Mit einem 2:0-Pflichtsieg über Nordirland haben die ÖFB-Frauen ihr Minimalziel bei der EM erreicht: Im letzten Gruppenspiel gegen Norwegen am Freitag hat man das Viertelfinal-Schicksal in der eigenen Hand. Gegen den Underdog aus Ulster tat sich Österreich aber sehr schwer, was an den extremen Gegnerorientierungen von Nordirland lag.
Teamchefin Irene Fuhrmann musste auf die corona-erkrankte Rechtsverteidigerin Laura Wienroither verzichten, dafür kam Katharina Schiechtl zum Einsatz; in der Mittelfeldzentale startete Höbinger (besser im Passspiel) statt der etwas an der Schulter lädierten und zweikampfstärkeren Feiersinger; Hickelsberger ersetzte gegenüber dem Auftakt gegen England am offensiven Flügel Naschenweng.
Nordirlands Gegnerorientierung
Kenny Shiels musste auf Stürmerin Magill verzichten (Kreuzbandriss gegen Norwegen) verzichten. Seine Grundformation war nicht das 5-2-1-2 wie beim Auftakt-1:4 gegen Norwegen, sondern auf dem Papier ein 4-3-1-2, wiederum mit einem hohen Zehner (Callaghan) und zwei weit auf die Außenpositionen schiebenden Stürmerinnen. In der Praxis aber gehorchte die nordirische Formation keiner Zahlenkombination, sondern den Gegnerorientierungen.
Vor allem im Mittelfeld wollte Shiels nicht nur jede Österreicherin in Manndeckung nehmen, sondern zudem für Überzahl sorgen, um dem rot-weiß-roten Aufbau aus dem Zentrum keine Luft zu geben. Gleichzeitig waren Wade und McGuinness vorne so weit außen postiert, dass sie den Außenverteidigerinnen Hanshaw und Schiechtl ebenfalls kaum Zeit am Ball erlaubten. Holloway, nominell halblinks im Mittelfeld, ließ sich oft auf die Wing-Back-Position fallen und sorgte so im Falle des Falles für die Breite in der nordirischen Abwehr.
Gehetzt, aber mit Kontroller
In der Anfangsphase hatte Österreich dennoch deutlich mehr vom Spiel und setzte sich gut in der nordirischen Hälfte fest. Die Versuche der Gegnerinnen, nach vorne zu kommen, wurden durch effektives Gegenpressing schnell erstickt, mehr als „Kopf durch die Wand“ hatte Nordirland da aber auch kaum zu bieten. Im Ballbesitz wirkte Österreich zwar immer ein wenig gehetzt und mit wachsendem Druck ein wenig ungenau, Nici Billa verlor sich ein wenig in der vielbeinigen Abwehr, aber die Nordirinnen blieben harmlos und Österreich immer am Drücker.
Nach dem 1:0 durch Schiechtl – sie verwertete einen leicht abgefälschten Puntigam-Freistoß in der 19. Minute – war Österreich sichtlich leichter und man versuchte, das Spiel ein wenig zu beruhigen. Nach Ballgewinnen wurde nun nicht mehr sofort der vertikale Umschaltmoment genutzt, sondern erst einmal auf Sicherung des Ballbesitzes geachtet. Das Tempo wich ein wenig, der Griff über das Spiel aber nicht: Hatte man den Ball verloren, wurde er meist schnell wieder zurück gewonnen.
Auch das Pressen auf die nordirische Eröffnung – vor allem auf die bekannt unsichere Torhüterin Jackie Burns – griff. Hickelsberger und Dunst standen sehr hoch und liefen Burns, McFadden und Nelson bei jeder Gelegenheit an. Auch das verhinderte einen gezielten nordirischen Aufbau.
Nordirland neutralisiert ÖFB-Spiel
In der zweiten Halbzeit passierte das gleiche, allerdings auf der anderen Seite. Wie schon beim 2:2 in Belfast im letzten Herbst – damals nach ihrem Doppelschlag zur überraschenden 2:1-Führung – schoben die Nordirinnen viel weiter nach vorne und liefen ihrerseits die österreichische Eröffnung an. Wie schon im Seaview hatte das zur Folge, dass Österreich schon Probleme hatte, aus der Abwehr heraus den ersten Pass spielen konnte.
Auch im Mittelfeld waren die Gegnerorientierungen von Nordirland nun bissiger und griffiger; Laura Feiersinger (ür Höbinger gekommen) konnte dadurch nicht viel ausrichten. Oftmals wurde die Österreicherin, die mit dem Rücken zur Angriffsrichtung die Bälle aus der Begrängnis erwarteten schon von hinten gestellt, bevor sie aufdrehen konnten. Besonders Sarah Zadrazil bekam keine Luft und in der Folge landeten auch vermehrt unbedrängte Bälle von ihr beim Gegner.
Nordirland fehlte die Qualität, um mit Vehemenz auf den Ausgleich zu drücken – in 90 Minuten gab es nur einen Abschluss im Strafraum und das war eine Kopfball-Bogenlampe, nachdem Hanshaw zuvor vor Wade geklärt hatte – aber die ÖFB-Frauen zeigten Wirkung. Das Spiel kippte nicht direkt zu Gunsten der Nordirinnen, aber sie hatten es geschafft, Österreich ihr Spiel aufzuzwingen.
Mehr Bank-Qualität bei Österreich
Eine knappe Viertelstunde vor Schluss nahm Sheils die müdegelaufenen Furness und McGuinness vom Feld, es folgten Callaghan und Abwehr-Routinier Nelson kurz danach. An der grundsätzlichen Herangehensweise änderte das nichts, sehr wohl aber an der Qualität, denn die Bank ist relativ dünn besetzt. Im Durchschnitt waren die fünf ausgewechselten Nordirinnen 31 Jahre alt und mit 59 Spielen auf dem Buckel, die fünf Neuen waren 20,4 Jahre alt mit neun Länderspielen im Schnitt und sie alle spielen noch daheim in Nordirland.
Der eher harmlose Eckball in der 69. Minute war bis zum Schlusspfiff der letzte Torabschluss von Nordirland, dafür fand in der 88. Minute ein langer Ball in die Spitze von Puntigam auf Naschenweng ihr Ziel; die Kärntnerin ließ Magee und Nelson aussteigen und drillte den Ball unter Burns hinweg in die Maschen – das 2:0, die Entscheidung.
Fazit: Pflicht erledigt, immerhin
Wie sehr der knappe Spielstand in den Köpfen präsent war, zeigt die Tatsache, dass Österreich nach dem 2:0 in den verbleibenden fünf Spielminuten noch zwei weitere große Torchancen hatten. Der Sieg war fixiert, da spielt es sich wesentlich freier. Am Ende war es auch die längere Bank, die den ÖFB-Frauen zum Sieg verhalf: Die einen bringen Spielerinnen von Frankfurt und Hoffenheim, die anderen haben nur noch Jungspunde von Cliftonville und Glentoran im Talon.
Schon in den beiden Spielen in der laufenden WM-Qualifikation zeigte sich die deutlich höhere Gesamt-Qualität bei Österreich, in beiden Spielen stellte Nordirland die ÖFB-Frauen aber vor signifikante Schwierigkeiten. Das war in Belfast und Wr. Neustadt so, da bildete auch Southampton keine Ausnahme. Nordirland schaffte es hervorragend, Billa zu isolieren und Zadrazil nie wirklich ins Spiel kommen zu lassen, beide konnten bei diesem Turnier bisher nicht glänzen. Dafür sind andere da, die in die Bresche springen.
Es war kein glanzvoller Erfolg, sondern ein glanzloser Arbeitssieg. Österreich konnte die vorhandenen Qualitäten nur in Fragmenten auf das Spielfeld bringen, Nordirland war auch ein unangenehmer Gegner. Das gilt es für Österreich nun selbst für Norwegen zu sein. Hegerberg und Co. sind beim auch in der Höhe verdienten (!) 0:8 in England im Parallelspiel katastrophal unter die Räder gekommen. Ein Remis reicht Österreich zum erneuten Viertelfinaleinzug, Norwegen muss selbst etwas tun – von der tabellarischen Ausgangsposition ebenso wie von der psychologischen.
Gegen Nordirland hat Österreich „müssen“, der Gegner „können“. Gegen Norwegen wird es für die ÖFB-Frauen umgekehrt sein – sofern sie das Gefühl, angesichts des norwegischen Debakels gegen England nun Favorit auf Gruppenplatz zwei zu sein, nicht an sich heranlassen.