Juve findet die Räume, Chelsea kommt nicht zurecht: Di Matteo nach 0:3 raus!

In den letzten anderthalb Jahren hat Juventus Turin nur ein einziges Serie-A-Spiel verloren. Und mit dem 3:0 gegen Chelsea hat man nun auch den Einzug ins CL-Achtelfinale in eigener Hand. Weil sich Blues-Trainer Di Matteo zwar etwas überlegte, um dem für englische Teams ungewohnten 3-5-2 von Juve zu begegnen. Das aber überhaupt nicht funktioniert hat.

Juventus – Chelsea 3:0 (1:0)

Juventus ist bekannt dafür, im gewohnten 3-5-2 die Flügelspieler extrem weit nach vorne zu schieben – das galt es für Chelsea-Coach Roberto di Matteo zu bedenken. Er begegnete dem, indem er Ashley Cole links (gegen Lichtsteiner) sehr hoch agieren ließ, dafür auf der anderen Seite mit Azpilicueta einen gelernten Außenverteidiger auf die rechte Mittelfeld-Position stellte und Ivanovic dafür Kwadwo Asamoah über weite Strecken in Manndeckung nahm.

So konnte sich Ivanovic aus der Position ziehen lassen, mit Azpilicueta war aber weiterhin eine Absicherung da. Das hatte allerdings zur Folge, dass die rechte Seite von Chelsea offensiv praktisch nicht stattfand. Letztlich funktionierte das 4-4-1-1 von Di Matteo aber nicht nur rechts, sondern als Ganzes überhaupt nicht.

Matas Positionierung gibt Juventus Raum

Juan Mata war nominell im linken Mittelfeld aufgestellt, agierte dort aber sehr hoch und vor allem rückte er immer wieder sehr weit ein, agierte quasi als zweiter Zehner neben Oscar. Somit brauchte sich Juves rechter Wing-Back, Stephan Lichtsteiner, überhaupt keine Gedanken um die Defensiv-Arbeit machen und konnte nach vorne marschieren, wie es ihm gerade lustig war. Mit Cole hatte er nur einen Gegenspieler (anstatt zwei, wie gegen ein 4-4-1-1 üblich) und in der Tat war Lichtsteiner eher Flügelstürmer.

Die zentrale Positionierung von Mata zwang Ramires, aus dem Zentrum nach außen abzukippen um Cole etwas zu helfen. Das wiederum machte aber in der Mitte die Räume für Arturo Vidal auf; zudem bewegten sich Quagliarella und vor allem Vucinic hervorragend zwischen den Linien. Juventus hatte das Spiel komplett unter Kontrolle und Chelsea lief, von vereinzelten Kontern, der Musik hinterher.

Oscar gegen Pirlo

Chelseas brasilianischer Jungstar Oscar – der letztes Jahr bei der U-20-WM mit seinen drei Toren im Finale international auf sich aufmerksam machte – war als hängende Spitze hinter Hazard aufgeboten und agierte dort gegen Andrea Pirlo. Wenn er mit seiner Schnelligkeit und seiner guten Technik gegen den Altmeister gehen konnte, hatte er auch gute Szenen, wie beim wegen Abseits nicht gegebenen Tor nach rund zehn Minuten. Über die Spielzeit aber hatte Pirlo klar die Oberhand. Wohl ein Mitgrund, weshalb es Mata immer weiter ins Zentrum zog.

Der klare Punktsieg von Pirlo gegen Oscar ist ein Spiegelbild für das ganze Spiel: Chelsea wirkte seltsam überhastet und verlor viele Bälle relativ billig schon im Spielaufbau, auch weil Juve hier guten Druck ausübte. Schnell war den Blues der Mut genommen, Anspiele schnell weiterzuleiten und nach vorne zu spielen, stattdessen wurde eher der Quer- und der Rückpass gesucht. Der italienische Meister hingegen spielte kam nach Ballgewinnen schnell und direkt in die Spitze. Die 1:0-Pausenführung war hochverdient.

Platz zwischen den Reihen

Nach dem Seitenwechsel bemühte sich Chelsea, aktiver und schneller nach vorne zu kommen. Das hieß, dass einer aus dem Mittelfeld-Duo Ramires/Mikel immer mehr aufrückte; die Innenverteidiger rückten aber nicht in ausreichendem Maße nach. Hatten sich die Juve-Stürmer schon davor oft geschickt zwischen den Reihen bewegt, wurde dort der Platz nun immer mehr und mit dem laufstarken Marchisio, dem sehr aktiven Vidal und den klugen Pässen von Pirlo war Juventus immer näher daran, selbst das Tor zu erzielen, als Chelsea, den Ausgelich zu machen.

So war es beinahe logisch, als das 2:0 nach einer Stunde genau deshalb fiel, weil eine Flanke von Asamoah – der nach der Auswechslung des defensiven Azpilicueta mit Moses nun einen offensiveren Gegenspieler und daher in dessen Rücken mehr Platz hatte – den Weg vor die Abwehr gefunden hat, wo Vidal an der Strafraumgrenze Platz ohne Ende hatte. Dass sein Schluss noch abgefälscht wurde, war für Chelsea Pech; aber über das 0:2 konnte sich Chelsea nicht beschweren.

Di Matteo gibt das Mittelfeld auf

In der Folge nahm Di Matteo Mikel aus dem Spiel und brachte Torres; Hazard spielte dafür nun einen offensiven Achter. Juventus reagierte darauf, indem man sich – logisch, mit dem 2:0 im Rücken – zurückzog, Chelsea kommen ließ und darauf lauerte, in das nun völlig entblößte Mittelfeld hinein Konter zu fahren.

So hatte Chelsea nun zwar viel vom Ball, aber konnte daraus wenig Nutzen ziehen. Der frisch gekommene Torres hatte es mit einer massierten Abwehr zu tun und konnte nie sein Tempo in die Waagschale werfen. Wie generell Chelsea das Spiel zu wenig breit machte und die Fünferkette von Juventus – Caceres (für Lichtsteiner) und Asamoah spielten nun natürlich 40 Meter weiter hinten als in der ersten Stunde – stand sicher.

Und in der Nachspielzeit gab es dann sogar durch einen Konter noch das 3:0 durch den eingewechselten Giovinco. Juventus fuhr also einen auch in der Höhe verdienten Sieg ein und braucht nun noch einen Punkt auswärts bei Shachtar Donetsk, wobei die Ukrainer schon für das Achtelfinale qualifiziert sind.

Fazit: Bei Chelsea stimmte wenig, bei Juve passt so gut wie alles

Ivanovic‘ Manndeckung für Asamoah mit der Absicherung von Azpilicueta, Coles hohe Positionierung gegen Lichtsteiner mit dem heraus rückenden David Luiz – Di Matteo hatte sich ganz deutlich etwas überlegt, wie er mit den offensiven Wing-Backs von Juventus umgehen will. Alleine, diese Maßnahmen fruchteten nicht und in der Zentrale wurde man vom perfekt eingespielten Juventus-Trio überrannt. Im Rücken des Mittelfelds gab es zu viele Räume, in denen sich Quagliarella und Vucinic mit ihren intelligenten Laufwegen austoben konnten.

Es hat also recht wenig gestimmt, beim Titelverteidiger. Auch verwunderlich, warum Di Matteo aus einer defensiven Grundhaltung heraus nicht Torres beginnen ließ, als es eher Räume gab – sondern ihn erst brachte, als sich Juventus zurück zog und der Spanier seine Stärken unmöglich ausspielen konnte.

Auf der anderen Seite hat Juventus gezeigt, warum man in der Serie A seit anderthalb Jahren de facto konkurrenzlos ist und, sofern der Punkt in Donetsk noch geholt wird, sicherlich auch im weiteren Verlauf dieser Champions-League-Saison in Team ist, gegen das sicher keiner spielen will. Die Abwehr steht sicher, die Wing-Backs sorgen für ordentlich Betrieb, das Mittelfeld ist routiniert, laufstark und ballsicher – und die Stürmer bewegen sich zwischen den Reihen, dass es für den Gegner ein Horror ist.

Womit die Turiner eigentlich alle Klischees, die man über italienische Mannschaften so hat, widerlegt.

(phe)

UPDATE: Am Tag nach diesem Spiel hat Chelsea Roberto di Matteo entlassen.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.