Zwei Jahre Europacup-Sperre und 30 Millionen Euro Strafzahlung – so lautete das Urteil der UEFA gegen Manchester City. Der englische Top-Klub und seine Besitzer aus Abu Dhabi wehren sich dagegen. Hier zusammen gefasst: Worum geht’s, wie geht’s weiter und was steht auf dem Spiel?
Wurde City nicht schon einmal bestraft?
Ja, 2014 und es ging schon damals um die Financial-Fair-Play-Regeln der UEFA. Diese besagen grob, dass das Missverhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben über einen Zeitraum von drei Jahren einen gewissen Betrag nicht überschreiten darf und limitieren den Betrag, den Klub-Eigentümer zuschießen dürfen, um Verluste auszugleichen.
Als ein Einhalten der FFP-Regeln für die Saison 2013/14 erstmals für ein Antreten in der Champions League bindend war, hat City ebenso wie PSG diese nicht eingehalten. City und PSG hatten gedroht, die UEFA in Sachen Financial Fair Play vor alle verfügbaren Gerichte zu zerren und um dies zu Verhindern, verhandelte Gianni Infantino – damals UEFA-Generalsekretär – hinter dem Rücken der UEFA-Kontrollgremien mit den beiden Klubs bzw. den Herrscherhäusern in Katar (PSG) und Abu Dhabi (Man City) an einer Lösung, die im Grunde ein Kotau vor den Scheichs war.
PSG musste 20 Millionen Euro zahlen (für ein Defizit von 220 Millionen). Bei City hatte sich das Kontrollgremium aber zwischen Infantino und den Scheich gedrängt; es brauchte die Intervention von Michel Platini (damals UEFA-Präsident), um City ebenfalls mit 20 Millionen Euro Strafe (plus 29 Millionen auf Bewährung) davonkommen zu lassen.
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Mehr dazu hier in der Story des „Spiegel“.
Was wird Man City nun vorgeworfen?
Es geht wieder um die Umgehung der Financial-Fair-Play-Regeln der UEFA, diesmal im Speziellen um das Zuschießen von Eigentümer-Geld sowie Urkunden- und Bilanzfälschung. Im Zuge der „Football Leaks“ veröffentlichte der „Spiegel“ im November 2018 inkriminierende klubinterne E-Mails.
Vereinfacht geht es darum, dass die Geldflüsse von Eigentümer Scheich Mansour über diverse Staatsfirmen unter Familienkontrolle abzulaufen haben und somit de facto private Zahlungen in beliebiger Höhe als reguläre Sponsorverträge verschleiert werden. Dies geschah auch mit nachträglich adaptierten Summen in heimlich vordatierten Verträgen.
Das ging so weit, dass etwa die via Stadion- und Trikotsponsor Etihad abgewickelten Zahlungen des Eigentümers die des tatsächlich von Etihad selbst geleisteten Betrages um 850% übersteigen. Neben der Fluglinie Etihad werden auch die Telekommuniktionsfirma Etisalat, die Investmentfirma Aabar und der Tourismusverband von Abu Dhabi für solche Umgehungs-Konstrukte herangezogen.
Schon im Jänner 2014 stellten Wirtschaftsprüfer fest, dass rund 85 Prozent aller Sponsorgelder von Man City aus Abu Dhabi kommen. Sprich: Alles steht und fällt mit dem Geld von Scheich Mansour.
Warum reagiert die UEFA anders als 2014?
Im Lichte der Veröffentlichungen hat die UEFA im Frühjahr 2019 erneute Ermittlungen aufgenommen. Die personelle Situation und auch die Machtgefüge haben sich in den letzten sechs Jahren verschoben.
Michel Platini ist aus der Fußball-Familie ausgestoßen worden und Gianni Infantino arbeitet als FIFA-Präsident mit der Klub-WM daran, der UEFA die Hoheit über den Klub-Fußball zu entreißen – mit schier unendlichem Preisgeld und alleine 50 Millionen Euro nur an Startgeld.
Im Falle von Manchester City ist – anders als noch 2014 – nicht nur die Tatsache evident, dass FFP verletzt wurde. Nun ist auch öffentlich geworden, mit welch betrügerischen Mitteln und mit welchem Vorsatz dies geschehen ist. Mit Platini und Infantino hatten es die Großklubs leicht, weil die beiden selbst an einer Verschiebung zugusten der großen Namen interessiert waren.
Aleksander Ceferin, der seit 2016 Platini-Nachfolger als UEFA-Präsident ist, ist eher daran interessiert, zumindest ein weiteres Aufgehen der Schere zwischen Großklubs und dem Rest zu verhindern und eine gewisse Balance zu bewahren. Dies ist etwa der Hintergedanke der Einführung der Conference League ab 2021 als Gegengewicht zur Champions League.
Zentral für Ceferins Bestreben, im Machtkampf gegen Infantino die Schere nicht noch weiter aufgehen zu lassen, sind die Financial-Fair-Play-Regeln und dass diese auch eingehalten werden.
Wie argumentieren die Streitparteien?
In der Causa Man City steht die Frage auf dem Prüfstand, ob die Klubs sich generell an Vorgaben der UEFA halten müssen. Die Argumentation der UEFA lautet: City habe sich mit der Teilnahme an UEFA-Bewerben sowie dem Einstreichen der entsprechenden UEFA-Prämien an die Regeln gebunden. Die Eigentümer sollen nicht glauben, dass für sie die Regeln der Bewerbe nicht gelten, nur weil sie viel Geld haben.
Der bestrafte Klub drängt in Richtung „Nein“: Man sieht den Verband dort als Ankläger und Richter in Personalunion (was juristisch nicht stimmt, die anklagende Kontroll-Instanz ist offiziell nicht Teil der UEFA) sowie als Konkurrenten um Einnahmen und nicht nur als Verwaltungskörper. Es sei unlauter, Klubs Beschränkungen wie FFP aufzuerlegen.
City hat die Echtheit der im November 2018 veröffentlichten E-Mails nie explizit bestritten, sich aber darüber beklagt, dass sie aus dem Zusammenhang gerissen und vor allem durch einen illegalen Hack geleakt worden sind. Letzteres ist zweifellos richtig, aber es war nicht die UEFA oder deren Kontroll-Instanzen, die diesen Hack vorgenommen haben. Die Anklage stützt sich auf veröffentliche Informationen in Folge eines Hacks von Drittpersonen. Eine juristische Grauzone.
Diese Fragen wird der Sport-Gerichtshof CAS beantworten müssen.
In welche Richtung tendiert der CAS und bis wann braucht es eine Entscheidung?
Am 15. Juli ist Nennschluss für die Europapokal-Bewerbe der Saison 2020/21. Bis dahin müssen die nationalen Verbände ihre Teilnehmer bekannt gegeben haben. Sollte City gegen die CAS-Entscheidung vor ein ordentliches Gericht ziehen, wäre dieses Datum aber kaum zu halten und die Sperre für 2020/21 vermutlich ruhend gestellt.
In welche Richtung der CAS tendiert, ist schwer einzuschätzen. Im Moment gibt es nur juristische Einschätzungen von außen. Im Forbes-Magazin etwa mutmaßt Bobby McMahon, dass City in den Anhörungen bei der Kontrollinstanz der UEFA nicht kooperiert hat, weil man so tatsächlich Verschleierung der Zahlungen zu verschleiern versucht hat.
Citys Statement, die UEFA wäre „Initiator, Ankläger und Richter in einem“, erkennt Forbes zwar grundsätzlich an, aber: „Der Sport befindet sich nicht außerhalb des Gesetzes, das formale Rechtssystem hat aber schon oft anerkannt, dass sich der Sport eigene Regeln auferlegen kann und auch das Recht hat, diese durchzusetzen.“ Zudem handle es sich im Falle von Manchester City nicht primär um die Verletzung von FFP, sondern um Bilanzfälschung – und das ist auch vor einem ordentlichen Gericht eine Straftat.
Tatsache ist jedenfalls, dass das CAS vor drei Monaten schon den Einspruch Man Citys gegen die Ermittlungen abgeschmettert hat.
Welche Tragweite hat die CAS-Entscheidung?
Die Causa hat das Potenzial, die radikalsten Umwälzungen seit dem Bosman-Urteil im Dezember 1995 bringen.
Damals ging es nur vordergründig um den Transfer eines belgischen Fußballers in die zweite französische Liga, grundsätzlich aber darum, ob Transferzahlungen nach Vertragsende rechtens und die Ausländer-Beschränkung mit EU-Recht vereinbar sind (klare Antwort damals: Nein).
Die Platini-Infantino-UEFA hat es vor sechs Jahren mit Kooperation und Appeasement versucht. Die Ceferin-UEFA hat sich nun entschlossen, einem der potentesten Player die Stirn zu bieten. Der Tenor ist: Das könnte ihr Untergang sein – und selbst, wenn die UEFA die Schlacht gewinnt, ist nicht gesagt, dass sie auch den Krieg gewinnen wird.
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