lazio trifft
Die Roma nützte es ihrerseits geschickt aus, dass es trotz der insgesamt vorhandenen Unterzahl im Mittelfeld ein 3-gegen-2-Übergewicht bestand. So rieben sich Ledesma und Matuzalem gegen drei Gegenspieler auf und konnten keine Akzente setzen und die Flügelspieler Mauri und vor allem González wurden von den extrem hoch stehenden Roma-Außenverteidigern gut in Schach gehalten.
Doch obwohl José Angel und Taddei offensiv keinen guten Tag erwischten, machte die Roma auch in Unterzahl den kompakteren, den willigeren Eindruck. Verstärkt wurde dieser noch dadurch, dass in der De-facto-Dreierkette hinten mit dem gelernten Sechser De Rossi und mit Gabriel Heinze, der große Erfahrung als Linksverteidiger hat, gleich zwei Spieler waren, die offensiv denken und den ersten Pass spielen können.
So war, obwohl sie ab der 7. Minute mit einem Mann weniger auf dem Feld war, die Roma dennoch die Mannschaft, die den besseren Eindruck machte und aus dem Spiel heraus praktisch nie in Bedrängnis kam. Aber nach einer Stunde schlief Juan, der sich immer wieder rassistischen Angriffen aus der Lazio-Kurve ausgesetzt war, bei einer Freistoß-Flanke, Mauri konnte entwischen und zum 2:1 für Lazio verwerten.
Luis Enrique stellt noch einmal um
Für die letzte Viertelstunde drehte der Roma-Coach seine Formation ein zweites Mal in diesem Spiel komplett um. Für den am Knie angeschlagenen Juan kam mit Bojan Krkic ein Stürmer, hinten wurde die Dreierkette neu besetzt: José Angel und Taddei, die zuvor als Wing-Backs auf den Flanken auf und ab gewetzt waren, flankierten nun Heinze und blieben eher konservativ; De Rossi und Simplicio standen eim 3-4-3 zentral davor, Borini nahm nach Linksaußen und hängende Spitze nun auf der rechten Seite seine dritte verschiedene Position ein, und Krkic unterstützte Totti vorne.
Das machte die Roma natürlich auf den Flügeln extrem verwundbar und nach einem schnellen Vorstoß von Lazio über Linksverteidiger Garrido wäre beinahe das 3:1 gefallen. Die zwei nun sehr tief stehenden Viererketten von Lazio luden den Druck geradezu ein, aber es gelang bis auf eine Kopfball-Chance gut, Totti und Krkic zu isolieren.
Erst, als kurz vor Schluss auch Lazio-Rechtsverteidiger Scaloni ausgeschlossen wurde, kam die knappe Führung noch einmal ins Wanken. Die Roma hätte nicht nur wegen den Drucks in der Schlussphase den Ausgleich noch verdient. Er fiel aber nicht mehr.
Fazit: Glücklicher Lazio-Sieg trotz 79 Minuten Überzahl
„Euer Projekt ist wie die das der Brücke von Messina – es wird nie realisiert“, spotteten die Lazio-Fans auf einem Spruchband. Und nicht nur wegen dem zweiten Derby-Sieg in dieser Saison hat der hellblaue Teil der Stadt derzeit die Nase vorne, sondern auch, weil Lazio mit diesem Erfolg auf einen Champions-League-Platz springen konnte.
Und doch ist bei der Roma auch nach der bitteren Derby-Niederlage nicht alles schlecht. Insgesamt war man nur elf Minuten mit gleich vielen Spielern auf dem Feld wie der Stadtrivale, dennoch zeigte man sich als die spielerisch bemühtere Mannschaft, die Unterzahl war kaum merkbar und der Lazio-Sieg ist als glücklich zu bezeichnen.
Was zeigt: Der Weg, den die Roma mit Luis Enrique und seiner Art, Fußball spielen zu lassen, kann durchaus von Erfolg gekrönt sein, vor allem in einer Liga wie der Serie A, in der die meisten Mannschaften ihre Spielweise ganz klar auf Reaktion statt auf eigene Initiative ausgerichtet haben. Das größte Problem ist in dieser ersten Saison nicht das grundsätzliche Können, sondern die Konstanz. Es wird sich zeigen, ob Klub-Boss Di Benedetto mit seinem spanischen Trainer die nötige Geduld hat.
(phe)