Contra: Foda als Teamchef

Die BILD hat es bestimmt: Franco Foda wird seit Sonntag als Fix-Nachfolger von Dietmar Constantini gehandelt. Ob die Informationen des deutschen Boulevards stimmen oder trügen, wird sich zeigen. Aber er ist ja die oberflächlich logische Variante. Er stellt irgendwie die zufrieden, die keinen Österreicher wollen, aber auch die, die einen Vertrauten der heimischen Liga fordern. Er hat den Ruf als guter Fachmann, wird aber nicht allzu teuer sein. Er ist nicht zu verhabert, aber doch auch nicht ganz von heimischen Rücksichtnahmen losgelöst. Kaum jemand könnte sich ärgern. Auf ihn kann man sich einigen. Man sieht: Wenn man nur in Lobbys denkt, dann passt Foda irgendwie.

Auch das seltsame Festhalten an Constantini (deshalb wundert mich dieser Unsinn auch nicht so) seitens des ÖFB sprach für mich sofort für Foda. „Er wird wohl nicht vor einem Europa League-Herbst bei Sturm hinwerfen wollen“, dachte ich. Lediglich die Deadline, vor dem 15. November einen neuen ÖFB-Trainer haben zu wollen, passt nicht rein. Sturms letztes EL-Spiel ist am 14.12., das letzte Meisterschaftsspiel am 17.12.. Aber dem ÖFB wäre ja auch zuzutrauen, dass er für diesen Monat und das Ukraine-Testspiel ein Doppelamt akzeptiert.

Ich möchte außer Zweifel stellen, dass ich Franco Foda für einen viel versprechenden Trainer halte. Er ist alles andere als das Schlimmste, was dem ÖFB passieren könnte. Trotzdem wünsche ich mir eine andere Lösung für die kommenden Jahre. Mehrere Gründe sind dafür ausschlaggebend.

1. Foda fehlt internationale Erfahrung

In der österreichischen Liga reüssiert der geborene Mainzer mit Sturm Graz seit Jahren. Aus dem Pleiteklub formte er einen Cupsieger, aus dem Cupsieger einen Meister, aus dem Meister einen Beinahe-Champions-League-Teilnehmer. Beeindruckend! Doch das störende Beiwort „Beinahe“ vor „Champions League“ ist von Bedeutung. Bei seinen bisherigen großen internationalen Prüfungen konnte Foda nicht glänzen: 2011 gegen BATE in der CL ein unnötiges Aus; 2010 gegen Juventus im EL-Playoff gab es ebenfalls keine Überraschung; 2009 gegen Kharkiv gelang zwar der zurecht viel beachtete Aufstieg in die EL-Gruppenphase, Sturm blieb mit Platz 4 dort jedoch unspektakulär; 2008 flog man gegen den FC Zürich aus der UEFA-Cup-Quali.

Zwar kann er im Herbst nun ein zweites Mal mit Sturm die Europa League beackern – das ist gut – doch sein systematisch unspektakuläres 4-4-2 mitsamt der jeweils dazugehörenden Taktik brachte ihm gegen BATE im Hinspiel unser Urteil „So wie diese Partie inhaltlich nicht besonders prickeld [war]“ ein. Im erfolglosen Rückspiel folgte dann gar eines, das uns vom Nationalteam der letzten Jahre zu bekannt vorkommt: „Dann aber fehlte der Plan B„.

2. Sein Erfolg ist noch nicht bestätigt

Die heimische Liga mit Sturm (der theoretisch vierten Geige) zu gewinnen, ist natürlich beachtlich für einen jungen Trainer. Fußballerisch war die Liga trotz des Aufwärtstrends aber auch selten so weit hinter dem internationalen Maßstab wie im Moment (dass wir uns wie wahnsinnig über eine mögliche Rückkehr in die UEFA-Top-15 vor den maroden Schotten freuen würden, spricht Bände). Und selbst in der Meistersaison in dieser Liga sah Sturm gegen die besten Teams nicht besonders gut aus.

Nur nominell schwächere Gegner zu schlagen, klappt vielleicht in einer von (Hausnummer) zehn Meistersaisonen, ist aber für unser Nationalteam kein viel versprechender Erfolgspfad. Ist es Foda zuzutrauen, dass er ein Konzept entwickelt, das über das bei Sturm in Österreich erfolgreiche hinausgeht? Natürlich. Hat er das schon bewiesen? Natürlich nicht. Foda müsste seinen Erfolg mit Sturm erst einmal einigermaßen bestätigen und zeigen, dass er die Mannschaft noch weiter entwickeln kann.

3. Foda ist Österreicher

1996 hat Foda Deutschland als Spieler verlassen – da wurde Joachim Löw dort gerade erst Trainer (bei Fodas Verein, dem VfB Stuttgart). Seit 1997 ist seine Welt in Graz. Top-Ligen kennt er als Coach nicht – außer Ivica Osim hat er auch in Spielerjahren selbst keinen gehabt, von dem er sich für heute viel mitnehmen hätte können. Damit ist Foda trotz anders lautendem Pass eine österreichische Lösung.

Ich würde Foda liebend gerne in fünf bis zehn Jahren als Teamchef sehen, nachdem er in Deutschland einen Mittelständler geleitet und sich daran weiterentwickelt hat. Die selbe Anforderung würde ich auch an Andreas Herzog, Markus Schopp, Didi Kühbauer oder jeden anderen halbwegs viel versprechenden heimischen Jungtrainer stellen. Ohne lehrreiche Auslandserfahrung als Trainer ist die Eignung für das Team nicht wirklich da. Ohne dass die hautnahe Erfahrung des internationalen Niveaus den Trainer geprägt hat, wird das ÖFB-Team zu eben jener „Learning by doing“-Spielwiese, die es teilweise auch bei Constantini war (der immer wieder ausbrechenden Unruhe der besten Legionäre über die professionelle Diskrepanz zwischen Verein und Nationalteam inklusive).

4. Mit Sturm würde auch die heimische Liga einen Rückschlag erleiden

Was ich auch gegen Paul Gludovatz einzuwenden hätte (wenn der nicht ohnehin nicht in Frage käme): Ein Trainer, der einen österreichischen Meisterschafts-Underdog so erfolgreich aufbaut, wird genau dort dringend gebraucht. Foda war ein absoluter Glückfall für Sturm – aber auch für Österreich im Sinne der Liga-Entwicklung. Sturm fordert alle Mannschaften in der Liga und tritt in Europa garantiert nicht peinlich auf, sondern punktet verlässlich für die Fünf-Jahres-Wertung. Es steht zu befürchten, dass Sturm nicht wieder einen solchen Griff landet und mit Fodas Abgang zurückfallen wird. Für Sturm-Fans ist das schade genug, aber hat sich schon mal jemand gefragt, was Österreich dann mit einem vierten und fünften Europapokalstartplatz anfangen soll – geschweige denn diesen fünften zu halten?

Auf dieses Problem muss Sturm sich natürlich ohnehin vorbereiten. Aber gerade der ÖFB sollte sich nicht am Liga-Brain-Drain beteiligen (wie schon mit der Nominierung von Josef Hickersberger), sondern vielmehr Know-How ins Land importieren, von dem dann auch die Ligatrainer profitieren könnten (die ich derzeit allesamt für nicht schlecht besetzt halte). Aus dieser Perspektive wäre es ratsam für und nachhaltig vom ÖFB, sich im Ausland umzusehen. Trainer die Potential haben, aber noch keine endlose Erfolgsliste (die sie teuer machen würde) gibt es dort genug – viele davon können eh deutsch. (Damit der unumgängliche Boulevard mitmacht, müssen die halt ab und zu lustige Sprüche sagen.)

5. Foda muss beim Erfolg sehr loyal sein

Wie Martin Blumenau richtig sagt: Leitet Foda das heimmische Nationalteam mit Geschick, dann wird die Aufmerksamkeit von deutschen Klubs schnell groß sein. Ob der Trainer dann bei lukrativen Angeboten seinen Weg mit dem Nationalteam fortsetzt? Oder müsste dann wieder ein Trainer von vorne beginnen?

Auch das wird zugegeben allgemein ein Problem mit dem nächsten Trainer sein (sofern die Wahl nicht von Haus aus eine Katastrophe wird). Damit jemand mit Klasse im ÖFB-Team sein langjähirges Traumprojekt sieht, muss der Erfolg schon bahnbrechend sein. In dieser Hinsicht kann sich der ÖFB personell schwer absichern. Deshalb muss er es strukturell tun. Die Entwicklung der Mannschaft und Philosophie muss von einem kompetenten Sportdirektor mitgemacht werden, der auch dann bleibt und den Weg fortführt, sollte der Trainer gehen. Der ewige Neuaufbau muss enden.

Fazit

So, wer hätte das gedacht? Jetzt hab ich doch tatsächlich ein Plädoyer gegen einen Trainer gehalten, den ich sehr respektiere. Aber die genannten Punkte bereiten mir Kopfzerbrechen und sollten nicht ignoriert werden, wenn man an die langfristige Entwicklung des österreichischen Fußballs denkt. Foda wäre eine anständige Lösung für den Teamchefposten, aber auch unter Berücksichtigung des knappen Budgets – im Moment – nicht die optimale.

Zurecht mag man nun einwenden, dass man einen international etablierten (Punkte 1, 2), zukunftsfähigen (Punkt 5) Topp-Mann wird man zwar ohnehin nicht bekomme, aber gerade der drohende Liga-Qualitätsverlust (Punkt 4.) und die zumindest geringe Erfahrung bei einem hochprofessionell geführten, modernen Verein in einer Topp-Liga (Punkt 3) erscheinen mir bedeutende Unterschied zwischen Foda und etwa einem Marco Pezzaiuoli zu sein. Für dessen Engagement würde ich dem ÖFB übrigens ohne jedes Bauchweh gratulieren. (tsc)

Dieser Text ist Teil eines Pro/Contras. Die Pro-Haltung hat Georg eingenommen. In der Umfrage seid ihr am Wort.

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