Dass EM-Teilnehmer Finnland absolut in Reichweite ist, haben die ÖFB-Frauen bereits im Hinspiel gezeigt, in dem man haushoch überlegen war, aber 1:2 verlor. Das nie auch nur im Ansatz gefährdete 3:1 im Rückspiel legt den Schluss nahe, dass Österreich Finnland mittlerweile überholt haben könnte, vor allem, weil es nicht mal eine glanzvolle Leistung war, sondern eher eine kämpferische – ohne zwei absolute Leistungsträger. Der Weg zu Gruppenplatz zwei ist damit geebnet. Weil Finnland noch zweimal gegen Frankreich ran muss, jenen Gruppenfavoriten, gegen den Österreich zuvor schon extrem mutig aufgetreten war.
Weit vorne die Bälle gewinnen, dann schnell umschalten – der Plan wurde schnell deutlich. Dass auf der Position der verletzten Laura Feiersinger mit Nici Billa eine gelernte Stürmerin agiert, wirkte sich dabei positiv aus: Sie sorgte dafür, dass Finnland-LV Tuija Hyyrynen gar nicht erst daran denken konnte, nach vorne zu marschieren. Auch im Mittelfeld-Zentrum kippte keiner ab, so wurde ein engerer Riegel gebildet, der die Finninnen angehen konnte.
Kehrseite der Medaille war aber, dass die Abwehrkette sehr tief stehen blieb und so viel Raum zwischen sich und der restlichen Mannschaft ließ. Am Ehesten rückte noch LV Verena Aschauer auf, Debütantin Katharina Schiechtl auf der rechten Seite blieb recht konsequent hinten. Kapitänin Schnaderbeck, an sich ja im Mittelfeld beheimatet, glich da viel mit ihrem Auge aus und rückte aus dem Abwehrzentrum (wo sie ja die verletzte Wenninger ersetzt) nach vorne.
Hinten mit Risiko, vorne mit Aggressivität
Dieses Loch zwischen den Ketten bildete potenziell eine riesige Gefahr, Finnland bohrte diese aber überhaupt nicht an. Lange Bälle in die Spitze und gelegentliche Vorstöße über die Seiten gab es sehr wohl, aber die nach vorne sehr bieder auftretenden Finninnen hatten extreme Probleme mit der körperlichen Robustheit der Österreicherinnen. Eigentlich ein Novum, war es doch in der Vergangenheit genau diese Robustheit, die dem Team gefehlt hatte.
Jedenfalls preschte das ÖFB-Team in die Zweikämpfe, als gäbe es kein Morgen. Man beließ es nicht beim Anlaufen der Ballführenden, sondern zog konsequent durch, mit der Folge, dass Finnland sich komplett den Schneid abkaufen ließ. Schon in der ersten halben Stunde gab es diverse gute Chancen und Österreich hätte schon 2:0 führen müssen.
Finnland komplett eingeschüchtert
Finnland war jedenfalls so eingeschüchtert, dass sich schon in der 30. Minute beim Stand von 0:0 alle elf Spielerinnen bei einem Eckball im eigenen Strafraum tummelten, nicht eine Einzige lauerte auf einen Konter. Eine Minute später sorgte Lisa Makas – die ganz besonders giftig in die Zweikämpfe ging – das längst überfällige 1:0. Zehn Minuten später fiel das 2:0, als Finnlands Kapitänin Maija Saari nach einem Billa-Freistoß nahe der Outlinie der Ball auf die Füße fiel und von dort ins Tor sprang.
Finnlands Teamchef Andrée Jeglertz – der ja als einstiger Europacup-Siegertrainer durchaus kein Unbekannter ist – drehte in der Halbzeit sein Team mit zwei Wechseln ziemlich um, wollte mit einer neuen LV (Nokso-Koivisto), einer neuen Stürmerin (Sjölund) und damit verbunden einer neuen RV (Hyyrynen) und einer neuen LM (Engman) vor allem über die Außen mehr Druck machen, aber in seinem Team änderte sich genau nichts.
Höheren Sieg verpasst
Das ging sogar so weit, dass Adelina Engman auf der linken Seite in einer bezeichnenden Szene in der 60. Minute den ganzen, rund 25 Meter breiten Platz zwischen den österreichischen Linien vor sich hatte, ihr alle Optionen offenstanden – sie aber den Ball zurückspielte und der ganze mögliche Vorteil völlig verpuffte. So konnten die Gäste nur eine Torchance nützen, als sich in der 79. Minute die eingewechselte LV Tieber zusammen mit IV Kirchberger auf Sjölund konzentrierte und in ihrem Rücken Alanen völlig frei war und zum Anschlusstreffer verwerten konnte.
Ehe 17 Sekunden nach Wiederanpfiff Nadine Prohaska nach einigem Körpereinsatz gegen Nokso-Koivisto zum 3:1 traf und den alten Vorsprung wiederherstellte. Es hätte sogar noch höher werden können, nachdem Torfrau Korpela in der Nachspielzeit die auf die zustürmende Billa fällte und dafür Rot sah. Sarah Puntigam jedoch brachte den Elfmeter nicht an Emmi Alanen (die Feldspielerin musste ins Tor) vorbei.
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Finnland muss noch zweimal gegen Frankreich ran, und es ist nicht zu erwarten, dass diese biedere Mannschaft gegen das Weltklasse-Team etwas holt. Es ist nicht mal zu erwarten, dass sich Finnland so mutig präsentiert, wie das die ÖFB-Frauen bei ihrem Spiel in Le Mans gemacht haben – die über 8.000 Zuseher fühlten sich merklich so ein wenig wie im falschen Film.
Denn natürlich hatten sie erwartet, dass die schnellen Französinnen hoch Druck machen, um die Bälle weit vorne zu gewinnen und so zu schnellen und billigen Toren zu kommen. So hatte man etwa Bulgarien schon in der 4. Minute das 3:0 geschossen. Das spielte es gegen Österreich aber nicht.
Weil nämlich auch Österreich sehr hoch presste und, wie später eben auch gegen Finnland, beide Mittelfeld-Spielerinnen horizontal staffelte. Burger und Makas gingen vorne voll drauf, Zadrazil aus dem Zentrum heraus ebenso. Der Favorit war sichtlich erstaunt, dass sich jemand traute, sie so anzugehen.
Frankreichs Hauptplan war es, die österreichischen AV in Laufduelle zu verwickelt. Da hatte die pfeilschnelle Thomis deutliche Vorteile gegenüber der aber auch nicht gerade langsamen Aschauer und Nécib narrte auf der anderen Seite, im Verbund mit Gaetane Thiney, immer wieder Lisi Tieber.
Plötzlich ging’s schnell
Es brauchte aber 19 Minuten bis zur ersten echten französischen Chance (ein Freistoß) und eine halbe Stunde, ehe ein Elfmeter das 1:0 bedeutete. Kurz darauf wurde Tieber ausgespielt und Délie sorgte für das 2:0. Was aber nicht dafür sorgte, dass sich Österreich nun hinten reinstellte und das eh noch erträgliche Ergebnis verwaltete – nein, es wurde weiterhin fleißig nach vorne marschiert. Was die schnelle Thomis noch vor der Pause zum 3:0 aus einem Konter nützte.
Als die Französinnen zu Beginn der zweiten Hälfte merkten, dass auch die 3:0-Führung nicht dafür sorgte, dass man den Widerstand der lästigen Österreicherinnen brach, zogen sie sich merklich zurück und schalteten auf Verwalten-Modus um. Auch, als Sarah Puntigam nach knapp einer Stunde das 1:3 schoss, kam bei den routinierten Gastgebern keine Hektik auf. Das hätte sich ändern können, wenn Nina Burger kurz danach zum 2:3 statt auf den Pfosten getroffen hätte, aber so weit kam es nicht.
Selbst in der 89. Minute schob Österreich noch mit allen Feldspielerinnen in die gegnerische Hälfte.
Fazit: Respekt verschafft
Was bei Frankreich deutlich Eindruck hinterließ. „Das ist die mit Abstand beste und mutigste Mannschaft, gegen die wir in dieser Gruppen spielen müssen“, meinte Frankreichs Teamchef Philippe Bergeroo danach, „und ich habe keinen Zweifel, dass sie hinter und Zweiter werden, und nicht Finnland.“
Der direkte Vergleich mit Finnland (der ja seltsamerweise hier zählt, obwohl es die Qualifikation für eine FIFA-Veranstaltung ist) wurde mit 1:2 und 3:1 gewonnen, womit Platz zwei fix ist, wenn die verbleibenden drei Spiele gewonnen werden (und, eh klar, Finnland kein grobes Wunder in den Spielen gegen Frankreich vollbringt). Das ist in dieser Gruppe ein schöner Erfolg und der logische nächste Schritt, für die Play-Offs der besten vier Gruppenzweiten wird es aber nach menschlichem Ermessen nicht reichen.
Gezeigt hat Österreich in diesen zwei Spielen, dass man körperlich immer mehr auf der Höhe des Geschehens ist. Dass es richtig ist, auch auswärts gegen bessere Teams initiativ zu werden. Und dass es gelingt, gegen Mannschaften auf Augenhöhe Präsenz zu zeigen. Was es noch massiv zu verbessern gilt: Die Torchancen-Verwertung. Denn man hatte schon den Eindruck, dass nach dem 3:1 gegen Finnland die Beteiligten nicht so recht wussten, ob sie jetzt große Freude wegen des Sieges haben sollten, oder sich ärgern, weil auch eich 6:1-Sieg möglich und verdient gewesen wäre.
Restprogramm Finnland: Bulgarien (H), Bulgarien (A), Frankreich (H), Frankreich (A)
Restprogramm Österreich: Kasachstan (A), Ungarn (H), Kasachstan (H)
Ranking der Gruppenzweiten, wenn alle die verbleibenden Spiele laut Papierform beenden: Italien (19), Schottland (18), Russland (18), Holland (16) / Wales oder Ukraine (16), Island (16, oder Dänemark 12), Österreich (15). Die Ergebnisse gegen die Gruppenletzten fallen weg.
Bereits qualifiziert: Schweiz.