Wie verteidige ich gegen einen wirklich starken Gegner – von vorne bis hinten? Unter diesem Motto stand recht offensichtlich das letzte Länderspiel des Jahres für das ÖFB-Team. Obwohl ein an sich irreguläres Tor nach einem Eckball und ein unhaltbarer Weitschuss für einen 2:1-Sieg der weitgehend lustlosen Brasilianer sorgten, war es aber ein guter Test. Vor allem mit Blick auf die schweren Quali-Auswärtsspiele im Jahr 2015.
Grundsätzlich agierten beide Teams mit einem sehr ähnlichen System: Sowohl Marcel Koller als auch Carlos Dunga setzten auf ein 4-4-1-1, in dem die hängende Spitze (Junuzovic bzw. Neymar) oftmals praktisch auf einer Höhe mit dem vordersten Mann agierte. Die Aufgaben der beiden waren aber völlig unterschiedlich ausgelegt.
Hohes Verteidigen
Wenn sich der Ball bei Brasiliens Abwehrkette befand, rückten Junuzovic und Okotie auf annähernd eine Höhe und isolierten damit Luiz Gustavo. Weil gleichzeitig Fernandinho im Deckungsschatten der beiden (als zwischen Juno/Okotie und der brasilianischen Abwehr) befand, wurde der Aufbau der Brasilianer auf die Flügel gelockt – weg vom Zentrum, weg von Neymar. Zudem wurden die Außenverteidiger Danilo und Filipe Luis oft recht schnell attackiert.
Wirklich aktiv die brasilianische Spieleröffnung liefen Junuzovic und Okotie aber nur sehr selten an, am Auffälligsten in der 29. Minute, als man Brasilien zwang, den Ball zu Goalie Diego Alves zurückzuspielen, der die Kugel dann nach vorne drosch.
Verteidigen im Zentrum
Einen Stock weiter hinten, also im Mittelfeld, hatte Österreich ebenfalls eine Strategie am Start, wie man den Gegner behindern kann. Weder Luiz Gustavo noch Fernandinho sind echte Spielgestalter von hinten heraus, darum mussten Brasilien Flügelspieler Oscar und Willian immer wieder recht weit einrücken, um im Mittelkreis bzw. dessen Nähe so etwas wie Kreativität zu etablieren.
Im Gegenzug aber schoben Österreichs Mittelfeld-Außen Harnik und Aranautovic ebenso Richtung Ball, also ins Zentrum, und stellten somit eine Überzahl in Ballnähe her und verengten den Raum für den brasilianischen Aufbau gezielt. Nur hin und wieder gelang es, mal einen Ball zu Neymar durchzustecken. In diesen Fällen war aber vor allem der wie schon gegen Russland überragend agierende Dragovic zur Stellen.
Verteidigen mit Spezial-Variante
Gegen Ende der ersten Hälfte packte Österreich eine ganz besondere Variante aus, um die Räume eng zu machen. Die Vierer-Abwehrkette schob dabei eng zusammen; die Mittelfeld-Außen Harnik und Arnautovic gaben die Wing-Backs, und – der Clou: Zlatko Junuzovic ließ sich auf die halbrechte Seite zurück fallen.
So stand Ilsanker als Sechser vor einer dicht massierten Abwehr, mit Junuzovic rechts und Kavlak links vor ihm in den Halbpositionen. So war der Strafraum von allen Seiten massiv abgedeckt und die Brasilianer kamen erst recht nicht durch.
Mit diesen verschiedenen Verteidungs-Formen der Österreicher, verbunden mit der generellen Bewegungs-Armut der Seleção, bremste die Angriffsbemühungen der Gäste enorm. Brasilien hatte zwar bei zwei Drittel Ballbesitz, konnte aber recht wenig damit anfangen.
Brasilien ohne Esprit
Der WM-Vierte erinnerte so ein wenig an den Auftritt von England im Happel-Stadion beim Test-0:0 im Herbst 2007: Frei nach dem Motto „Wir sind hier, weil der Verband das für eine gute Idee hielt, aber wirklich interessieren tut’s uns nicht“. Es fehlte die Bewegung, es fehlte der Esprit, es fehlte das Tempo, es fehlte komplett die Verve eines Ernstkampfes.
Erst in der zweiten Hälfte packten die Brasilianer auch mal ein paar Varianten aus, die es den Österreichern ein wenig schwerer machen sollten, das Spielgeschehen zu kontrollieren. Vor allem, wenn der Ball tief in der österreichischen Hälfte war, pressten dann die Gäste auf die Spieleröffnung. War die erste Pressing-Linie aber überspielt, also der Ball rund 10 bis 15 Meter vor der Mittellinie folgte der blitzartige Rückzug in die Grundformation und wurden Räume enggemacht statt Österreicher angegangen.
Firmino zentral, Neymar weicht aus
Als Roberto Firmino für den kaum am Spiel teilnehmenden Luiz Adriano kam, übernahm der Hoffenheimer vermehrt alleine das offensive-Zentrum, während Neymar immer mehr auf die Flügel auswich. Das zwang im Gegenzug Weimann (der für Junuzovic gekommen war), gegen Firmino sehr tief zu agieren – also kaum höher als Kavlak und Ilsanker. Aus dem österreichischen 4-4-1-1 wurde so ein 4-5-1, in dem nur Harnik vorne agierte – der für Okotie eingewechselte Sabitzer wechselte dafür auf rechts.
Keines der drei Tore hatte im Übrigen viel mit taktischen Varianten oder einstudierten Spielformen zu tun – David Luiz‘ Tor nach einem Eckball ebensowenig wie Oscars patschertes Foul an Weimann, das zum Elfmeter führte, und Firminos Weitschuss zum 2:1-Sieg.
Fazit: Verteidigungs-Formen gut testen können
Dass Brasilien mit ziemlich deutlich angezogener Handbremse agierte und der Sieg eher schmeichelhaft war – ein Remis hätte der Partie sicherlich eher entsprochen – ist vielleicht etwas ärgerlich, aber das ÖFB-Team konnte dennoch verschiedene Verteidigungs-Formen testen, die gegen wirklich starke Gegner – und womöglich auch in den schweren Quali-Auswärtsspielen in Stockholm, Podgorica und (vermutlich) Moskau – durchaus zur Anwendung kommen können.
Bis zu einem gewissen Grad wurde mit diesem Test gegen den fünffachen Weltmeister also ein Auswärtsspiel getestet, in dem man auf verschiedene Varianten reagieren muss und zwischen diesen hin- und herswitchen können muss. Das ist über weiter Strecken absolut gelungen. Daher kann man auch trotz des Resultats von einem durchaus gelungenen Testlauf sprechen.