Mit einem 1:0 in Baku macht das ÖFB-Team den letzten Schritt und fixiert die Teilnahme an der EM 2024 auch rechnerisch. Angesichts des von Verletzungen ziemlich gerupften Kaders blieb nur eine Rumpftruppe übrig, die eine Halbzeit – ähnlich wie gegen Moldawien – ziemlich aneinander vorbei spielte. Nachdem einige zunächst zurückgehaltene Stammkräfte eingewechselt wurden, brachte ein Elfmeter-Tor die Wende, schön wurde es aber bis zum Ende nicht.
Das Personal
Zu Alaba, Arnautovic, Posch, Mwene, Trauner und Oniwiso gesellten sich auch Gregoritsch und Danso, die wegen Blessuren nicht im Flieger nach Baku saßen. Mit Prass (links) und Seiwald (rechts) begannen jene beiden Sechser/Achter, die gegen Belgien am Ende dort postiert waren, positionsfremd als Außenverteidiger im 4-1-4-1, Romano Schmid bildete mit Xaver Schlager das Mittelfeld-Duo vor Grillitsch, Flo Kainz begann links offensiv und Sasa Kalajdzic ganz vorne; Wöber verteidigte neben Lienhart.
Auf der Bank nahmen zunächst Sabitzer, Baumgartner und Wimmer Platz, das sollte noch wichtig werden. Die Vermutung liegt nahe, dass Rangnick diese zunächst bewusst zurück hielt, um im Falle des Falles Qualität nachschießen zu können.
Die erste Halbzeit
Eine gute Abstimmung ist im modernen, schnellen Fußball zur Grundvoraussetzung geworden – darum war auch das offensiv bewusst viel auf Improvisation basierende Spiel unter Foda so ungenau, langsam und chaotisch. Beim Rangnicks Pressing-Spiel ist diese Eingespieltheit umso wichtiger, weil die Strukturen hinter der Pressingwelle ebenso wie die Laufwege nach Ballgewinnen exakt sitzen müssen, um schnell vor das Tor zu kommen.
Dieser Truppe, die nie vor dem Match in Baku so zusammen gespielt hat und das auch nach Baku nie wieder tun wird müssen, fehlte all das logischerweise völlig. Die Laufwege passten oftmals nicht zu den gespielten Pässen, schnelle Kombinationen waren unmöglich. Hinzu kam, dass die Azeris in ihrem 3-4-1-2 mit den drei Offensivspielern recht geschickte Deckungsschatten stellten. Eine kurze Eröffnung auf Grillitsch war damit kaum möglich, lange Pässe kamen selten an und die Außenspieler wurden von den schnell im Block verschiebenden Azeris rasch isoliert.
Allenfalls über die rechte Angriffsseite über Laimer gelang es einige Male, zur Grundlinie zu kommen und von dort in den Strafraum zu flanken. Links setzte Kainz seine schwache Köln-Form fort; Schmid war bemüht, setzte aber kaum Akzente und Prass ließ einige Schwächen in der defensiven Zweikampfführung erkennen – aus diesen resultierten auch gefährliche Angriffe der Azeris.
Einziger auffälliger Pluspunkt war Sasa Kalajdzic, der als Zielspieler vorne in einigen Aktionen erkennen ließ, warum er vor seiner Verletzung schon drauf und dran war, wichtige Stammkraft zu werden: Er machte viele Bälle fest, hielt sie und ließ Mitspieler aufrücken und verteilte die Kugel auch auf engem Raum oft mit guten Ideen.
Die zweite Halbzeit
Dieses Trio blieb auch in der Kabine, in die es nach einer sehr zähen ersten Halbzeit mit 0:0 gegangen war. Rangnick stellte mit Baumgartner und Wimmer eine neue Flügelzange auf (Wimmer begann links, ging dann nach rechts); Sabitzer und Laimer gaben die Achter und Xaver Schlager – ja, Schlager – durfte nun den Linksverteidiger geben.
Wie viel Einfluss die neue Besetzung gehabt hätte, wäre es länger 0:0 gestanden, ist unmöglich zu sagen, da praktisch mit der ersten Aktion erst ein Freistoß für Österreich entstand und aus diesem der Hand-Elfmeter, den Sabitzer zum 1:0 verwertete.
Mit der Führung konnte das ÖFB-Team nun das Spiel umstellen. Die Hausherren waren nun gefordert, selbst kreativ zu werden, und das können sie nicht besonders gut. Zuvor waren sie – ähnlich wie Österreich – nur gefährlich geworden, wenn sie Ballverluste beim Gegner provozierten und schnell umschalteten, spielerische Lösungen hatten die Azeris kaum.
An der Uhr drehen
Die österreichische Angriffskette konnte nun gezielt auf die Spieleröffnung von Aserbaidschan laufen, um ohne viel Mühe einen gezielten Aufbau zu verhindern. Die Message war relativ schnell klar: Selbst gelingt uns heute nicht viel, dann sagen wir eben „Danke“ für das 1:0 und bringen das über die Zeit.
Die letzten 25 Minuten sahen zunehmend aus wie ein Spiel aus der Foda-Zeit gegen einen vergleichbaren Gegner: Die Bemühungen nach vorne werden nicht grundsätzlich eingestellt, aber es wurde auch nicht nachgerückt – mehr als drei Österreicher waren nur bei Standards im Angriffsdrittel; der Rest verblieb als Absicherung, wenn auch nicht ganz so weit hinten wie unter Foda.
Die Defensive ist erstens diese Spielweise unter Rangnick nicht gewohnt und zweitens eben auch nicht eingespielt, dennoch gelang es gut, die Angriffe der Azeris möglichst durch die Mitte zu lenken, wo Wöber und Lienhart aufräumen konnten. Einmal, in der Nachspielzeit, rutschte aber ein Angriff durch – hätte Bayramov besser gezielt und nicht alleine vor Schlager stehend die Außen- statt der Innenseite des Pfostens getroffen, wäre das Spiel 1:1 ausgegangen.
Fazit: Job erledigt, um mehr ging’s nicht
Rangnick betonte nach dem Match, stolz auf die Truppe zu sein. Das nimmt man ihm auch ab, aber dass das Match in Baku nach dem doch recht vorzeigbaren Auftritt in Wien gegen Belgien inhaltlich nicht ganz nach seinem Geschmack war, wird er wohl auch nicht verleugnen. Vieles erinnerte an den Moldawien-Test in Linz vor fünf Wochen, nur ohne das frühe Gegentor, und die inhaltlichen Erkenntnisse sind die selben. „Das nicht eingespielte Team fand nie in den gewünschten Rhythmus, es lief alles ein wenig aneinander vorbei, vieles war umständlich, wenig war zwingend“, analysierten wir damals.
Angesichts der personellen Lage war es womöglich nicht ganz ohne Risiko, aber – so wie es letztlich gelaufen ist – wohl nicht ganz un-clever, sich drei der verbliebenen Stammkräfte für die zweite Halbzeit aufzuheben, wenn bei Aserbaidschan die Qualität durch die Wechsel eher runter geht. Mit Baumgartner, Sabitzer und Wimmer lief einiges runder, flüssiger.
Letztlich ging es ausschließlich darum, das Match irgendwie zu gewinnen. Man ist nach Baku gekommen, um einen Job zu erledigen, egal wie dreckig. Das wurde geschafft, dazu wurde mit dem Kurzauftritt von Guido Burgstaller – der Stürmer kam nach vier Jahren zurück ins Team, nur um zehn Minuten nach seiner Einwechslung in der Nachspielzeit ausgeschlossen zu werden – eine kuriose Nebengeschichte geschrieben.
Für die sportliche, spielerische und taktische Entwicklung unter Rangnick bedeutet dieses Spiel rein gar nichts. Dazu haben zu viele gefehlt, dazu war die Ausgangslage nicht angetan, es zählte einzig das Ergebnis. Gott sei Dank, wenn man die sich die Geschehnisse in Brüssel vor Augen führt.