Die Minimal-Pflicht wurde erfüllt: DIe ÖFB-Frauen besiegten Serbien im letzten Spiel der EM-Qualifikation mühsam mit 1:0. Einer fürchterlichen ersten Halbzeit folgte zumindest eine gut gemeinte zweite, angetrieben von Sarah Zadrazil erzwang Österreich den späten Siegtreffer. Zwei Tore fehlten aber, um die EM-Teilnahme 2022 jetzt schon sicher zu haben. Jetzt heißt es warten, was bei den coronabedingt verschobenen Spielen anderer Gruppen im Februar herauskommt – das Playoff droht noch immer.
Serbien hatte Österreich schon in der Qualifikation für die WM 2019 zwei Punkte abgeknöpft, und auch in diesem Spiel erwiesen sie sich als ein geschickter Gegner mit einem klaren Plan. Allerdings trug auch Österreich mit einer verunglückten Marschroute in der ersten Halbzeit kräftig dazu bei, dass eine serbische 2:0-Pausenführung durchaus korrekt gewesen wäre.
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Österreich gibt das Zentrum preis
Teamchefin Irene Fuhrmann baute wieder auf ein 5-4-1, mit dem vor einem Monat immerhin ein 0:0 gegen Frankreich erreicht wurde und das auch zuletzt beim 0:3 auswärts beim Gruppenfavoriten (der zum Abschluss 12:0 gegen Kasachstan gewann) zum Einsatz kam. Dort war die Spielweise jeweils sehr defensiv gewesen: Mit zwei dichten Ketten verteidigen und die schnellen Außenspielerinnen des Gegners doppeln und so möglichst zu isolieren.
Serbien spielt aber nicht annähernd so dominant wie Frankreich. Im Gegenteil: Hier war der Fokus darauf gelegt, selbst mit den zwei Viererketten im 4-4-1-1 sicher zu stehen und mit giftigem Anlaufen und schnellem Umschalten zu Chancen zu kommen.
Das Offensiv-Trio der Österreicherinnen mit Billa, Dunst und Enzinger presste hoch auf die serbische Eröffnung, aber die Fünfterkette blieb dabei weit hinten. Somit hatten Zadrazil und Eder das komplette Zentrum abzudecken, was kaum möglich war. Immer und immer wieder spielte Serbien durch das offene Zentrum mit Tempo hindurch. Carina Wenninger musste in ihrem 100. Länderspiel oft aus der Fünferkette aufrücken, um Cankovic zu stellen, die einen großen Aktionsradius hatte. So ergab sich zum offenen Zentrum auch ein Loch in der Abwehrkette.
Torhüterin Manuela Zinsberger verhinderte diverse Male, dass Serbien den Führungstreffer erzielt. Österreich blieb indes offensiv völlig harmlos.
Umstellungen für die zweite Halbzeit
Fuhrmann stellte in der Pause auf ein 4-3-3 um, indem Puntigam auf die Sechs ging, und brachte die offensivere Feiersinger (zuletzt mit lädiertem Knie out) statt der eher für das Ballhalten zuständigen Eder sowie Naschenweng für die wirkungslose Enzinger auf der linken Außenbahn (später dann Seitentausch mit Dunst).
Die Abwehrkette rückte wesentlich weiter auf – bis annähernd zur Mittellinie – womit Serbien kaum mehr Platz hinter der ersten Pressing-Welle fand, der vor der Pause noch so effektiv bespielt worden ist. Es blieb aber dabei, dass die österreichischen Pässe oft sehr ungenau waren und Serbien sich weiterhin geschickt zwischen die Linien bewegte bzw. mit Steilpässen hinter die ÖFB-Abwehr zu kommen versuchte.
Österreich hatte das Spiel im Zentrum nun besser im Griff, ritt aber immer noch auf einer Glückswelle, da Serbien vielversprechende Angriffe im letzten Moment verstolperte.
Zadrazil treibt an
In dieser Phase übernahm Sarah Zadrazil volleds das Kommando im österreichischen Team. Nicht nur ihre Körpersprache vermittelte Kampfgeist, sondern auch ihre Aktionen: Sie forderte nun immer mehr den Ball, trug ihn selbst nach vorne, erarbeitete sich Chancen. Einmal war ihre Hereingabe von rechts weder wirklich Torschuss noch wirklich Flanke, einmal zog sie einen Stanglpass von links zu nah an die serbische Torfrau – aber die Bayern-Legionärin war nun überall unterwegs.
Nach 78 Minuten spielte Serbiens Keeperin Kostic einen Ball kurz auf Linkverteidigerin Bradic, die sofort von Naschenweng angepresst wurde und in ihrer Panik genau das Falsche machte: Sie schob den Ball zentral vor den Strafraum, wo aber keine Mitspielerin, sondern Zadrazil stand. Sie spielte sofort steil auf Billa, die zum 1:0 traf.
Angesichts des knappen 1:0-Sieges von Island gegen Ungarn am Nachmittag hätte ein 3:0 für Österreich genügt, um sich in eine bessere Position zu bringen und angesichts der Ergebnisse der Abendspiele hätte das sogar fix zum EM-Ticket gereicht. Aber nach den mühsamen 80 Minuten vor dem Führungstor und dem Wissen, dass ein Ausgleich das Team definitiv ins Playoff schicken würde, gab es nicht mehr den allergrößten Nachdruck. Es blieb beim 1:0.
Fazit: Glücklicher Sieg. Und jetzt: Warten!
Anders als im April 2018, als man von Serbien in einem ähnlich zähen Spiel bei einem 1:1 gehalten wurde und mit diesem Punktverlust die Chancen auf die WM begraben hat, gelang diesmal immerhin noch der wichtige Siegestreffer. Die falsche Strategie in der ersten Hälfte hätte diesmal schon alles zunichte gemacht, wenn nicht Manu Zinsberger so stark gehalten hätte. Fuhrmanns Umstellungen in der Halbzeit behoben die gröbsten Schwächen, aber es bleibt dennoch ein glücklicher Sieg.
Aber immerhin: Ein Sieg. Die Schweiz hat ihre Chance auf den Gruppensieg und auch jene darauf, als einer der besten drei Zweiten direkt und ohne Playoff zur EM in England zu fahren, mit einer 0:4-Ohrfeige in Belgien eingebüßt – mit zwei De-facto-Eigentoren von Ersatzkeeperin Elivra Herzog, die statt der corona-positiven Einser-Torhüterin Gaëlle Thalmann ran musste. Island war gegen ein keineswegs in Bestbesetzung angetretenes Team aus Ungarn spielerisch ziemlich ärmlich unterwegs und kam auch nur zu einem 1:0-Sieg.
Dänemark fehlten sechs Spielerinnen wegen positiven Tests oder Quarantäne, womit das 0:0 gegen Italien eh als Erfolg zu werten ist; ein dänischer Sieg hätte Österreich aber auch schon zum Fix-Ticket verholfen. Und doch hätte es zu 99,9% schon gereicht, ohne noch auf die Nachtragsspiele im Februar schauen zu müssen, wäre da nicht Finnlands Siegtreffer in der 95. Minute in Schottland gewesen.
Finland’s women’s team just scored an incredible 95th minute winner away to Scotland to secure at least a playoff place for next year’s Euros. Hard to tell if Rantanen’s tears were due to the emotion of scoring or because she took the ball full in the face pic.twitter.com/1lAR7yq1kE
— Ronan Browne (@RonanBrownen) December 1, 2020
Die Lage in der EM-Qualifikation
Die neun Gruppensieger sowie die drei besten Zweiten sind qualifiziert (wobei in den Sechser-Gruppen die Resultate gegen Estland bzw. Georgien gestrichen werden). Titelverteidiger Holland und der ehemalige Abo-Europameister Deutschland sind mit dem Punktemaximum durch, Norwegen kann das auch noch erreichen. Frankreich hat ebenso wie Schweden und Dänemark einmal Punkte gelassen, Belgien hat mit dem 4:0 gegen die Schweiz die 1:2-Auswärtsniederlage wettgemacht und Spanien konnte sich ein 0:0 in Polen erlauben – mit einem Heimsieg gegen Polen und/oder Aserbaidschan ist die Qualifikation eingefahren. Island gehört schon fix zu den drei besten Zweiten.
Dieses Ranking ist jetzt für Österreich interessant.
In zwei Gruppen können die Zweiten noch eine bessere Bilanz aufweisen als Österreich, wenn die Nachtragsspiele (angekündigt für Februar, aber noch nicht genau terminisiert) erledigt Sind. Italien hat das Heimspiel gegen Israel noch offen, würde mit einem 2:0 an der Schweiz vorbeigehen und mit einem 6:0 auch an Österreich und wäre damit fix dabei. Das Auswärtsspiel in Tel-Aviv hat Italien zwar nur 3:2 gewonnen, aber erbitterten Widerstand wird Israel wohl nicht leisten. Bei einem Italien-Sieg mit maximal +5 wäre Österreich aber ohne Playoff bei der EM.
Vertrackter ist die Lage in Gruppe E, und zwar vor allem dank Finnlands spätem Siegtreffer. Schottland ist fix raus, es geht zwischen Finnland und Portugal. Das Hinspiel in Portugal endete 1:1, das Match in Finnland steht noch aus und das ist das erste Schlüsselspiel. Gewinnt Finnland daheim gegen Portugal, ist Österreich ohne Playoff dabei – denn in dem Fall bräuchte Portugal zum Abschluss ein 13:0 in Schottland, und das geht nicht.
Bei einem 0:0 und einem 1:1 wäre Portugal immer noch Gruppenzweiter und müsste immer noch in Schottland gewinnen (Höhe egal), um Österreich zu überholen. Siegt Portugal jedoch in Finnland, wäre Finnland auf jeden Fall Zweiter und dank der schon jetzt guten Tordifferenz in der Lage mit einem (je nach Höhe der Niederlage gegen Portugal) 5:0 in Zypern alles klar zu machen.
Beste ÖFB-Quali ever – und doch fehlen zwei Tore
Wollen wir auf die Suche nach den beiden Toren gehen, die fehlen, um jetzt schon jubeln zu dürfen? Am Ehesten wohl in Skopje, wo es „nur“ ein 3:0 gab. Klar ist aber auch: Erstmals reicht es für zumindest einen Zweitplatzierten nicht, sich über dem Strich zu halten, obwohl er zumindest einen Punkt gegen den Gruppensieger geholt hat. Damit war auch Österreichs 0:0 daheim gegen Frankreich im Nachhinein betrachtet so wichtig.
Die ÖFB-Frauen haben die beste Qualifikation ihrer Geschichte absolviert. Zum zweiten Mal gab es 19 Punkte in einer Fünfergruppe (was analog zu 25 in einer Sechsergruppe wäre). Als dies in der Quali für die EM 2013 zum ersten Mal gelang, waren es aber „nur“ 16:10 Tore. Nun hält man bei 22:3, blieb in den acht Spielen siebenmal ohne Gegentor, und doch muss man noch zittern.
Zwischen der ersten Hälfte der Qualifikation und der zweiten lagen nicht nur neun Monate, sondern auch der Wechsel von Dominik Thalhammer zu Irene Fuhrmann auf der Teamchef-Position sowie die Verschiebung der EM in England von 2021 auf 2022. In den letzten Monaten war auch die Personalsituation sehr angespannt – Schiechtl fehlte praktisch den ganzen Herbst, Feiersinger ging es ähnlich, die etatmäßige Kapitänin Schnaderbeck fehlte beim letzten Doppelspieltag, Talent Marie Höbinger in den letzten drei Spielen, Flügelflitzerin Julia Hickelsberger – so wichtig für das erfolgreiche WW-Systemspiel im Herbst 2019 – hat ein kaputtes Knie von Kasachstan mit nach Hause genommen.
Österreich hat zum fünften Mal in Folge eine Qualifikation auf dem zweiten Platz abgeschlossen, das steht schon mal fest. Alles weitere hat man eh nicht mehr in der eigenen Hand. Die eigene Pflicht wurde grundsätzlich mal erfüllt. Jetzt liegt es an den anderen, ob man dennoch den Umweg über das Playoff braucht, oder ob man sich schon mit der EM-Endrunde sowie der Quali für die WM 2023 in Australien und Neuseeland beschäftigen kann. Diese ist noch nicht ausgelost. Österreich wird aus dem zweiten Topf gezogen werden.
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