Südafrika 2010 – Tag 3 | Zug zum Tor sieht natürlich anders aus, aber die Algerier zeigten mit großer Flexibilität und Ghana mit extremer Disziplin, dass das Klischee von den taktisch schlechten Afrikanern nicht mehr stimmt. Und die Deutschen etablieren sich als Co-Favorit.
Algerien – Slowenien 0:1 (0:0)
Der Jonás Gutiérrez dieses Tages heißt Nadir Belhadj – der nominelle Linksverteidiger übernahm im 4-3-3, in dem die Algerier begannen, auch die Agenden im linken Mittelfeld, zeigte ziemlichen Offensivdrang. Besonders effektiv war dies jedoch nicht. Wie generell aus dem Spiel heraus die Torgefahr äußerst überschaubar war und die Algerier nicht so richtig zum Zug kamen. Nach etwa 20 Minuten stellte Saâdane auf ein 4-4-1-1 um: Kadir ging ein paar Schritte zurück und übernahm das rechte Mittelfeld, Matmour wechselte von Linksaußen mehr in die Zentrale hinter der einzigen Spitze Djebbour, und Ziani war nun nominell vor Belhadj aufgeboten.
Die Folge: Algerien fühlte sich zunehmend wohler, Belhadj hatte nun die Hilfe, die er auf seiner Seite brauchte und schon bekamen die Nordafrikaner ein spielerisches Übergewicht. Zudem merkten sie, dass die Organisation der Slowenen bei Standardsituationen keine Besondere war. Bei zwei, drei Aktionen gegen Ende der ersten Halbzeit wurde das deutlich. Das fröhliche Umstellen ging dann bei den Algerien aber weiter: Nach der Pause war’s ein 4-1-4-1, kurz darauf stand eine Dreierkette (Bougherra, Yahia, Halliche). Trotz all dieser Umstellungen schafften es die recht statischen Slowenen allerdings nie, ein Rezept zu finden. Trotz dieser vielen Systemwechsel schafften es aber auch die Algerier nie, wirklichen Zug zum Tor zu entwickeln. Gar nicht mit Djebbour, ein wenig besser mit Ghezzal bis zu seinem saublöden Ausschluss, Null von Matmour, als dieser nach vorne ging.
Die slowenischen Außen im Mittelfeld (Birsa und Kirm) kamen nie wirklich zum zug, bei den beiden Zentralen (Radosavljevic und Koren) konnten keinerlei Impulse setzen, weil das ständig rochierende algerische Mittelfeld (in der zweiten Hälfte) das Zentrum recht gut kontrollierte. Die Außenverteidiger Brecko und Jokic waren ebenso keine echten Faktoren im kaum vorhandenen slowenischen Offensivspiel. Novakovic enttäuschte vorne, wie schon in der ganzen Saison in Köln, und Dedic war überhaupt nicht ins Spiel eingebunden. Das wurde mit Ljubijankic ein wenig besser, aber nicht entscheidend. So liefen die Slowenen zwar insgesamt sechs Kilometer mehr als die Algerier, waren dadurch aber weder besser, noch torgefährlicher, noch hatten sie wirklich die Spielkontrolle über.
Umso ärgerlicher ist es für Algerien, dass die Slowenen durch ein Zufallstor gewinnen konnten, für das sie programmatisch genau gar nichts dafür können. Man hatte im Gegenteil den Eindruck, dass die gelb-rote Karte für Ghezzal die Slowenen mehr verwirrte als die Algerier selbst. Aber Afrikaner und Torhüter, jaja, ein Klischee, aber leider stimmt’s so oft halt doch. Saâdanes Poker, mit Chaouchi den Quali-Helden zu bringen, statt Einsergoalie Gaouaoui, hat sich also nicht ausgezahlt.
Fazit: Die Algerier stellten permanent um und zeigten sich dabei immer recht sicher, aber mangels Zug zum Tor wäre ein Sieg nicht verdient gewesen. Noch weniger ist dieser aber für die oft etwas hilflos wirkenden Slowenen.
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Serbien – Ghana 0:1 (0:0)
Es ist eine erste Erkenntnis dieser WM: Die Teams aus Afrika haben sich taktisch in den letzten Jahren extrem verbessert. Erfolgreichstes Beispiel ist dafür Ghana! Mit einem extrem diszipliniert vorgetragenen 4-1-4-1 raubten die Ghanaer den Serben den Nerv, ließen das hoch gehandelte Team nie wirklich zur Entfaltung kommen. Dabei war es durchaus erstauntlich, wie nahtlos sich etwa ein Kevin-Prince Boateng in die Mannschaft einfügte – er spielte in der offensiven Viererkette eine wirklich ansprechende Partie. Wie die meisten Ghaner, die mit ihrer vorderen Kette schon einen sehr undurchlässigen Riegel aufbauten, den die Serben kaum einmal durchbrechen konnten.
Freilich, besonderen Zug zum Tor kann man Ghana nicht nachsagen. Wohl auch, weil sich die Außenverteidiger Paintsil (rechts) und Sarpei (links) ziemlich zurückgehalten haben und das Mittelfeld bei eventuellen Angriffen oft auf sind alleine gestellt waren. Was diese beiden unter anderem so ein wenig zu den Schwachpunkten macht. Denn Paintsil zeigte zudem vor allem nach der Pause einige Schwächen im Zweikampf, ihm fehlt die Spielpraxis. Er hat gezeigt, warum in der Vorbereitung dort U20-Weltmeister Inkoom spielte, der schon beim Afrikacup eine gute Figur machte.
Dass Sarpei links ebenso wenig mitging, mag eine Anweisung von Rajevac gewesen sein, wirklich sinnvoll war sie aber nicht. Denn Krasić, der sein Gegenspieler hätte werden sollen, erwischte auch ohne das Zutun von Sarpei einen fürchterlichen Tag. Er ließ die rechte Seite rechte Seite sein und trieb sich permanent am Mittelkreis herum, allerdings ohne an der Seitenlinie vertreten zu werden. Auch von Ivanović kam da viel zu wenig. Krasić stellte 90 Minuten seine blonden Haare zur Schau, spielte nur Alibi-Pässe ohne jeden Vorwärtsdrang und vergab seine einzige Chance kläglich, als er Kingson frontal anschoss. Abgesehen von der Schlussphase wurden die Serben fast nur aus Standards gefährlich. Hier muss man Antić allerdings zugestehen, dass er sich einiges überlegt hat und mit einigen interessanten Spezialvarianten daherkam.
Das 4-2-2-2 der Serben fand seltsamerweise erst zu so etwas wie Torgefahr, als daraus ein 4-4-1 wurde, also nach dem Ausschluss von Luković. Danach kam Subotić statt Jovanović, der auf der linken Seite Krasić ziemlich imitierte, und der zuvor bereits gebrachte Lazović ging auf die linke Seite. Plötzlich lief das Werk und die Serben kamen zu einigen Chancen. Dass das wirklich extrem dämliche, weil ebenso offensichtliche wie unnötige Handspiel von Kuzmanović letztlich den Elfmeter zur späten Entscheidung für Ghana brachte, ist in der an sich guten Schlussphase der Serben dann natürlich bitter – aber folgerichtig. Denn im serbischen Strafraum hätte Ghana noch viel größeren Schaden anrichten können, angesichts der überschaubaren Leistung von Vidić. Der segelte an diversen Kopfbällen vorbei und stellte sich zuweilen im Stellungsspiel und im Zweikämpf recht ungeschickt an. Kennt man so von ihm gar nicht.
Fazit: Ghana zeigte sich taktisch extrem diszipliniert und zog den Serben so schnell den Nerv. Der Sieg kam zwar letztlich glücklich zu Stande, ist aber nach dem Spielverlauf hochverdient.
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Deutschland – Australien 4:0 (2:0)
Ohne nominellen Stürmer – so ein bissi feig kamen die Australier doch daher. Im Endeffekt war es ein recht klassisches 4-4-2, mit Cahill und Garcia in der Spitze, die allerdings (abgesehen vom Eckball gleich zu Beginn) in dieser Funktion nicht viel zu melden hatten. Was sie mit ihren Kollegen gemeinsam hatten, die allesamt von einer bärenstarken deutschen Mannschaft doch ein wenig vorgeführt wurden.
Vor allem die linke australische Abwehrseite. Chipperfield und Culina standen den Tempoeinlagen von Lahm und dem vor Selbstvertrauen nur so strotzenden Thomas Müller völlig hilflos gegenüber und wurden mitunter beinahe im Minutentakt regelrecht verarscht. Kein Zufall, dass das 1:0 von traumhaft von Müller, das 2:0 ebenso sehenswert von Lahm aufgelegt wurde und der kaum zu stoppende Müller in seinem exakt vierten Länderspiel das 3:0 mit einer Coolness, als ob er schon 100 internationale Einsätze auf dem Buckel hätte, selbst erzielt hat. Besser geht’s kaum.
Was auch für Bastian Schweinsteiger gilt, der einen präsenteren Quaterback gibt, als das Ballack zuweilen (vor allem in wichtigen Spielen) war; Khedira neben ihm ist dafür zuständig, beim Gegner für Unruhe zu sorgen und vor allem, Özil den Rücken frei zu halten. Gegen die langsame Altherren-Combo aus Australien war das auch kein allzu großes Problem. Und das Phänomen, dass Podolski ein ganz anderer ist, wenn er das DFB-Trikot trägt, ist ohnehin keine allzu neues. Sogar Klose durfte sich (nach zwei eher kläglich vergebenen Chancen) auch mal wieder über ein Tor freuen.
Aber es wurde auch die eine oder andere deutsche Schwäche offenbart – vornehmlich, dass die Innenverteidigung mit Mertesacker und Friedrich nicht allzu beweglich ist und von kleinen, wendigen Spielern durchaus vor gröbere Probleme zu stellen ist. Das war sicherlich der Hintergedanke von Aussie-Teamchef Verbeek, als er den wuseligen Cahill in die Spitze stellte, ging aber mangels Hilfe der restlichen Mannschaft nicht auf. Im Viertelfinale gegen Argentinien wird das sicherlich ganz anders aussehen, wenn es gegen einen Messi geht. Und ja, vorher dürften weder die Argentinier noch die Deutschen ernsthaft gefordert werden, wird die Form der jeweiligen Auftaktspiele gehalten.
Die Australier zeigten gegenüber den leidenschaftlichen Auftritten vor vier Jahren die erwarteten altersbedingten Schwächen. Vor allem LV Chipperfield stand völlig neben sich; die deutsche Offensive hatte mit dem schon leicht eingerosteten IV-Duo Neill/Moore einen Heidenspaß. Zudem genoss Özil die Freiräume, die er sich durch seine Schnelligkeit gegenüber den beiden Sechsern Valeri und Grella erarbeiten konnte. Kurz gesagt: Die Deutschen waren den Australiern in allen Belangen klar überlegen.
Fazit: Das (für den ganz großen Wurf wohl noch zu junge) deutsche Team zeigte, was für ein Potential es hat. Die Australier sind nur noch ein Schatten ihrer selbst und werden in dieser Gruppe keine Chance haben.
(phe)