Der große Clasico-Vierteiler, Folge 4: Barcelona schaukelt’s über die Zeit

Ein letztes Mal in dieser Saison kreuzten diese beiden Teams die Klingen – und im Grunde war diese Partie sportlich ähnlich bedeutungslos wie jenes in der Liga zweieinhalb Wochen zuvor: Barça war praktisch durch und für Real ging es nur noch darum, sich halbwegs aus der Affäre zu ziehen. Das gelang nur teilweise.

FC Barcelona - Real Madrid 1:1

Barcelona wusste: Im Normalfall kann nichts mehr passieren, es ging eigentlich nur noch darum, dieses Spiel halbwegs unbeschadet zu überstehen. Und so verwundert es nicht, dass es den Katalanen erst einmal am allerletzten Drive nach vorne fehlte. Und nicht nur das: Real störte die Kreise der Blaugrana wieder deutlich früher als im Hinspiel, ohne dabei allerdings übertrieben böse oder gehässig zu Werke zu gehen. Man hat es kaum noch für möglich gehalten, aber das war bis zu einem gewissen Grad tatsächlich ein Fußballspiel.

Real, diesmal wegen Mourinhos Sperre betreut vom langjährigen Innenverteidiger und jetzigen Co-Trainer Aitor Karanka, versuchte sich eben realtiv hoch stehend an einem Pressing, lediglich Kaká wirkte wie ein völliger Fremdkörper. Verglichen mit dem, was Özil für das Spiel der Madrilenen bringt, erscheint es wie eine Erinnerung aus der Steinzeit, dass Kaká tatsächlich mal ein Weltklasse-Fußballer war. Natürlich, seine Verletzungen haben ihn deutlich zurückgeworfen, dennoch ist es irgendwie traurig, diesen Schatten von Kaká über den Platz traben zu sehen.

Was bei den Madrilenen sehr gut funktionierte war vor allem das defensive Mittelfeld. Lassana Diarra brachte eine enorme körperliche Präsenz auf den Platz, und erinnerte dabei zumeist eher an den kontrollierteren Khedira als den wilden Pepe. Xabi Alonso stand deutlich höher als sein Kollege und fügte sich oftmals in die offensive Kette ein, was aus der Formation von Real mitunter ein 4-1-4-1 machte. Mit dem Haken, dass Kaká ja nicht so richtig teilnahm.

Barça stellt auf Direktspiel-Modus um

Barcelona ließ das eine halbe Stunde ohne großen Zug zum Tor über sich ergehen und drehte dann fast von einer Minute auf die anderen massiv an der Daumenschraube. Angetrieben von einem nun extrem umtriebigen Messi stieg das Bemühen, mit so wenigen Pässen und so schnell wie möglich vor das gegnerische Tor zu kommen, dramatisch an. Barça presste nun äußerst aggressiv mit jeweils zwei Mann auf den ballführenden Madrilenen, und war die Kugel mal da, ging’s blitzschnell nach vorne. Die logische Folge: Chancen im Minutentakt. Auch, weil sich vor allem Cristiano Ronaldo nur, vornehm ausgedrückt, halbherzig um die Defensivarbeit gegen den nach innen ziehenden Dani Alves kümmerte.

Unfassbares Detail am Rande: Xavi hatte in der ersten Halbzeit alleine 102 Ballkontakte. Der Vorwärtsgang bei Barça erlahmte nach dem Seitenwechsel allerdings wieder etwas: Die Hausherren ließen Real wieder mehr spielen und versuchten sie, herauszulocken. Defensiv hatte man weiterhin kaum Probleme – Puyol hatte Di María gut im Griff und Kaká wurde aus welchen Gründen auch immer nicht ausgewechselt – und vorne kam ein blitzgescheiter Pass von Iniesta auf den eben nicht im Abseits stehenden Pedro an, und der versenkte zum 1:0.

Bei Real kommt der Frust durch

Die Entscheidung – waren zuvor zwei Tore, um in eine Verlängerung zu kommen, noch halbwegs realistisch vorstellbar gewesen, waren nun drei Treffer in einer halben Stunde eher Utopie, zumal Real auch zuvor nur einmal wirklich vor das Tor von Victor Valdes gekommen waren. So kam bei den Madrilenen in der letzten halben Stunde dann doch wieder vermehrt der Frust durch – Carvalho hätte schon vor der Pause zweimal vom Platz fliegen müssen, Marcelo in dieser Phase nach einem Attentat von hinten auf Messi ohne jegliche Chance auf den Ball ebenso, und kurz vor dem Schluss hat sich auch Lassana Diarra mit einem fiesen Tritt gegen Pedro noch äußerst nachhaltig für einen vorzeitigen Abgang beworben.

Da Referee De Bleeckere aber offenbar wild entschlossen war, nur bloß niemanden auszuschließen, ließ er alle drei leben – seine Bewertung wird eine Katastrophe werden, aber zumindest kann sich Mourinho nicht beschweren, diesmal den Schiedsrichter gegen sich gehabt zu haben. Diese massiven Fehlentscheidungen gleichen das nicht gegebene Tor zu Beginn der ersten Halbzeit (als ein gefoulter Ronaldo unglücklich auf Mascheranos Ferse fiel) mehr als aus.

Auch nach Rückstand kein letztes Risiko

So richtig auf’s Ganze wollte Karanka aber auch nach dem Rückstand nicht. Unmittelbar nach dem Gegentreffer kam Adebayor für den dezenten Higuaín, und erst nach einer Stunde wurde die Mannschaft von Kaká erlöst. Özil, der für den Brasilianer kam, ging zunächst auf die rechte Seite, Ronaldo ins Zentrum und Di María auf links. Viel gebracht hat diese Maßnahme aber auch nicht: Auch Özil kam gegen Puyol nicht zurecht.

Aus der Not, keinen Linksverteidiger zu haben, der 90 Minuten gehen kann (immerhin kam am Ende noch Abidal nach seiner Operation zu einem Comeback), generierte Guardiola sogar einen Vorteil: Der Innenverteidiger Puyol, der ja vor allem zu Beginn seiner Karriere oft auf die Seite ausweichen musste, montierte seine Gegenspieler auf der Flanke komplett ab. Nachteil bei der ganzen Sache: Villa vorne fehlte es massiv an der Hilfe von hinten, weshalb dieser komplett in der Luft hing. Barça konnte es verschmerzen.

Fazit: Barcelona hochverdient weiter

Pep Guardiola machte vier Spiele lang nichts, was man nicht von seinem Team kennen würde – er schob nur die Spieler in seinem System hin und her, wie es die Verletztenliste halt gerade verlangte. Real spielte in diesem vierten Spiel erstmals so, wie die Madrilnenen über diese Saison sonst immer aufgetreten waren: Mit einem 4-2-3-1 und dem Versuch, hoch zu stehen, über die schnellen Flanken nach vorne zu kommen und mit Präsenz und Übersicht im Zentrum das Spiel an sich zu reißen.

Womöglich hätte das mit dem agilen Özil statt des Bremsklotzes Kaká besser funktioniert, aber ob es gereicht hätte, den 0:2-Rückstand aus dem Hinspiel aufzuholen? Kaum. Barcelona war über die vier Spiele das klar bessere Team und steht daher auch hochverdient im Finale von Wembley.

Und irgendwie ist es auch gut, dass es mit der Clasico-Serie jetzt mal vorbei ist.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.