Der 27. Nachkriegs-Teamchef der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft heißt also Franco Foda. Der 51-Jährige Rekord-Trainer von Sturm Graz beerbt Marcel Koller. Ist das nun gut oder nicht? Zumindest lässt sich sagen: Der Foda von 2017 ist wohl deutlich geeigneter als der Foda von 2015. Und: Eine Katastrophe mit Anlauf ist er sicher nicht.
Nach dem unwürdigen Absägen von Sportdirektor Willi Ruttensteiner durfte man Schlimmstes befürchten. Die quer durch alle Medien und Social-Media-Plattformen brausende Welle der Empörung über die ewiggestrigen Ansichten diverser Präsidiums-Mitglieder dürfte aber zumindest ein Durchwinken von Andreas Herzog verhindert haben.
Die Herren mögen gerne mitreden und/oder die Öffentlichkeit genießen. Die medialen Prügel, die sie (völlig zu Recht) bezogen haben, waren für sie aber sicher kein Spaß.
Nun also Foda
Der erste Deutsche als ÖFB-Teamchef ist ein klassischer Kompromiss-Kandidat. Man wurde in den letzten Wochen das Gefühl nicht los, dass niemand mit offenen Armen und großer Begeisterung auf die Verkündung von Franco Foda als ÖFB-Teamchef gewartet hat – es hat aber auch irgendwie niemand ein großes Problem mit ihm. Es wirkte alles wie: „Na, dann soll’s in Gottes Namen halt der Foda machen, es gäbe wahrlich schlimmere Kandidaten.“
Auch irgendwie vielsagend, nach den diversen Fehlgriffen des ÖFB in der Vergangenheit – Constantini, Brückner, Krankl. Auch 2017 ist man noch froh, wenn bei der Teamchef-Suche kein völliges Desaster herauskommt. Ein Betrachten der Trainersuche mit dem Hoffen auf möglichst geringen Schaden.
Jetzt ist also Franco Foda herausgekommen. 51 Jahre alt (exakt 228 Tage älter als Marcel Koller am Tage seiner Bestellung). Er ist 14 Jahre älter als es Karl Decker 1958 war und 17 Jahre jünger als Karel Brückner 2008. Foda war österreichischer Meister und Cupsieger sowohl als Spieler als auch als Trainer (vor allem, weil die Punkte gegen die „Kleinen“ zuverlässig geholt wurden), absolvierte über 400 Pflichtspiele als Coach von Sturm Graz, war Herbstmeister in der vergangenen Saison und ist Tabellenführer in der aktuellen.
Foda ist kein Österreicher, womit man den Proponenten eines Kurses nach dem Grundsatz „Bitte kein einheimischer Ex-Star, der nur von seinem Namen von damals lebt“ den Wind aus den Segeln nimmt. Foda ist aber andererseits seit 20 Jahren nur mit einer kurzen Unterbrechung in Österreich tätig, womit jene befriedet sind, die fordern: Der Trainer sollte die Gegebenheiten im Land kennen.
Foda ist die kleine Lösung. Ein wenig phantasielos, weil er ja eh direkt vor der Tür steht. Er ist der kleinste gemeinsame Nenner. Keine visionäre Überraschung, kein unbedingter Impuls in Richtung Zukunft, den einige rückwärtsgewandten Landespräsidenten unbedingt verhindern wollten. Foda ist aber auch keine radikale Rücknahme der Entwicklung der letzten Jahre. Gewiss, mit Schöttel und Foda wird es mehr nach Gefühl als nach Daten gehen als unter Ruttensteiner und Koller.
Der neue Teamchef ist ein Griff in die Gegenwart. Immerhin. Und: Seine Wahl erfolgte einstimmig – nachdem (übereinstimmenden Berichten zu Folge) Hübel, Geisler, Sedlacek und Milletich erkannt haben, dass ihre Präferenz für Herzog nicht mehrheitsfähig ist.
An Foda abgearbeitet
Wer uns kennt, der weiß, dass wir uns in den letzten Jahren ziemlich an Franco Foda und seiner Arbeit bei Sturm Graz abgearbeitet haben. Foda war ewig auf sein flaches 4-4-2 einzementiert, das cleverere Gegner leicht ausmanövrieren konnten, wobei damals ein nicht besonders kreatives Mittelfeld-Zentrum ebenso wenig geholfen hat wie Innenverteidiger, die nicht besonders gut in der Spieleröffnung waren. Selbst Sachen, die offen sichtbar nicht funktionierten, wurden bei nächster Gelegenheit genauso wieder in den Sand gesetzt.
Nach seinem Jahr in Kaiserslautern (wo er unter anderem gegen den nunmehrigen Leipzig-Coach Ralph Hasenhüttl antrat) kehrte Foda 2014 nach dem Milanic-Abgang zu Sturm Graz zurück, wo er auch Neues ausprobierte. Das sah allerdings oft eher halbschwanger aus (hoch pressen, gleichzeitig tief stehen), was zu einem vermeidbar frühen Europacup-Aus und zu einem biederen Mittelfeld-Platz in der Bundesliga führte.
Im Herbst 2016 wurde dann verstärkt auf eine reaktive Spielweise gesetzt, was lange sehr gut funktionierte und Sturm den Herbstmeister-Titel einbrachte, sich im Frühjahr aber wiederum als etwas zu eindimensional erwies. Da gab es mehr Niederlagen als Siege.
In dieser Saison ist Sturm Graz erstaunlich flexibel: Ob Vierer- oder Dreierkette, Foda lässt beides spielen. Es gibt ein gutes Anpressen der gegnerischen Spieleröffnung (wie vor allem beim 1:0-Heimsieg gegen Salzburg zu sehen war), aber auch zielgerichtete Läufe aus dem Mittelfeld. Sturm erteilte Thorsten Fink beim 3:0 gegen die Austria zuletzt eine wahre Lehrstunde.
2011 war Foda schon einmal kurz davor, Teamchef zu werden. Es gab damals schon Gründe für ihn und Gründe gegen ihn (Fun fact: Der „Contra“-Artikel hatte damals fast dreimal so viele Leser wie der „Pro“-Artikel). Die Verpflichtung von Marcel Koller verhinderte dies. Fraglos: Jetzt ist Foda ein gereifterer, flexiblerer Trainer.
Etwas Zeit für den Generationswechsel
Die 16er-Generation – als solches kann man sie nun bezeichnen – ist im Nationalteam seit sieben Jahren zusammen. Das ist eine ungewöhnlich lange Zeit, vor allem in Österreich. Hierzulande wurde davor ja alle zwei Jahre der Neustart ausgerufen.
Einige der maßgeblichen Figuren des letzten Jahrzehnts – Christian Fuchs etwa, aber auch Zlatko Junuzovic – haben sich bereits selbst aus der Nationalmannschaft zurückgezogen. Andere aus der Kanada-Generation wie Prödl und Harnik werden bei der nächsten EM 2020 schon 33 Jahre alt sein und damit bereits an der Grenze. Marc Janko wäre dann sogar schon 37 Jahre: Er hat die Mehrzahl seiner Team-Einsätze definitiv schon hinter sich.
Sprich: Bis zum Start der Nations League im September 2018 und, noch wichtiger, zum Start der EM-Quali im März 2019 hat Foda nun Zeit, den Generationswechsel zu vollziehen. Dieser relativ weite Zeithorizont hilft ihm. Ebenso wie der Umstand, dass die neuen, jungen Hüpfer schon Gewehr bei Fuß stehen.
Die Junioren-Abwehr mit Philipp Lienhart (21, Freiburg), Kevin Danso (19, Augsburg) und Maximilian Wöber (19, Ajax), die gegen Moldawien bereits so zum Einsatz kam, zeigt dies; zumal Wöber in der Eredivisie nun auch zum Stammspieler wurde und beim Europa-League-Finalisten einen guten Eindruck hinterlässt.
Pretty solid. Not the physical monster that Davinson Sanchez was last season, but he’s a good passer, holds himself well so far.
— 11tegen11 (@11tegen11) 29. Oktober 2017
Auch Stefan Posch (20) hat sich bei seinem Klub Hoffenheim in der Dreierkette festgespielt. Sein Vereinskollege Florian Grillitsch (22, Hoffenheim) hat alle Anlagen, über Jahre hinweg das zentrale Mittelfeld zu seinem Reich zu machen, auch das haben die letzten beiden Spiele unter Koller gezeigt – von Pressingmonster Konrad Laimer (20) ganz zu schweigen. Auch Louis Schaub (22) hätte noch zehn Jahre im Team vor sich, wenn er nur endlich aus Österreich rauskäme, bald wird auch Hannes Wolf (18, Salzburg) ein Thema werden.
Hinzu kommt, dass routinierte, gereifte und mündige Spieler wie Julian Baumgartlinger (29, zuletzt wieder mehr Einsätze bei Leverkusen) und Marko Arnautovic (28) absolute Führungskräfte sind und auch David Alaba (25) wieder deutliche Anzeichen von Steigerung zeigt, seit Jupp Heynckes wieder sein Trainer beim FC Bayern ist.
Spieler sind hohes Coaching-Niveau gewöhnt
Für die zwei Jahre (plus hoffentlich zumindest ein halbes obendrauf, sollte die Qualifikation für die EM 2020 gelingen) steht Foda damit schon jetzt ein breiter Grundstock an Spielern zur Verfügung, mit erfahrenen Leadern genauso wie mit (vielen!) jungen, gut ausgebildeten und denkflexiblen Spielern zur Verfügung. Es sollte keine Hexerei sein, daraus schnell eine funktionierende Einheit zu machen.
Natürlich aber muss Foda auch mit eingeschliffene Hierarchien zurechtkommen (Arnautovic, Alaba, Dragovic) oder sie so zurechtbiegen, dass er diese starken Persönlichkeiten auf seiner Seite hat. Ansonsten wird es schwierig, das musste auch Marcel Koller erfahren. Foda muss eine natürliche Autorität gegenüber den Spielern entwickeln, die nicht nur au seiner Position als Teamchef fußt, sondern auch inhaltliche Grundlagen hat.
Die Spieler aus der deutschen Bundesliga, der englischen Premier League aber auch aus der holländischen Eredivisie sind strategisch flexibles Denken gewohnt und Coaching, das auf hohem internationalen Niveau angesiedelt ist. Das konnte Marcel Koller zumindest in der Vorbereitung auf die Matches bieten.
Ziele sind klar
Das langfristige Ziel für Foda kann es nur sein, den Generationswechsel zu vollziehen und den schon teilweise gelegten Grundstein für das Nationalteam des kommenden Jahrzehnts auszubauen, zu gestalten und zu einer sowohl auf als auch außerhalb des Platzes funktionierenden Truppe zu formen.
Sportlich, das ist völlig klar, kann die Zielsetzung nur lauten, sich für die in ganz Europa stattfindenden EM 2020 zu qualifizieren. Ob über die reguläre Qualifikation oder über die Hintertür Nations League: Egal. Der Anspruch des ÖFB-Teams kann es nur sein, bei einem Turnier mit 24 Teilnehmern dabei zu sein.
Vor allem nach der grandiosen Aufbauarbeit, die Willi Ruttensteiner in den letzten 16 Jahren und Marcel Koller in den letzten sechs Jahren geleistet haben. Nun ist es also an Franco Foda und dem neuen Sportdirektor Peter Schöttel, die Arbeit dieser beiden sicherlich großen Persönlichkeiten in der österreichischen Fußball-Geschichte mit eigenem Erfolg auch im Nachhinein zu würdigen.
Alles Gute, Franco Foda!