Seit etwas mehr als vier Jahren werkt Red Bull nun in Salzburg. Auf nationaler Ebene mit zwei Titeln und zwei Vizemeisterschaften durchaus erfolgreich – aber international doch weitgehend ohne die erhoffte Durchschlagskraft. Gegen Teams, die an guten Tagen in Reichweite sein müssten – Blackburn, AEK Athen, Donetsk -, gab es kein Vorbeikommen. Wie nachhaltig die jüngsten Erfolge (also der pure Glückssieg in Rom und das erfreuliche 2:0 gegen Villarreal) sind, wird sich schnell zeigen, denn in den beiden folgenden Spielen gegen Levski Sofia sind die Bullen nun erstmals in dieser Gruppenphase Favorit. Und wann immer sich die Bullen als Favorit sahen – also gegen die Bohemians vor allem, aber auch gegen Maccabi Haifa – schwankten die Leistungen zwischen Peinlichkeit und Desaster.
Wie auch die Führung der Salzburger in den letzten Jahren nicht gerade den Eindruck erweckte, schnell an die europäische Mittelklasse andocken zu können. Das war ein ständiges Vor und Zurück, ein ständiges Kommen und Gehen, ein ständiges Herumlavieren in Strategiefragen. Erst die Geschäftsführer Kurt Wiebach und Helmut Sandrock, dann die Sportdirektoren Oliver Kreuzer und Heinz Hochhauser; dazu die Trainerrochaden von Kurt Jara über Giovanni Trapattoni (mit und ohne Lothar Matthäus) und Co Adriaanse bis Huub Stevens; vom österreichischem Weg (im ersten Jahr standen im Schnitt sieben Einheimische auf dem Platz) zum ausländischen (später mitunter gar keiner mehr); von altfaderischem 4-4-2 mit Doppelsechs und ein feiges 4-3-2-1 ohne Offensivspiel über einen Turnaround zum 4-3-3 Marke „vorne treffen, hinten beten“ zurück zum 4-2-3-1 mit einem Spaßfaktor gleich Null.
Und all das in nur wenig mehr als vier Jahren. Gratulation, das schlägt an Tempo fast die Austria zu wilden Stronach-Zeiten.
Darum muss man kein Prophet sein um sehen zu können, dass die Verpflichtung von Dietmar Beiersdorfer als übergeordnetem Sportkoordinator für alle Red-Bull-Fußballprojekte (also die Teams in Salzburg, Leipzig, New York und Sao Paulo und die Akademien in Afrika und Südamerika) wohl die letzte Chance ist, doch noch so etwas wie eine sinnvolle, kontinuierliche Arbeit zu etablieren, die einen Zeithorizont von einem oder zwei Jahren überdauert. Und genau das wäre notwendig.
Beiersdorfer ist der erste Sportdirektor bei den Bullen, der über echte Erfahrung auf dem internationalen Parkett verfügt. Der erste, der weiß, wie es in den wirklich großen Ligen und bei den wirklich großen Vereinen Europas zugeht. Oliver Kreuzer hatte diese Funktion zuvor beim Schweizer Branchenführer FC Basel inne, Heinz Hochhauser war als bodenständiger Trainer ain Österreich bekannt gewesen – den großen Wurf auf dem Management-Posten stellten sie aber beide nicht dar.
Mit dem neuen Mann auf der operativen Kommandobrücke installiert Red Bull nun erstmals einen Mann, der nicht nur für eines der Projekte verantwortlich zeichnen soll, sondern die (dringend notwendigen) Synergien schaffen kann. Was auch nicht so blöd wäre: Denn die besseren aus der Erste-Liga-Mannschaft statt in der österreichischen Regionalliga in der deutschen spielen zu lassen, sofern das Team aus Leipzig aufsteigt, wäre da sicherlich eine Möglichkeit. Ja, es wäre „nur“ die vierte Spielklasse, deckt aber den kompletten Osten und den kompletten Norden Deutschlands ab, was bei der sportlichen Dichte bei unseren Nachbarn eine De-Facto-Profiliga notwendig macht. Somit ist die deutlich hochwertiger als unsere eher strukturschwache erweiterte Landesliga, die sich Regionalliga West nennt – und in die müssen die Jungbullen nach dieser Saison zurück.
Um sich mittel- bis langfristig in der europäischen (zumindest) Mittelklasse zu etablieren, bedarf es nun aber endlich einmal auch ein wenig Geduld. Beiersdorfer hat beim HSV gezeigt, dass er einen Verein deutlich nach vorne bringen kann (als er nach Hamburg kam, war der HSV gerade mal so dem Abstieg entronnen), aber auch, dass das nun mal eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Eine gewisse Zeit, in der man auch die Grundstrategie (und ein Beiersdorfer hat so etwas, im Gegensatz zu dem damit sichtlich überforderten Hochhauser) eisenhart festhalten muss, auch wenn der Erfolg einmal ausbleibt. Die eigentliche Herausforderung wird für die Bullen also darin bestehen, nicht wieder einmal alles umzudrehen, sollte es in der Endabrechnung einmal nur der dritte Platz sein. Misserfolge gehören dazu, wenn man sich oben etablieren will – denn nur so lernt man, dass Siege nicht selbstverständlich sind.
Auch auf nationaler Ebene. Die Verpflichtung von Dietmar Beiersdorfer ist eine überaus richtige Entscheidung. Aber sie wird auch zur Nagelprobe – denn wenn es ein renommierter Mann wie Beiersdorfer nicht schafft (oder man es ihn nicht schaffen lässt), das Optimum aus den Bullen herauszuholen, dann schafft es keiner.
Jetzt oder nie.
(phe)