Vieldeutiges 0:0 in Polen für gutes ÖFB-Team

Österreich kommt in Warschau mit einer überwiegend recht starken Vorstellung zu einem 0:0. Das Spiel ist ebenso ambivalent wie das Ergebnis: Einerseits war das ÖFB-Team die bessere Mannschaft, andererseits ist kein Tor und damit auch kein Sieg gelungen. Einerseits ist es ein Remis auswärts beim Gruppenkopf – andererseits ist durch den verpassten Sieg das kommende Match in Slowenien zum Pflichtsieg geworden.

Polen – Österreich 0:0

Franco Foda hatte vor dem Spiel angekündigt, nicht ganz so hoch pressen zu wollen wie beim 6:0 gegen Lettland. Das waren die Worte. Tatsächlich machte Österreich vom Anpfiff an genau das – nämlich hoch vorne drauf gehen. Innerhalb weniger Sekunden wurde Polen das erste Mal hinten reingedrängt und die erste Torchance kreiert.

Österreich klar dominant

In dieser Tonart ging es weiter. Drei Österreicher blieben hinten und sicherten ab (Posch und Dragovic, dazu mit Lainer der etwas defensivere der Außenverteidiger), während sich alle anderen oft tief in die polnische Hälfte begaben. Auffällig war in der Anfangsphase, dass die ÖFB-Flügelspieler Lazaro und Alaba deutlich näher an den Außenlinien agierten als gegen Lettland, als vor allem Alaba eher einen Achter spielte.

Dies hatte zwei Effekte. Zum einen konnten durch die doppelte Besetzung auf der Außenbahn der polnische Außenspieler in 2-gegen-1-Situationen verwickelt werden. Da die polnische Abwehrkette sehr eng einrückte, waren oft die Mittelfeld-Außen Grosicki und Kownacki die eigentlichen Außenverteidiger. Gerade Grosicki war defensiv gegen Lazaro und situativ Lainer bzw. den nach außen rückenden Sabitzer völlig überfordert. Nach einer halben Stunde durfte er mit Kownacki die Seiten wechseln.

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Österreich hoch und aggressiv

In den ersten 20 Minuten traute sich die Polen kaum aus dem Schneckenhaus. Oder: Konnten sie gar nicht herauskommen. Denn bei Ballverlusten schalteten die ÖFB-Spieler ungemein schnell, gingen ins Gegenpressing und ließen die in der Eröffnung bzw. beim offensiven Umschalten langsamen Polen keinerlei Zeit am Ball.

Und wenn die Polen doch einmal etwas Zeit am Ball hatten, fehlte jeglicher Plan im Aufbau. Selbst der eine Konter, bei dem Grosicki den Pfosten traf, hatte eine Abseitsstellung. Diese Situation zeigte den Gastgebern aber, dass die Restverteidigung der sehr hoch stehenden Österreicher etwas luftig war. So versuchten sie in der Folge, die Bälle gleich schnell nach vorne zu bringen.

Kurze polnische Druckphase

Das brachte eine gute polnische Chance in der 26. Minute und einen gefährlichen Kopfball von Lewandowski nach Grosicki-Zuspiel in der 29. Minute, kurz darauf musste ÖFB-Torhüter Stankovic nach einem Eckball einen Versuch von Glik parieren. Nach dieser rund zehnminuten Druckphase zog sich Polen aber wieder ganz weit hinten zurück.

Wiederum wurde der Strafraum mit allen Spielern der Viererkette verbunkert, die Mittelfeld-Außen rückten nach hinten und bildeten eine Sechserkette. Mit Alaba, der zunehmend wieder ins Halbfeld einrückte, kontrollierte Österreich den polnischen Sechserraum, hatte extrem viel Ballbesitz, tat sich aber schwer, gegen die ungemein dichte Abwehr in aussichtsreiche Abschlusspositionen zu kommen.

Polnische Adaption für Halbzeit zwei

Nach dem Seitenwechsel gab Polen die Sechser-Abwehr auf und stellte sich wieder im 4-4-1-1 auf. Das hieß auch, dass Kownacki und Grosicki (bzw. später Błaszczykowski und Szymański) höher agierten. Auch dies hatte wiederum zwei Effekte: Zum einen standen die beiden Ketten nun kompakter und mit passenderen Abständen zueinander. Und zum anderen waren die Mittelfeld-Außen in einer besseren Position, um das Spiel in Richtung österreichisches Tor zu tragen.

So konnte sich Polen nicht nur aus der österreichischen Umklammerung lösen, sondern mitunter auch gefährlich in den ÖFB-Strafraum eindringen. Österreich spielte immer noch den deutlich kultivierteren Fußball und vor allem Laimer zwang die Polen mit seinem unermüdlichen Anlaufen zu Ungenauigkeiten im Aufbau. Spielerisch war Polen weiterhin schwach, aber die Hausherren hielten das Geschehen halbwegs vom eigenen Tor weg.

Obwohl der alte Błaszczykowski keine 20 Minuten geschafft hat, ehe er mit einer Zerrung wieder raus musste (oder gerade deswegen?): Polen schien am Ende das Team mit den größeren Kraftreserven zu sein. Bei Österreich hingegen ging der enorm starke Laimer erst auf die weniger laufintensive Außenbahn (77.) und dann ganz aus dem Spiel (89.). In der Schlussphase war Polen dem Siegtreffer sogar noch näher als Österreich.

Fazit: Weder gut noch schlecht – oder sowohl als auch

Das ÖFB-Team hat mit diesem Auftritt einen lange althergebrachten Blödsinn als solchen entlarvt: Dass man auswärts mit einem guten Team vorsichtiger agieren soll als daheim, eben weil es ein Auswärtsspiel ist. Hätte Österreich dies getan, hätten sie ein nach dem 0:2 in Slowenien verunsichertes und in der Heimat ob der biederen Spielweise schwer in der Kritik stehendes polnisches Team stark gemacht. Es sagt einiges über den Gemütszustand der Polen aus, dass sie sich lange bei Referee Kassai darüber beschwerten, dass er auf Krychowiaks plumpen Versuch, in der 84. Minute einen Elfmeter zu schinden, nicht eingegangen war.

So aber hat Österreich alles getan, um den Auswärtssieg beim Gruppenkopf zu erringen. Die Spielanlage war aktiv, das Gegenpressing stark, es gab auch Chancen und die gelegentlichen Aktionen von Lewandowski – den man kaum über 90 Minuten ausschalten kann – hat man auch überstanden. Man war im Auswärtsspiel beim Topf-1-Team die bessere Mannschaft und hat sich wenig vorzuwerfen – vom Auslassen der handvoll Chancen abgesehen.

Das ist die eine Lesart dieses 0:0. Die andere ist: Polen ist der vermutlich schlechteste Gruppenkopf, gegen den Österreich in einer EM- oder WM-Qualifikation seit Jahrzehnten gespielt hat, und doch hat es in zwei Spielen zu keinem Tor und nur zu einem Punkt gereicht. Der Last-Minute-Heimsieg von Slowenien gegen Israel lässt das Auswärtsspiel in Ljubljana am 13. Oktober für Österreich zu einem Pflichtsieg werden – wegen des eigenen Aussetzers in Israel.

Die Leistung des ÖFB-Teams in Warschau war sehr in Ordnung und der Punkt ist das mindeste, was es verdient hat. Und doch hat dieses 0:0 das Leben der österreichischen Mannschaft eher nicht erleichtert.

 

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.