Vor ihren Europacup-Matches gegen die Lissaboner Großklubs kreuzte das Top-Duo der österreichischen Bundesliga die Klingen. Sturm Graz und Salzburg, beides Teams mit aggressivem Spiel gegen den Ball, lieferten sich eine intensive und teilweise hektische Partie, die am Ende keinen Sieger fand.
Salzburg spielt am Mittwoch bei Benfica, Sturm empfängt am Donnerstag Sporting. Für die Tabelle könnte dieses erste von vier Liga-Saisonduellen das am wenigsten bedeutsame gewesen sein, aber es schien beiden Teams sehr wichtig zu sein, beim Gegner Eindruck zu hinterlassen.
Sturms Pressingtrigger
Die klare Strategie bei Sturm war es, die Salzburger Außenverteidiger zu attackieren. Sobald aus der Innenverteidigung ein Ball in Richtung Terzić oder Dedić kam, sprinteten Hierländer bzw. Prass auf diese zu. Wegen des Salzburger Rauten-Systems war der Longline-Pass keine Option, damit war dieses Anlaufen ein ziemlich probates Mittel, einen kontrollierten Salzburger Aufbau zu verhindern.
Sobald Salzburg über der Mittellinie war, verzichtete Sturm hingegen auf ein Anlaufen und anstatt Salzburger beim Spielen der Pässe zu hindern, ging es den Grazern hier vor allem darum, das Annehmen der Pässe zu unterbinden oder zumindest zu stören. Die Salzburger sind individuell gut genug, um hier zumindest dennoch den Ballbesitz zu behaupten, es gelang aber zunächst nicht, allzu große Gefahr auszustrahlen: Bis zur Feuerwerks-Unterbrechung in der 21. Minute gab es nur einen Abschluss innerhalb des Strafraums. Danach verlor Sturm den Faden ein wenig und geriet auch – durchaus nicht unverdient – in Rückstand.
Sturms Offensivplan bestand vor allem darin, die Bälle schnell vertikal zu die Spitzen zu bringen. Mit überschaubarem Erfolg: diese 50-Meter-Pässe kamen so gut wie nie an und die Fehlpassquote von exorbitanten 48 Prozent (!!!) spricht eine klare Sprache über die Absichten. Lange Anspiele mit geringer Erfolgsquote – aber wenn doch mal einer ankommt und durchrutscht, wird’s gefährlich.
Salzburger Asymmetrie
Die Salzburger setzten eher auf Gegenpressung und sie machten das enge Mittelfeld-Zentrum zu Nutze. Hier verdichteten sie extrem schnell rund um den Ball, sobald Sturm diesen in diese Zone hatte bzw. ihn dort eroberte. Der Mittelkreis gehörte komplett den Gästen, Sturm hatte hier überhaupt keinen Zugriff.
Auffällig war bei Salzburg auch die asymmetrische Interpretation des 4-3-1-2. Der linke Achter Kjærgaard links stand wesentlich höher als der rechte Achter Bidstrup. Gäste-Trainer Struber hatte offenkundig Gazibegović als Schwachpunkt in der Sturm-Abwehr ausgemacht und testet diesen damit: Zum einen verschob Stürmer Konaté immer wieder weit in Richtung Außenlinie, zum anderen lockte Salzburg den Grazer Block oft auf die linke Abwehrseite – es folgte der schnelle Seitenwechsel und Terzić bzw. Kjærgaard hatten viel Raum, auf dem Gazibegović etwas allein gelassen wurde.
Die Grazer erspielten sich in der ersten Halbzeit keine einzige zwingende Torchance, auf der anderen Seite musste Sturm-Keeper Scherpen diverse Male eingreifen. Die 1:0-Pausenführung des Meisters war absolut korrekt.
Ausgleich und Adaptierungen
Wenige Minuten nach Seitenwechsel schweißte Kiteishvili nach einem Eckball einen Weitschuss eher aus dem Nichts zum 1:1-Ausgleich unter die Latte und die Grazer adaptierten ihr Angriffspressing. Nun wurden nicht nur die Außenverteidiger angelaufen, sondern auch die Innenverteidiger Piątkowski und Baidoo. Der Pole reagierte, indem er die Bälle auf Keeper Schlager zurückpasste, der ÖFB-U21-Teamspieler drosch die Kugel blind nach vorne.
Es war dies die gefährlichste Phase der Grazer und ein extrem gescheiter kurzer Pass von Kiteishvili in den Rücken des aus seiner Position gezogenen Gourna-Douath auf Sarkaria leitete das 2:1 für Sturm in der 63. Minute ein.
Grant steigt, Genauigkeit sinkt
In den folgenden Minuten eskalierte die bis dahin intensive, aber nicht bösartige Partie, Zündpunkt war die Entscheidung auf Elfmeter wenige Minuten nach der Sturm-Führung (der eingewechselte Koita verwertete zum 2:2). Die Entscheidung von Referee Weinberger, nachdem sich dieser die Bilder angesehen hat, war für Sturm schwer zu akzeptieren und Weinberger – der Ruhe auszustrahlen versuchte, dabei aber eher unsicher wirkte – bekam die Emotionen überhaupt nicht mehr eingefangen.
Die Genauigkeit in den Aktionen sank in dieser hektischen Phase auf beiden Sieten, Sturm ließ sich von den Umständen aber etwas mehr beeinflussen. Salzburg war sichtbar bemüht, den Fokus auf die taktische Marschroute zu legen, Ballbesitz zu etablieren und schnell Überzahl in Ballnähe zu schaffen. Der Meister kam in der Schlussphase auch noch zu einigen Abschlüssen, die Grazer nicht mehr.
Fazit: Grazer bleiben Salzburgs größte Gefahr
Nach dem Spielverlauf ist es ein eher unglückliches Remis für Sturm, nach den nackten Zahlen ein eher glückliches, am Ende geht das 2:2 so in Ordnung. Wie schon in der vergangenen Saison ist Sturm Graz weiterhin das einzige Team in der Liga, das Salzburg voll fordern kann und gegen das sich die Bullen wirklich 90 Minuten lang anstrengen müssen. Das schaffen die anderen Mannschaften in Phasen, aber nicht annähernd so konstant wie die Grazer.
Trotz allem sind die Salzburger doch das komplettere und vor allem facettenreichere Team – obwohl sie selbst einen weiteren personellen Umbruch hinter sich haben. Sturm hatte eine klare und effektive Strategie, den Spielaufbau von Salzburg zu behindern und es war sichtlich in jedem Abschnitt des Platzes genau definiert, wer was wie wann zu machen hatte. Dazu kommt ein Tausendguldenschuss der Marke „Tor des Monats“ und ein wirklich starker Torhüter.
Die größeren spielerischen Lösungen hatten aber die Salzburger. Was das Manipulieren der Räume und den Raumgewinn mit Ballkontrolle angeht, waren die Bullen den Grazern deutlich überlegen und Struber konnte auch früher höhere Qualität nachschießen als Ilzer, der – vom Stürmer-Wechsel Bøving statt Włodarczyk in der Pause abgesehen – bis in die Nachspielzeit keine Wechsel mehr vornahm. Prass wurde da wohl eher wegen akuter Gelb-Rot-Gefährdung vom Platz genommen, er blieb in der Schlussphase der im Ballbesitz konzentrierteste Grazer.
Angesichts der Erfahrungen der letzten beiden Saisonen und weil sowohl der LASK (im inhaltlichen Umbruch) und Rapid (zu unkonstant) zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, ist Sturm aber fraglos das aktuell einzige heimische Team, das Salzburg über die Saison gesehen fürchten muss. Der Serienmeister hat die größeren Personalreserven und ist daher vor allem in den Matches gegen den Rest der Liga besser dafür ausgerüstet, nicht doch zwei-, dreimal zu oft Punkte liegen zu lassen.
Aber die direkten Duelle versprechen auch in dieser Saison attraktive Angelegenheiten zu bleiben.