Mit einer kernigen Abwehrschlacht in der zweiten Hälfte und auch etwas Glück kommt Österreich zu einem 1:1 gegen Weltmeister Frankreich. Diesmal traute sich die Truppe von Teamchef Ralf Rangnick nicht ganz so aggressiv vorne drauf zu drücken wie beim 3:0 in Kroatien und dem 1:2 gegen Dänemark, kontrollierte Frankreich eine Hälfte lang gut – bis die Franzosen weiter aufrückten.
Das ÖFB-Team war wieder im 4-4-2 aufgestellt, wiederum mit Sabitzer und Laimer auf den Außenpositionen im Mittelfeld. Wie schon fast gewohnt standen die Ketten sehr eng, man verzichtete aber darauf, schon die französische Innenverteidigung anzulaufen, stellte stattdessen eher die Eröffnungspässe zu – das wirkte etwas zurückhaltender als noch gegen Dänemark. Man verhindert damit aber zumeist gut, dass die Franzosen mit Tempo durchkommen.
Ähnliche Systeme
Frankreich vertraute auf praktisch das selbe System: Ein enges 4-4-2 gegen den Ball, in dem es für Österreich kein Durchkommen gab. Zwar ließen die Franzosen zu, dass Alaba neben dem Sturm-Duo weit nach vorne dribbeln konnte, aber bei den zwei Viererketten war Schluss. In Wahrheit lauerten die Franzosen sogar ein wenig darauf – zu sehen in jener Szene nach einer Viertelstunde, als nach einem besonders weiten Alaba-Vorstoß die Absicherung fehlte, Seiwald die gelbe Karte nehmen musste und der fällige Freistoß von Pentz doppelt abgewehrt wurde.
Im Versuch, nach vorne zu kommen, behalf sich Österreich notgedrungen mit Chip-Bällen in die Spitze in Richtung Arnautovic, um den Block zu überspielen. Die schnellen französischen Innenverteidiger Konaté und Saliba schafften es aber souverän, keine Abschlüsse aus diesen Situationen zuzulassen. Erst, wenn Österreich in der französischen Hälfte Ballbesitz etabliert hatte, zogen sich die beiden dunkelblauen Ketten bis an den eigenen Sechzehner zurück.
Geniestreich zur Führung
Nach etwa 20 Minuten schlief die Partie ein wenig ein. Die Franzosen waren im Enghalten der Ketten nicht mehr ganz so aufmerksam; zudem blieb die Abwehrkette an der Mittellinie wie an einer Grenze stehen, konnte aber die weiten Seitenverlagerungen der Österreicher nun besser antizipieren und die aufrückenden ÖFB-Außenverteidiger schneller stellen.
Besser kam Österreich nun durch, in dem Pässe aus dem Zentrum oder dem Halbfeld in Richtung Außen. So wie beim 1:0, als sich Arnautovic so in die Schnittstelle begeben konnte und Laimer nachrückte, ehe im Zentrum Weimann zum 1:0 verwertete. Und wie wenige Minuten später, als Schlager auf Laimer gab und dieser wieder viel Platz vorfand.
Frankreich rückt viel weiter auf
Nach dem Seitenwechsel rückte die französische Abwehrkette im Ballbesitz weiter auf und drückte Österreich somit weiter hinten hinein, vor allem über die Außenpositionen gab es nun viel Druck von den Gästen und verlorene Bälle wurden schnell wieder zurück erobert. Ein Ausgleich wäre in dieser Phase verdient gewesen und Coman verschoss die beste Chance leichtfertig. Deschamps brachte nach einer Stunde Mbappé für Griezmann, um die Daumenschraube weiter anzusetzen.
Österreich konnte sich kaum befreien, selbst Alaba konnte die Bälle nur noch unkontrolliert nach vorne schlagen und musste dann auch angeschlagen ausgewechselt werden, die beiden frischen Stürmer Gregoritsch und Onisiwo konnten vorne ebenso nicht ganz nach Wunsch die französische Eröffnung verzögern. Durch die erzwungene Auswechslung von Alaba wurde Rangnick auch seines dritten Wechselslots beraubt, wodurch in den letzten 25 Spielminuten keine personellen Impulse mehr gesetzt werden konnten.
Zittern bis zum Schluss
Was nach dieser 70. Minute beim Wechsel von Danso für Alaba aber passierte, war die Umstellung auf eine Fünferkette – Sabitzer rückte gegen den Ball weit nach hinten, gab den Linken Wing-Back, Danso ging auf die linke Seite von Trauner – die Dreierketten-Formation mit Trauner im Zentrum. Damit konnte ein wenig Druck absorbiert werden, aber dass sich Mbappé einmal zwischen Trauner und Danso davon stahl, als Österreich aufgerückt war, und nach einem Pass in den Lauf zum 1:1 einschoss, konnte nicht verhindert werden.
Ebenso wenig, dass Mbappé kurz danach sogar das 2:1-Siegtor auf dem Fuß hatte, aber Patrick Pentz – der mit seiner guten Technik im Spielverlauf oftmals schnell weiterspielen konnte und damit einige potenziell brenzlige Situationen entschärfen hatte können – lenkte den Schuss gerade noch an die Latte. Ein letzter Entlastungsangriff von Österreich tief in der Nachspielzeit konnte man nicht zum Lucky Punch nützen
Fazit: Auch Abwehrschlacht ist möglich
36 Prozent Ballbesitz, kaum dreimal ordentlich in die gegnerische Hälfte gekommen, dafür in einigen Situationen kräftig Glück gehabt: In der zweiten Hälfte merkte man schon, dass das kein gelangweiltes kroatisches Team war, sondern ein Weltmeister, der bei aller üblichen Nüchternheit dann doch nicht nach dem Niederlage gegen Dänemark auch in Österreich verlieren wollte.
Hatte es Österreich vor der Pause noch gut geschafft, die Franzosen bis auf einige wenige Szenen zu neutralisieren, war man nach dem Seitenwechsel nur noch am Druck absorbieren. Die Stürmer waren sichtbar zu k.o., um noch großen Druck auszuüben und auch Laimer wäre ein Kandidat für eine kräftebedingte Auswechslung gewesen, wäre es noch nötig gewesen. Dafür erwiesen sich Schlager und Seiwald im Mittelfeld-Zentrum als umsichtige Pferdelungen: Sie sicherten hinter dem aufrückenden Alaba ab und schoben situativ nach vorne, aber immer mit Abstimmung, nie ohne die Absicherung zu entblößen.
Letztlich kann man das 1:1 als „Glück des Tüchtigen“ verbuchen, das man sich durch die sehenswerten Darbietungen in Osijek und gegen Dänemark karmamäßig erarbeitet hat. Das nimmt man gerne mit.