Die ÖFB-Frauen verlieren das vorletzte Spiel in der EM-Quali bei Gruppenfavorit Frankreich mit 0:3 – es ist erst die zweite Pflichtspiel-Niederlage seit dem EM-Halbfinal-Einzug 2017. Die Französinnen dominierten klar und gewannen auch in der Höhe verdient, wobei bei Österreich spätestens in der zweiten Halbzeit die Devise lautete: Kraft für das entscheidende Heimspiel gegen Serbien sparen und gleichzeitig das Resultat im Rahmen halten.
„Wir müssen eine Strategie entwickeln, um in Frankreich dagegen halten zu können und aber gleichzeitig fit genug für das Spiel gegen Serbien zu bleiben – denn dieses Match müssen wir ohne Wenn und Aber gewinnen!“ Das sagte Teamchefin Irene Fuhrmann nach dem 0:0 gegen Frankreich vor genau einem Monat.
Ohne die am Knie angeschlagene routinierte Kapitänin Viktoria Schnaderbeck, ohne die kreuzbandverletzte Sprinterin Julia Hickelsberger, ohne Mittelfeld-Talent Marie Höbinger und ohne Rechtsverteidigerin Kathi Schiechtl musste Fuhrmann in Guingamp auskommen; Laura Feiersinger war nach längerer Verletzungspause zumindest wieder im Kader. Fuhrmann entschied sich wie vor einem Monat für ein 5-4-1, um Frankreich den Weg in den Strafraum zu verweigern.
Frankreich über Tempo auf den Außenbahnen
Dieses 0:0 in Wr. Neustadt setzte Frankreichs Trainerin Corinne Diacre in ihrem internen Machtkampf mit den Starspielerinnen von Abo-Europacup-Sieger Olympique Lyon ziemlich unter Druck. Bis auf die veletzte Le Sommer und die (vorläufig?) aus dem Team zurückgetretene Torhüterin Bouhaddi war die komplette Lyon-Fraktion nicht nur im Kader, sondern auch auf dem Feld: Renard, Majri, Karchaoui, Cascarino und sogar Amandine Henry, die Wortführerin der Lyon-Revolte gegen Diacre.
Mit der extrem schnellen Cascarino auf der einen Außenbahn und dem perfekt harmonierenden, flinken und trickreichen Duo Majri/Karchaoui auf der anderen war der Fokus darauf gelegt, mit schnellen Läufen und schnellen, kurzen Pässen durchzukommen und die ÖFB-Abwehr zu hetzen. Solange der österreichische Block stand, hatte Österreich den eigenen Strafraum gut abgesichert und Frankreich war zu Ballstaffetten im Mittelfeld gezwungen.
Sobald Frankreich aber mit Tempo auf den ÖFB-Block zulaufen konnte oder die Österreicherinnen ein wenig aufgerückt waren, wurde es sofort gefährlich. Cascarino und die etwas abfallende Périsset waren bei Dunst und Aschauer in guten Händen. Aber Wienroither und Enzinger hatten schwerste Mühe mit Karchaoui und Majri, die ihre Tempo- und Technik-Vorteile ausspielten.
Nur eines der drei französischen Tore fiel aus dem Spiel (das zweite), die anderen beiden waren das Resultat aus den insgesamt sieben französischen Eckbällen.
Kaum österreichische Offensive
Billa powerte sich als Solospitze eine Halbzeit lang aus, ehe sie für das Serbien-Spiel geschont wurde. Ein gemeinsames Aufrücken wurde im Lichte der Anfangsphase, als Frankreich oft mit Tempo durch die letzte Linie kam, eher vermieden. Für die Französinnen war es nach dem frühen 1:0 nach zehn Minuten in Ordnung, im vierten statt im sechsten Gang weiter zu machen; Österreich stand auch tief und lud Frankreich nicht zu Risikopässen in den Strafraum ein. Dennoch kam der nun feststehende Gruppensieger noch zu zwei Pfostentreffern.
Nach einer Stunde bzw. nach 75 Minuten brachte Fuhrmann die nächste Tranche an frischen Spielerinnen – darunter die zuletzt angeschlagene Laura Feiersinger und die brutal schnelle Debütantin Lisa Kolb (19), die schon in jungen Jahren mit Rückenproblemen zu kämpfen hatte. Mit den Neuen schob Österreich nun doch etwas weiter nach vorne, ging die Französinnen etwas höher an. Die Neubesetzungen der Außenbahnen halfen Österreich dabei, den Druck in der letzten halben Stunde etwas zu minimieren.
Das Tor zum 3:0-Endstand war einerseits verdient, hat sich aber andererseits auch nicht mehr wirklich abgezeichnet.
Alles im Rahmen
Die Strategie, die beim Hinspiel mit einem Punktgewinn belohnt wurde, war spätestens nach einer halben Stunde obsolet – danach ging es vor allem darum, das Ausmaß der Niederlage in Grenzen zu halten und Kräfte für das entscheidende Match gegen Serbien vier Tage später zu schonen. Denn selbt ein Punkt in Frankreich wäre wertlos, wenn danach Serbien nicht besiegt wird. Billa, Aschauer, Enzinger und Dunst hatten vorzeitig Feierabend, dafür bekam Feiersinger eine wichtige (und sehr anständige) halbe Stunde Matchpraxis und Lisa Kolb – die erste aus dem hochgelobten 2001er-Jahrgang, die zu einem A-Einsatz kommt – agierte beim Debüt so furchtlos und flink, wie sie eben ist.
Letztlich blieb alles im Rahmen. Nachdem man Frankreich beim 0:0 gereizt und zu einem Pflichterfolg gezwungen hat, war die Chance auf den Auswärts-Punktgewinn ohnehin minimal. Gepaart mit der angespannten Personalsituation und dem Umstand, dass vier Tage später ein eigener Pflichtsieg wartet, war das 0:3 im Bereich des Erträglichen.
Der Fokus gilt nun Serbien, und Irene Fuhrmann warnt. „Die sind nicht mehr die Zerstörer-Truppe, die sie vor zwei Jahren in der letzten Quali waren“, sagt sie, „jetzt wollen die wieder spielen.“ Für die Serbinnen geht es um nichts mehr, sie sind am dritten Platz einzementiert, und in den drei Duellen in den letzten drei Jahren – einem 4:0-Erfolg und einem 1:0-Sieg auswärts sowie einem bitteren 1:1 in der Südstadt – war Österreich stets das wesentlich höherklassige Team.
Das Rennen um das EM-Fix-Ticket
Die drei besten Zweiten fahren wie die neun Gruppensieger direkt zur auf 2022 verschobenen EM in England, die restlichen sechs gehen ins Playoff um drei weitere Plätze. Die ÖFB-Frauen haben dafür eine gute Ausgangsposition, es liegt aber dennoch nicht alles in den eigenen Händen.
Klar ist mal auf jeden Fall: Am Dienstag in Altach gegen Serbien braucht Österreich praktisch sicher einen Sieg – und obwohl man Frankreich vor einem Monat sogar einen Punkt abgetrotzt hat, kann es sogar sein, dass ein Sieg gegen Serbien nicht reicht. Das liegt u.a. daran, dass zwei Gruppen – jene mit Dänemark und Italien sowie jede mit Finnland, Portugal und Schottland – in Folge von coronabedingten Absagen erst im neuen Jahr abschließen werden.
Belgien spielt daheim gegen Tabellenführer Schweiz. Gewinnt die Schweiz, bleibt Belgien mit 18 Punkten Zweiter – Österreich wäre mit einem eigenen Sieg gegen Serbien vorbei. Gewinnt Belgien, fällt die Schweiz auf Platz zwei zurück – läge im Zweiten-Ranking dann aber sicher hinter Österreich. Blöd für die ÖFB-Frauen wäre ein Remis zwischen Belgien und der Schweiz – dann wäre Belgien mit 19 Punkten und einer dramatisch besseren Tordifferenz vor Österreich.
Italien spielt auswärts gegen Tabellenführer Dänemark. Da Italien das ausstehende Spiel 2021 gegen Israel ziemlich sicher gewinnen wird, sollte Österreich auf einen dänischen Heimsieg hoffen. Dänemark braucht ein Remis, um den Gruppensieg auch rechnerisch zu fixieren. Im letzten Moment hat England die Quarantäne-Bestimmungen für Dänemark gelockert, womit die England-Legionärinnen – allen voran Pernille Harder – nun doch spielen können. Bei einem Remis hinge für Österreich alles daran, wie hoch Italien gegen Israel gewinnt. Vor einem Monat in Empoli hat Dänemark 3:1 gewonnen.
Island muss nach dem 1:1 gegen de-facto-Gruppensieger Schweden im September nur noch in Ungarn gewinnen, und zwar genauso hoch wie Österreich zeitgleich gegen Serbien, um vor den ÖFB-Frauen zu landen.
Und die Gruppe E hinkt sogar noch zwei komplette Spieltage zurück. Hier geht es drunter und drüber: Topf-1-Team Schottland hat mit Auswärtsniederlagen in Finnland und Portugal einen Rückstand aufgerissen und kann fix nicht mehr einer der besseren Gruppenzweiten werden. Finnland und Portugal haben gegeneinander 1:1 gespielt und ihre Spiele gegen die Nachzügler bisher gewonnen. Beide könnten Österreich im Zweiten-Ranking noch überholen. Das ist zwar unwahrscheinlich, aber eben auch nicht auszuschließen.