Schweden ging als klarer Punktsieger in die Pause, danach stellte ein österreichischer Doppelschlag aus dem Nichts den schwedischen Plan komplett kalt: Nach dem 3:1-Sieg in Stockholm ist das EM-Ticket für das ÖFB-Team noch nicht rechnerisch fix, aber in der Praxis kann die dritte EM-Teilnahme in Folge als gesichert betrachtet werden.
Anders als beim missratenen Test gegen Moldawien rotierten sieben Spieler raus, Rangnick setzte auf sein gewohntes 4-2-2-2 und die Besetzung des Mittelfeld-Zentrums mit Schlager und Seiwald ließ schon die Marschroute erkennen: Rangnick erwartete die Schweden in deren Spiel der allerletzten Chance angriffig und robust. Rangnick opferte den eigenen Aufbau – Schlager und Seiwald sind kampfstarke Ballgewinner, aber keine Kreativspieler – zugunsten von Umschaltmomenten.
Schweden nach vorne aggressiv
Tatsächlich pressten die Schweden hoch an, was die österreichische Spieleröffnung quasi verunmöglichte. Verlegenheitspässe auf die Außenbahnen oder lange Bälle waren eher das Mittel der Wahl. Kontrolliert nach vorne kam das ÖFB-Team kaum, es gab zwei, drei Halbchancen, aber wenig Zwingendes.
Gut möglich, dass genau diese Herangehensweise aber ohnehin Teil der Strategie war – nämlich, die Schweden herauszulocken, um selbst die Umschaltmomente nützen zu können. Tatsächlich wurde auch ohne unmittelbaren Gegnerdruck schnell der vertikale Pass nach vorne gesucht. Dabei standen sich die beiden Spitzen Gregoritsch und Arnautovic aber zuweilen gegenseitig im Weg und das Mittelfeld war nicht schnell genug aufgerückt, um zweite Bälle zu erobern. Oft waren diese Pässe auch einfach zu ungenau.
Forsberg rückt ein
Gleichzeitig verzichtete Österreich weitgehend auf ein eigenes Angriffspressing, weil die Schweden ohnehin die Bälle lange nach vorne droschen – Pressing ist da kontraproduktiv, da hat man lieber die eigenen Leute hinten, wo die Bälle hinkommen. Nur gewann Österreich auch in diesem Bereich kaum zweite Bälle, womit sich die Schweden immer wieder im Angriffsdrittel festsetzen konnten und zu einigen guten Chancen kamen.
Das lag auch daran, dass Forsberg aus dem schwedischen 4-4-2 von der linken Seite in den Angriff zu Isak und Gyökeres ging. Posch hatte die Option, mitzugehen und die Außenbahn verwaist zu lassen oder draußen zu bleiben, womit die Schweden bei den langen Bällen eine 3-gegen-2-Überzahl gegen die ÖFB-Innenverteidigung hatten. Posch entschied sich für erstere Variante, eine Führung der Schweden lag phasenweise in der Luft und sie wäre auch verdient gewesen.
Das 0:0 zur Halbzeit schmeichelte Österreich.
Der entscheidende Doppelschlag
Rangnick gab im Interview nach dem Match an, dass für seinen Geschmack zu wenig offensiv über die Außenbahnen gespielt wurde und das ihm die Positionierung von Gregoritsch nicht gefiel. Der Freiburg-Stürmer agierte nach dem Seitenwechsel tatsächlich spürbar hinter Arnautovic und die Außenverteidiger versuchten, sich mehr einzuschalten. Grundsätzlich änderte sich am großen Ganzen in den ersten sechs Minuten der zweiten Halbzeit aber nichts.
Dann verteidigten die Schweden einen simplen Einwurf schlecht und Gregoritsch nickte zum 1:0 ein, genau 2:43 Minuten später legte Arnautovic das 2:0 nach, nachdem die Schweden einen Ball nicht aus dem eigenen Strafraum bekommen hatten. Mit diesem Doppelschlag war die schwedische Strategie obsolet, weil Österreich nun ganz anders agieren konnte.
Ratlose Schweden sind geschlagen
Denn anstatt nun nach Ballgewinnen sofort den Pass in die Spitze zu suchen, konnte Österreich nun von weiter hinten aus agieren, stand damit kompakter. Damit verstärkte man die fehlende Kreativität der Schweden, bei denen rasch danach auch Forsberg ausgewechselt wurde. Nicht, dass dieser eine besonders starke Leistung gezeigt hätte, aber mit Karlsson statt ihm waren die Hausherren noch eindimensionaler.
Ein Energieanfall von Mwene in der 68. Minute wurde mit einem Elfmeter und dem 3:0 belohnt, der Neo-Mainzer war offensiv nach der Pause sichtbarer gewesen, nachdem er zuvor vor allem damit beschäftigt gewesen war, Kulusevskis Vorwärtsdrang zu bremsen. Wenig später durfte Wöber statt Mwene weitermachen, Wimmer kam für Arnautovic. Den Schweden fiel weiterhin nichts ein, auch mit neuem Personal: Claesson und Holm kamen statt Cajuste und Wahlqvist, Gustafsson für Ekdal, Quaison für Isak. Effekt: Null.
Die letzte halbe Stunde des Spiels war ein ordentliches Nicht-Event, das Tempo war raus, interessante Aspekte gab es nicht mehr. Die Zuschauer waren längst dabei, das Stadion zu verlassen. Den späten 1:3-Ehrentreffer durch Holm bekamen die meisten Stadionbesucher schon gar nicht mehr mit.
Fazit: Vom Spielverlauf profitiert und bei EM dabei
Immer wieder wurde das 4:1 von vor acht Jahren an gleicher Stelle zitiert. Das Resultat von 2023 war sehr ähnlich jenem von 2015, das Spiel war es nicht. Damals hatte Österreich von der ersten Minute an das Match inhaltlich diktiert, die Schweden geradezu erstickt und dass das ÖFB-Team gewinnen würde, war damals nie im Zweifel gestanden.
Diesmal hatten die Schweden 52 Minuten lang klare Vorteile, sie hatten das Spielgeschehen im Griff und auch die Torchancen, um mit einer Führung in die Pause zu gehen. Dass man mit dem 0:0 gut bedient war, gestand danach auch Rangnick ein. Er mag in der Kabine auch grundsätzlich die richtigen Stellschrauben gedreht haben, aber die eigentliche Entscheidung brachte der Doppelschlag in der 53. und 56. Minute: Diese änderten die komplette Statik der Partie.
Schweden mag die Mittel gehabt haben, Österreich am Aufbau zu hindern, gegen einen halb aufrückenden Gegner Überzahl im Angriffszentrum herzustellen und die Außenverteidiger zu isolieren. Aber Schweden hatte selbst in besten Zeiten kaum die Mittel, gegen einen solide stehenden Gegner von insgesamt höherer Klasse einen 0:2-Rückstand aufzuholen, geschweige denn ein 0:3. Und in den besten Zeiten befindet sich Fußball-Schweden aktuell beileibe nicht.
Nichtsdestotrotz: Das 3:1 von Stockholm besiegelt nach menschlichem Ermessen das EM-Ticket, nach Koller 2016 und Foda 2021 wird nun Rangnick 2024 das ÖFB-Team zur Endrunde führen.