EM-Qualifikation für 2012
Stade de France, Paris, 11. Oktober 2011
Frankreich - Bosnien
1-1
Tore: 78' (p) Nasri bzw. 40' Dzeko

Umstellung und ein starker Nasri: Frankreich „gewinnt“ 1:1 gegen Bosnien

In einem mitreißenden Match spielt die Mannschaft aus Bosnien vor allem vor der Pause phasenweise groß auf und presst Frankreich an die Wand. Doch Laurent Blanc reagiert richtig auf die Problemfelder – so holt Frankreich auch wegen eines starken Samir Nasri das zur Qualifikation nötige 1:1.

Frankreich - Bosnien 1:1

Vor zwei Jahren war Bosnien im Play-Off zur WM in Südafrika an Portugal gescheitert – mit Pech, alleine in Lissabon holzten Dzeko und Co. dreimal auf das Aluminium. Die eine Chance, die nicht wiederkommt? Weit gefehlt: Teamchef Safet Susic, der dem legendären Ciro Blazevic nachfolgte, hat es geschafft, das hohe Niveau auf solide Beine zu stellen.

Etwas, das Laurent Blanc noch zeigen muss – nach dem Desaster bei der WM machte der neue Mann an der Kommandobrücke eine radikalen Schnitt. Beide Teamchefs haben mit ihren Linien bislang durchaus Erfolg. In diesem Endspiel mussten aber die Bosnier gewinnen, um das Direkt-Ticket zur EM zu lösen. Und das merkte man.

Das Pendel schwingt zu den Bosniern…

Die Bosnier machten zwei Sachen sehr gut, die die Franzosen gar nicht im Programm hatten: Konsequentes Pressing und das Spiel über die Flanken. Das war auch systematisch bedingt: Weil die Franzosen in einem 4-3-3 antraten, in dem die Außenstürmer recht hoch standen, hatten die bosnischen Außenverteidiger in ihrem Rücken sehr viel Platz und dann nur noch Evra bzw. Revelliere vor sich. Hinzu kam, dass die Mittelfeld-Außen sehr gut in die Kanäle zwischen dem Dreiermittelfeld und der Abwehrkette stießen.

Was alles in einem irren Tempo geschah, weil der Spielplan der Bosnier in einem Guss funktionierte: Pressing, Ball erobern, blitzschnell umschalten und die freien Räume ausnützen. Die Franzosen wussten in der ersten Viertelstunde überhaupt nicht, wie ihnen geschah und konnten von Glück sagen, dass Dzeko und Co. die sich ihnen bietenden Chancen nicht verwerteten. Revelliere wurde von Lulic permanent überlaufen, die vehement nach vorne drückenden Rahimic und Medunjanin machten den Franzosen den Raum noch enger.

…dann zu den Franzosen…

Was Bosnien in den ersten 15 bis 20 Minuten veranstaltete, war absolute Weltklasse. Dann aber schafften es die Franzosen, zum einen die Flügel etwas besser in den Griff zu bekommen, indem die Außenverteidiger etwas aufrückten und zweitens das Spiel von den Flanken weg hinein ins Zentrum zu bekommen. Hierbei waren zwei Spieler von zentraler Bedeutung: Zum einen Samir Nasri, der aus dem linken Halbfeld heraus mehr Bälle forderte und sie auch bekam, und zum anderen Jeremy Menez, der von einer nun eher tiefer angelegten Ausgangsposition in die Mitte zog und so Lulic auswich.

Zudem ließ das zuvor gnadenlose Pressing der Bosnier in dieser Phase merklich nach, sie ließen sich hinten hineindrängen und der sich gut auch Richtung Außen bewegende Loic Remy zog auch immer wieder einen Innenverteidiger aus der Position, wodurch sich für die anderen Räume ergaben. Zwischen der 15. und der 30. Minuten sammelten die Franzosen Ballbesitz ohne Ende und auch einige gute Chancen, aber auch sie konnten aus ihrer Drangperiode kein Kapital schlagen.

…und wieder zurück

Gegen Ende der ersten Halbzeit hatten die Bosnier dann aber ein Rezept gefunden, wie der Ansturm der Franzosen zu bremsen ist: Rahimic und Medunjanin nahmen Nasri und Menez immer besser auf, Misimovic, der als hängende Spitze vorne blieb. So machte er sich nach Ballgewinn schnell in den Rücken von Nasri breit und konnte gemeinsam mit Pjanic wieder die Kontrolle übernehmen. Zudem erkannten die Bosnier, dass Frankreich vor allem bei schnellen Seitenwechseln sehr behäbig verschob und so anfällig ist.

Und sie verwickelten die Gastgeber wieder mehr in schnelle Zweikämpfe, die sie immer mehr für sich entscheiden konnten. So machte sich im Spiel der Franzosen wiederum wachsende Ungenauigkeit breit, Bälle gingen schneller wieder verloren und die Gäste konnten machen, was sie am besten können: Von Defensive auf Offensive umschalten. Der Lohn: Das 1:0 durch ein wunderbares Tor von Edin Dzeko kurz vor der Halbzeit.

Reaktionen

Nach der Pause blieb Misimovic dort, wo er die meiste Gefahr entwickeln konnte, also als hängende Spitze; mitunter gar ganz auf Höhe von Dzeko. Durch die zwei kompakt stehenden Viererketten dahinter kamen die Franzosen aber nicht so richtig durch, weswegen Laurent Blanc nach etwa einer Stunde reagierte und seine Raumaufteilng endgültig so managte, wie sich das in der starken Phase in der ersten Hälfte schon angedeutet hatte: Er drehte sein Dreieck im Mittelfeld um.

Letzte halbe Stunde

War es zuvor M’Vila, der alleine hinten war und von Cabaye (eher defensiver, halbrechts) und Nasri (eher offensiver, halblinks) vorne flankiert wurde, stellte Blanc nun die Spitze des Dreiecks nach vorne und betraute Nasri mit der Spielgestaltung aus der Zentrale heraus. Abgesichert wurde er nun von M’Vila (halblinks) und dem neu gekommenen Martin (halbrechts). Mit der Konsequenz, dass jene Kanäle, die zuvor für Pjanic/Misimovic und Lulic offen waren wie ein Scheunentor, geschlossen waren.

Frankreich dominiert die Schlussphase

Ein Goldgriff. Denn Bosnien kam nun nicht mehr schnell ins Zentrum, und Misimovic war nun gleich von zwei Spielern abgesichert. Dazu kam Jeremy Menez nun über die rechte Seite und machte dort dem für den gelb-belasteten Mujdza gekommenen Maletic große Probleme. Das wurde nun zur Schwachstelle bei Bosnien: Mujdza machte extrem viel nach vorne; Maletic war hinten nicht der sicherste und nach vorne wirkungslos. Folge: Auch Patrice Evra hatte viel Muße, sich nach vorne einzuschalten.

Und Nasri gestaltete aus der Mitte heraus, verteilte die Bälle, ging auch mal selber, und war von Rahimic kaum zu halten. Nach dieser Umstellung hatte Frankreich das Spiel voll im Griff und die Bosnier konnten nur noch hoffen, über die Zeit zu kommen oder aus einem Konter das zweite Tor zu machen. An letzterem scheiterte Dzeko eine Viertelstunde vor Schluss. An ersterem scheiterte sein Team kurz danach – als Nasri gegen Spahic an der Strafraumgrenze einfädelte und Referee Thomson auf den Punkt zeigte. Nasri verwandelte – und Frankreich hatte das 1:1, das nötig war.

Fazit: Die Umstellung von Blanc brachte die Entscheidung

Erstaunlicherweise hat Laurent Blanc mit der Maßnahme, sein Dreieck im Mittelfeld umzudrehen, so lange gewartet. Denn es wäre eigentlich schon vorher die logische Reaktion auf die permanente Bedrohung gewesen, welche die Bosnier mit ihren Diagonalläufen von der Flanke ins Zentrum mit den konsequent Hinterlaufenden Außenverteidigern herstellen konnten.

Als die Kanäle dicht waren und die Bosnier ihrem schnellen, kräfteraubenden Spiel von vor der Pause Tribut zollen mussten, hatte Frankreich das Spiel im Griff und verdiente sich den nötigen Punkt voll und ganz. Es ist keine vor großen Namen strotzende Mannschaft, die Laurent Blanc da zur EM führt, aber eine, die in guten Momenten funktioniert und intelligent genug ist, Schwächen des Gegners zu nützen. Vor allem in der ersten Halbzeit merkte man aber auch, dass es vor allem im Torabschluss fehlt und die Hintermannschaft, wenn man ihr mit Pressing und hohem Tempo kommt, absolut verwundbar ist. In dieser Form ist Frankreich ein gutes Team, aber sicher kein Titelanwärter.

Die Bosnier müssen also in die Relegation und haben dort das Pech, wie schon vor zwei Jahren ungesetzt zu sein. Angesichts der Stärke, welche die Mannschaft im Verlauf dieser Qualifikation und in diesem Spiel gerade in der ersten Halbzeit phasenweise gezeigt hat, wäre ein erfolgreiches Absolvieren des Play-Offs keine Überraschung. Das Tempo und das Pressing, welches diese Mannschaft zeigen kann, sind für jeden Gegner unangenehm und mit einem Edin Dzeko in der Spitze haben die Bosnier eine Waffe.

Sie würden das Feld bei der EM zweifellos absolut bereichern.

(phe)

Cool? Sag das doch anderen!

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.