0:3 gegen Sturm – die Austria ist voll zurück in der Krise! Der enttäuschende Saisonverlauf mit erst drei Siegen nach 14 Spielen ist aber alles andere als Zufall. Sie ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der moderne Pressing- und Umschaltfußball mit hoher Abwehr-Linie, den Baumgartner spielen lässt, ganz einfach nicht zum vorhandenen Spielermaterial passt.
Pressing-Fußball mit schnellem Umschalten und einer hohen Abwehrlinie – so will Gerald Baumgartner spielen lassen. Was ihm mit Regionalligist Pasching den Cup-Sieg und Platz zwei in der Meisterschaft (hinter dem LASK) einbrachte, sollte auch in der Bundesliga zum Erfolg führen. Nach 14 Spieltagen aber hat die Austria nur drei Siege auf dem Konto und erst 16 Punkte. Dafür haben nur drei Teams mehr Gegentore kassiert. Was so alles falsch läuft, deckte Sturm eindrucksvoll auf.
Grundsätzliche Spielanlage
Die Austria begann gegen Sturm sehr aggressiv und mit einem deutlichen Linksdrall (Meilinger spielte eher einen zusätzlichen Zehner als einen Rechtsaußen), womit die Wiener Überzahl im Zentrum und klares Übergewicht über die linke Seite von Daniel Royer hatten. Aus dem nominell defensiven Mittelfeld schob vor allem Flo Mader weit nach vorne und unterstützte die vorderste Pressing-Linie.
Die beiden Innenverteidiger Sikov und Rotpuller spielten sehr breit, sodass die Außenverteidiger (Suttner-Vertreter Salamon links, Stryger-Vertreter Koch rechts) nach vorne schieben konnten. Allerdings gab es kaum eine Absicherung aus dem defensiven Mittelfeld, weil Holland so gut wie nie nach hinten rückte. So musste Lindner oft weit vorm Tor stehen und hätte (in der Theorie) einen Libero frei nach Manuel Neuer spielen müssen.
Die Folge waren gute Chancen in der Anfangsphase, aber auch einiges Risiko, wenn der Ball verloren ging. Denn die Austria kam nie richtig ins Gegenpressing, sodass Sturm nach einer kurzen Orientierungsphase in den ersten zehn Minuten recht gut so umschalten konnte, dass sich nur noch die Abwehrkette der Austria entgegen stellte.
Umschalten von Offensive auf Defensive
Das war das erste, große violette Problem. Ein nennenswertes Umschalten von Offensive auf Defensive gab es nur von der Abwehrkette. Weder die Mittelfeld-Außen noch Holland und Mader im Zentrum rückten zurück – das war etwa ein mit-entscheidender Faktor für das 0:1. Niemand bei der Austria fühlte sich nach einem Ballverlust in der Vorwärtsbewegung bemüßigt, Überzahl im Strafraum herzustellen, und Stankovic nützte dies dann aus.
Dieses Nicht-Vorhandensein eines Schließens der Reihen nach Ballverlust war ein wiederkehrendes Thema. Nach dem Führungstor der Grazer konnte sich Sturm mehr darauf verlegen, die offensiven Passwege der Austria zu kappen, dazu stellte man sich in einem 4-4-2 auf und machte die Räume eng. Diese Formation erlaubte es zudem, die Austria-Viererkette 1-gegen-1 anzupressen: Schick auf Salamon, Stankovic auf Rotpuller, Djuricin auf Šikov und Beichler auf Koch.
Das war vor allem deshalb so effektiv, weil weiterhin niemand aus dem Austria-Mittelfeld zum Helfen kam. So führte ein von Schick erzwungener Salamon-Fehlpass zum 2:0 für Sturm schon vor der Pause.
Šikov ist viel zu langsam
Will man mit hohes Pressing spielen, braucht es eine hohe Verteidigungslinie, und dafür braucht es entsprechend schnelle Innenverteidiger. Das Fehlen eines solchen führte etwa bei Ried am Saisonstart zu Gegentoren am laufenden Band, ehe dort Trainer Glasner die Linie wieder massiv nach hinten schob – drei der letzten fünf Spiele beendete Ried ohne Gegentor.
Immer wieder wurde bei der Austria gegen Sturm deutlich, dass hier das gleiche Problem vorherrscht, vor allem mit Vanče Šikov. Es ist sicherlich kein Zufall, dass gerade der schnelle Djuricin sich immer wieder den Zweikampf mit dem Mazedonier suchte. Wie Djuricin Šikov davon lief, war erschütternd. Dennoch stand die Austria mit den Innenverteidigern auch nach dem Seitenwechsel nicht selten auf Höhe Mittellinie. Was mit diversen ungleichen Laufduellen führte und in logischer Folge zum 0:3.
Šikov ist groß, robust und kopfballstark. Gute Attribute für einen Strafraum-Innenverteidiger. Der ist bei der Spielanlage, wie sie Baumgartner spielen lässt, aber nicht gefragt.
Schwierigkeiten im Aufbau
Die eklatanten Schwächen im mannschaftstaktischen Defensivverhalten wären noch halbwegs zu verschmerzen, wenn es wenigstens vorne genug Tore gäbe, um das auszugleichen. Aber 16 Tore in 14 Spielen sind dafür natürlich nicht annähernd genug. Das liegt aber nicht so sehr an Sturmspitze Omer Damari – fünf Tore in zehn Spielen sind ganz okay – sondern mehr daran, dass zu wenig taugliche Bälle den Weg in den Strafraum finden.
Das liegt zu einem großen Teil am Fehlen eines Spielers, der aus dem Mittelfeld heraus den „tödlichen Pass“ spielen könnte. Denn Alex Grünwald trägt zwar die Nummer zehn, aber ein Zehner von Bundesliga-Format ist er nicht. Nicht nur, dass er gegen Sturm eine erschreckende Fehlpass-Quote an den Tag legte und nach einer Stunde völlig zurecht ausgewechselt wurde. Nein, auch eine andere Bilanz spricht gegen Grünwald:
Ein einziger Assist in 14 Bundesliga-Saisonspielen.
Fazit: Kader passt nicht zur Philosophie
Gerald Baumgartner will eine hohe Linie spielen – hat aber in Šikov einen langsamen Strafraum-Innenverteidiger. Dennoch lässt er die IV auseinander schieben, ohne Absicherung aus dem zentralen Mittelfeld, weil Holland und vor allem Mader vorne den Gegner anpressen sollen. Das ist ein ziemlicher Gamble, der nicht aufgeht.
Dazu braucht es gerade nach schnellen Ballgewinnen, wie es durch den Pressing-Fußball angestrebt wird, Spieler, die gedankenschnell das Spiel in den richtigen Bahnen nach vorne lenken. Das aber kann Alex Grünwald schon die ganze Saison nicht zeigen. Andererseits kam der größte Sieg in dieser Saison, das 3:2 in Salzburg, in einem Spiel, in dem die Austria in einem 4-1-4-1 defensiv stand, die Ketten zusammenschob, die Räume so eng machte und über die schnellen Flügelspieler (Meilinger und Royer) konterte.
Die moderne Spielanlage mit hoher Linie, flinkem Umschalten und gedankenschnellen Spielern, die Baumgartner vorschwebt, passt schlicht und einfach nicht zum verfügbaren Spielermaterial. Dass es auch im November noch nicht funktioniert, ist kein Zufall und ist auch längst nicht mehr mit Anlaufschwierigkeiten zu erklären. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, sich zu stabilisieren: Entweder, Baumgartner passt den Spielstil dem Kader an, oder die Austria rüstet im Winter so nach, dass der Kader zu Baumgartners Philosophie passt.
Vorausgesetzt natürlich, Baumgartner ist im Winter überhaupt noch Austria-Trainer. Ist keine Selbstverständlichkeit.