Es ist nicht einmal so sehr das bloße Ergebnis, die 0:1-Niederlage gegen Schottland, die einen so dermaßen mit schüttelndem Kopf zurück ließ. Nein, es war das „Wie“, denn in all seiner chaotischen Fahrigkeit erinnerte die Darbietung beim ersten Bewerbs-Heimspiel vor Zusehern seit November 2019 an Constantini-Zeiten.
Warum tat sich Österreich so schwer?
Die Schotten sind zwar in ihren fußballerischen Möglichkeiten recht limitiert, aber sie können Rückschlüsse aus Videostudium ziehen. Israel wollte kontrolliert hinten raus spielen und bekam den Pressing-Furor zu spüren? Fein, das liegt uns eh nicht. Martin Hinteregger ist der Hauptverantwortliche in der Spieleröffnung? Fein, nehmen wir ihn eben raus.
Letzteres war vor allem die Aufgabe von Ché Adams. Der schottische Stürmer – der in Southampton mit Ralph Hasenhüttl einen österreichischen Trainer hat – drängte mit geschickten Laufwegen aus dem Zentrum heraus Hinteregger immer wieder weit in Richtung Seitenlinie und isolierte ihn dort. So fand der Frankfurt-Legionär selten die Zeit für seine zielsicheren öffnenden Pässe nach vorne. Sein rüdes Foul, das ihm in der 25. Minute die gelbe Karte brachte, hatte schon den deutlichen Geruch von Grant.
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War die erste halbe Stunde wirklich ganz okay?
Nicht wirklich. Schon früh wurden die Probleme im Aufbau, verstärkt durch Hintereggers direkten Gegenspieler, sichtbar. Situativ ließ sich Ilsanker fallen, aber sobald der Ball von hintern heraußen war, wurde das Tempo wieder verschleppt und zuweilen die Kugel wieder dem auf die Sechs aufgerückten Ilsanker zugespielt.
Es gab Pässe nach vorne, die vor allem von Arnautovic auch durchaus festgemacht wurden. Dies waren aber zumeist 40- bis 50-Meter-Pässe und es rückten auch selten mehr als zwei Österreicher schnell genug nach, um irgendwie involviert zu werden. Diese drei Spieler, zumeist neben Arnautovic noch Laimer und Baumgartner, sahen sich dann sieben bis acht Schotten gegenüber.
Abschlüsse gab es vornehmlich aus der Distanz, einer dieser Schüsse strich auch nur knapp am schottischen Tor vorbei.
Warum die vielen hohen Bälle?
Mit der Führung (30., Elfmeter) im Rücken konnten die Schotten ihre wirkliche Stärke, nämlich das Verteidigen mit einer Fünferkette hinten und einem Dreier-Mittelfeld davor, voll ausspielen. Zusätzlich hatten sie in John McGinn von Aston Villa quasi einen Freigeist im Mittelfeld: Er spielte auf der Zehn, wenn Österreich herausspielte; ließ sich auf die linke Acht fallen, wenn Österreich herauskam und war vor allem in der zweiten Halbzeit auch als zentraler Sechser zwischen Gilmour und McGregor zu finden.
Österreich hingegen spielte sehr statisch und die Raumverteilung war furchtbar, sie machte hohe Bälle geradezu notwendig. Die Offensivspieler orientierten sich zwischen den schottischen Reihen durchgängig an der Abwehrkette. Es war also unmöglich, sie anzuspielen und der Aktion gleichzeitig Tempo mitzugeben, weil denn entweder ein Schotte dazwischen war oder man im Abseits stand. Arnautovic ist letzteres besonders oft passiert.
Hinzu kam einmal mehr, dass es keinerlei Laufwege gab, um den schottischen Block in Bewegung zu bringen: Zumeist bewegte sich ein österreichischer Spieler rund um den Ballführenden herum, der Rest verkroch sich im weidlich ausgebreiteten schottischen Deckungsschatten.
Es blieben also nur zwei Optionen: Rückpass oder hoher Ball nach vorne.
Warum wirkte das österreichische Spiel so eng?
Weil es das war. Alaba rückte schon vor der 77. Minute, als er im Zuge der Ulmer-Einwechslung für Grillitsch ganz dorthin geschoben wurde, eher ein als zur Grundlinie durchzugehen. Christopher Trimmel auf der rechten Seite verhielt sich auch eher zurückhaltend. Dafür spielten die nominellen Außenspieler Laimer (rechts) und Baumgartner (links) vor allem nach dem Gegentor immer zentraler und rückten, wie schon in Moldawien, in den Zehnerraum.
Weil der Aufbau ohne den effektiv aus dem Spiel gefrusteten Hinteregger praktisch nur den spontanen Ideen des Ballführenden entsprang und sich kaum einmal jemand freilief, waren alle Österreicher im Zentrum im erwähnten Deckungsschatten verloren.
Was brachten Fodas Wechsel?
Mehr Präsenz im Strafraum, aber keine Besserung am Rest des Feldes. Nach knapp einer Stunde kam Gregoritsch für den schwer unzufriedenen Ilsanker, es entstand ein 4-4-2 mit Grillitsch vor Hinteregger und Dragovic als Restverteidigung – die schon zuvor zuweilen schwer luftig daherkam – und dem Rest des Teams in Brechstangen-Mission davor.
Gregoritsch kam ein zwei, drei der insgesamt 38 Flanken, die fast alle in maximal mittlerem Tempo in den Strafraum gehoben wurden. Aber sonst änderte sich an der Statik des Spiels nicht viel. Yusuf Demir (in der 76. Minute positionsgetreu statt Schaub) setzte zu einigen Tempodribblings an, was vor allem deswegen so auffällig war, weil dies davor so frappant gefehlt hatte.
Fazit: Jetzt stimmen auch die Ergebnisse nicht mehr
Unangenehm vieles in diesem Spiel war auf Zufall und spontane Ideen aufgebaut. So war Österreichs Spiel im Ballbesitz langsam und uninspiriert, niemand wollte mit einer Idee vorpreschen, wohl weil die Mitspieler erst erkennen mussten, was die Idee wäre – und diese Zeit bekommt man gegen die defensiv starken Schotten nicht.
Das sieht dann natürlich so aus, als fehle es den Spielern am Willen, sich voll einzusetzen.
Es ist eh immer dasselbe: Ohne klar definierte Angriffsstrukturen kein Tempo, ohne Tempo keine Löcher in der gegnerischen Abwehr, ohne diese Löcher nur Weitschüsse und Zufallsprodukte. Israel hat dem ÖFB-Team sogar den patscherten Gefallen getan, sich anpressen zu lassen und ist davongekommen, weil nach dem Ballgewinn wieder alles Zufall war. Die Schotten haben einfach kernig alles zugemacht.
Österreich hat nun vier der letzten 13 Spiele gewonnen – gegen Färöer (mit zwei Kontertoren daheim), gegen Mazedonien und die Ukraine und mit Mühe in Moldawien. Wie viele Pflichtspiele Franco Foda als Teamchef gegen in der Weltrangliste höher klassierte Teams gewonnen hat? Kein einziges.
Bisher hat es immer noch irgendwie gereicht, dass zumindest das Minimum erreicht wird. Da dies nun auch nicht mehr funktioniert, gibt es schlechte Spiele UND schlechte Resultate. Keine gute Kombination. So kann man spätestens nach diesem Triple-Spieltag davon ausgehen, dass Foda als Teamchef in die Lame-Duck-Phase eingetreten ist: Das Ende ist wohl mehr oder weniger fix, es geht nur noch um die Frage, wann es vorbei ist.
Vor der offiziellen Inthronisierung des neuen ÖFB-Präsidenten am 17. Oktober wird es eher nicht der Fall sein, egal ob es nun Gerhard Milletich oder Roland Schmid wird. Das heißt, dass Foda die Auswärtsspiele auf den Färöern und in Dänemark noch bekommt. Man weiß nicht so recht, ob man ihn dafür beglückwünschen oder bemitleiden soll.