Die großartige EM-Reise der ÖFB-Frauen ist zu Ende: In einem physisch recht harten und taktisch zuweilen recht wilden Semifinale gegen Dänemark fallen 120 Minuten lang keine Tore, ehe Österreich im Elfmeterschießen unterliegt. Geprägt wurde die Partie aus österreichischer Sicht durch die Mischung aus unbedingtem Willen und sich leerenden Kraftreserven.
Vor exakt vier Wochen hatte Österreich das dänische Team im letzten EM-Test regelrecht vorgeführt. Dass man jenes Spiel aber in keinster Weise als Referenz für das Halbfinale des EM-Turniers heranziehen kann, wurde schnell klar.
ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer vertraute wieder dem 5-4-1 / 4-4-2 – Hybridsystem, allerdings wegen des Kreuzbandrisses von Lisa Makas mit verändertem Personal und leicht adaptierten Rollenverteilungen. Statt Makas rückte Nici Billa ins linke Mittelfeld, dafür übernahm Sarah Zadrazil die zentral-offensive Rolle von Billa. Kirchberger war wieder retour in der Innenverteidigung, Schnaderbeck rückte auf die Sechs.
Schnelles Aufrücken bei Ballgewinn
Auffällig war, dass seitens der ÖFB-Frauen von Beginn an ins 5-4-1 geswitcht wurde, sobald Dänemark in die Aufbau-Formation kam. Andererseits wurde die defensive Struktur aber schnell aufgelöst, sobald Österreich den Ball in der gegnerischen Hälfte hatte. In diesen Situationen wurde konsequent aufgerückt – so sehr, dass selbst Carina Wenninger in der Nähe des dänischen Strafraums auftauchte, um zu pressen.
In einer dieser Situationen prallte der Ball aus kurzer Distanz auf die über Kopfhöhe gestreckten Arme von Maja Kildemoes, aber Sarah Puntigam zielte beim fälligen Elfmeter zu hoch.
Wie schon gegen Spanien wurde bei Österreich vorwiegend mit langen Bällen aufgebaut (ein Stilmittel, das schon im Dänemark-Test vermehrt eingesetzt wurde). Vorteil ist, dass man damit nicht anfällig dafür, im Mittelfeld in der Vorwärtsbewegung den Ball zu verlieren (wie das etwas beim Test in Holland sehr oft und mit schwerwiegenden Folgen passiert war). Andererseits war es von Burger, Feiersinger und Zadrazil schon sehr viel verlangt, vorne Bälle zu behaupten.
Dänemark viel vertikaler als Spanien
Dänemark spielte wieder mit dem asymetrischen 3-4-1-2, in dem der rechte Wing-Back (Theresa Nielsen) im Zweifel zurück rückte und Sanne Troelsgaard rechts ausfüllte, während der linke Wing-Back (Katrine Veje) auch gegen den Ball eher im Mittelfeld blieb. Pernille Harder spielte als etwas zurückgezogene Spitze zumeist hinter Nadim und Troelsgaard, genoss aber viele Freiheiten in jede Richtung.
Die dänische Reaktion auf die extrem statische und damit sehr harmlose Spielweise von Spanien gegen Österreichs 5-4-1 war, dass man nicht so horizontal spielte wie Spanien im Viertelfinale, sondern deutlich schneller den Vertikalball suchte, oder von den Außenpositionen in bzw. vor den Strafraum in den Zwischenlinienraum flankte – oder mit Dribblings versuchte, Österreicherinnen in 1-gegen-1-Situationen zu verwickeln und so durchzukommen.
Eine Schlacht mit vielen Opfern
Die Folge waren vor allem mehr und schnellere dänische Ballverluste, die wiederum von Österreich dazu genützt wurden, selbst wieder den Ball schnell nach vorne zu bringen, nachzurücken und Dänemark so zum vorübergehenden Rückzug zu zwingen. So entstand ein Spiel, das wenig wirkliche Struktur entwickeln konnte und oft eher wild wirkte.
Außerdem begünstigte dieses gehetzte Spiel Zweikämpfe von hoher Intensität. Das bekam etwa Nici Billa zu spüren, die noch vor der Pause mit einem Knochenmarksödem an der Fußwurzel ausgewechselt werden musste. So wie auch Line Jensen, deren Bänder im Knie bei einem unglücklichen Duell mit Nadine Prohaska Schaden genommen haben, auch sie musste raus. Sarah Puntigam wurde von einer Gegenspielern im Gesicht getroffen, was zu Zahnschmerzen führte – und Manu Zinsberger bekam einen Schlag auf’s Jochbein.
Zu umständlich und zu ungenau
Wenn Österreich vorne in Strafraumnähe kam, wurde augenscheinlich versucht, sich in möglichst gute Schusspositionen zu bringen. Dabei wurden aber sehr oft die mittelguten Shot Locations nicht genommen – das sah sehr umständlich aus und ermöglichte es der dänischen Abwehr, letztlich die Szenen zu klären, bevor ein österreichischer Abschluss kam.
Laura Feiersinger kann symbolhaft für die Vorstellung ihres Teams gelten: Vollster Einsatz, gerannt und gekämpft und sich bis zur letzten Erschöpfung in das Spiel festgebissen, aber im entscheidenden Moment zu ungenau und nicht mit der geistigen Frische gesegnet, mit der Österreich durch das bisherige Turnier gesegelt ist. Dass sich der Kraft-Tank der ÖFB-Frauen nach vier intensiven Spielen leerte, merkte man mit Fortdauer des Spiels immer deutlicher.
Dänemark adaptiert System und Besetzung
In der zweiten Hälfte adaptierte Dänemarks Trainer Nils Nielsen seine Formation ein wenig, diese ging – obwohl im Ballbesitz weiterhin eine Dreierkette hinten verteidigte – nun deutlicher in Richtung 4-2-3-1. Mit Frederikke Thøgersen kam eine dribbelstarke als neue Gegenspielerin für Aschauer, die eher kraftvolle Troelsgaard ging ins Mittelfeld-Zentrum – die schwer gelb-rot-gefährdete Maja Kildemoes hatte weichen müssen.
Mit dieser Umstellung konnte Nielsen für sein Team ein zuvor tendenziell ausgeglichenes Match immer mehr zu Gunsten seines Teams drehen. Troelsgaard schaffte es zunehmend besser, die Kreise der nach innen ziehenden Prohaska und der nach vorne pressenden Zadrazil einzuengen – umso mehr war Österreich offensiv auf den langen Ball in Richtung Feiersinger oder Burger limitiert. Und Aschauer war weiterhin viel defensiv gebunden und konnte selten gefahrlos nach vorne mitgehen.
Kaum noch Kraft
Österreich wollte zwar immer noch bei möglichst jedem Ballgewinn nach vorne aufrücken, aber es gelang immer seltener, sich vorne festzusetzen. Auf der anderen Seite häuften sich nun dafür die Chancen für Dänemark: Einmal rettete Zinsberger aus kürzester Distanz gegen Simone Boye, einmal entschärfte sie einen scharfen Schuss von Pernille Harder, dann war sie gegen Katrine Veje da. Auch bei den vielen Halbchancen der Däninnen war die Bayern-Legionärin sicher zur Stelle.
Als nach 90 torlosen Minuten die Verlängerung folgte, waren die leeren Akkus bei Österreich – wo nun Viktoria Pinther den Platz von Sarah Puntigam eingenommen hatte – immer deutlicher zu erkennen. Dänemark war in dieser halben Stunde die strukturiertere Mannschaft. Das Turnier zum einen, vor allem aber sicherlich auch das extrem physisch intensiv geführte Halbfinale sorgten dafür, dass sich Österreich nur noch ins Elfmeterschießen schleppen konnte.
Dort hielt Manuela Zinsberger zwar wieder einen Schuss, aber weder Feiersinger, noch Pinther oder Aschauer konnte ihre Versuche verwerten. Dänemark steht damit im Endspiel.
Fazit: Dänemark routinierter und mit mehr Reserven
Dass Sarah Zadrazil einmal recht früh im Spiel vorne draufpresste und nach danach verwundert die Arme gehoben hat, weil niemand mitgemacht hatte, zeigt, wie extrem diszipliniert die ÖFB-Frauen über das ganze Turnier gespielt haben – weil diese kleine und im Grunde bedeutungslose taktische Unsauberkeit so unüblich war, dass sie auffiel.
So weit es die Kräfte zuließen, war Österreich auch in diesem Halbfinale gegen Dänemark wieder taktisch diszipliniert und trat als absolute Einheit auf; aber wie schon gegen Spanien war die Präzision im Angriffsdrittel zu gering und damit die Torchancen kaum vorhanden. Andererseits schaffte man es aber – auch dank der einmal mehr sehr starken Manuela Zinsberger im Tor – wieder ohne Gegentor zu bleiben.
Österreich hat in 510 Turnierminuten nur ein einziges Gegentor kassiert – das ist die beste Quote von allen 16 Teilnehmern (auch Finalist Holland hat nur einen Gegentreffer geschluckt, aber 60 Minuten weniger gespielt). Wohlgemerkt aber ist Österreich vor dem Turnier im FIFA-Ranking nur die Nr. 14 unter den 16 Teilnehmern gewesen.
In diesem Halbfinale, dessen Erreichen alleine schon eine der größten Sensationen in der Geschichte des Frauenfußballs darstellt, war Dänemark die etwas bessere, etwas routiniertere Mannschaft. Und auch jene, die noch mehr Kraftreserven übrig hatte.
Holland – England 3:0
Der Gegner im Finale – und zweifellos der Favorit im Endspiel – ist Gastgeber Holland. Wie Dänemark stehen die niederländischen Frauen ebenso zum ersten Mal überhaupt in einem großen Finale. Und zwar hochverdient: Gegen das bislang recht souveräne Team aus England war man in allen Belangen besser. Nach 22 Minuten sorgte Miedema per Kopf für die Führung, damit hatte Holland den Gegner, wo Holland den Gegner haben wollte.
Das englische Spiel ist davon abhängig, nicht in Rückstand zu geraten. Da nämlich treten die Schwächen in der eigenen Spielgestaltung zu Tage, vor allem gegen ein Team von hoher Qualität. Dass Holland speziell im Mittelfeld das beste Team dieser EM ist, zeigten Danielle van de Donk und vor allem die einmal mehr überragende Jackie Groenen in der Folge. Man ließ England nie wirklich gefährlich werden, hielt die Lionesses immer auf Distanz – und als Van de Donk nach einer Stunde einen völlig verunglückten Rückas von Fara Williams zum 2:0 verwertete, war das die Entscheidung. Das 3:0 in der Nachspielzeit (Millie Bright fälschte nach einem Konter ins eigene Tor ab) war nur noch Draufgabe.
Vor allem die relative Leichtigkeit, mit der Holland dieses (auf dem Papier) vorweggenommene Finale für sich entschied, war extrem beeindruckend. Oranje ist bisher sicherlich jenes Team, das am stabilsten gespielt hat und die wenigsten Schwächen offenbarte. In einem Finale, mit dem vor dieser EM wirklich niemand gerechnet hat, ist Dänemark der klare Außenseiter.