Europa League 2011/12 | 1. Gruppenspieltag
Horr-Stadion, 15. September 2011
Austria Wien - Metalist Kharkiv
1-2
Tore: 7' Jun bzw. 56' Gueye, 79' (p) Cleiton Xavier

„Nur“ 1:2 gegen Metalist – aber die Austria war ganz klar unterlegen

Ergebnis und Torfolge täuschen ein wenig – die Austria war gegen Metalist Kharkiv eigentlich chancenlos. Zwar gingen die Violetten früh in Führung, aber Metalist wusste ganz genau, wen man wie anbohren musste, um die Austria problemlos zu kontrollieren. Was man umgekehrt leider nicht sagen kann.

Austria Wien - Metalist Kharkiv 1:2

Auch wenn die Austria durch eine Schlafmützigkeit in der Metalist-Abwehr schon in der 7. Minute mit 1:0 in Führung ging – das Spiel gehörte ganz eindeutig der Nummer drei aus der Ukraine, jenem Team, das hinter Shachtar Donetsk und Dynamo Kiew quasi „Best of the Rest“ in der Liga des Co-Gastgebers der nächsten EM darstellt.

Keinerlei Pressing bei der Austria…

Was auch deshalb möglich war, weil die Austria dass ohne wirkliche Gegenwehr zuließ. Die Violetten zogen sich schon recht früh sehr weit zurück und erwarteten die Ukrainer tief in der eigenen Hälfte, ohne aber, dass irgend eine Form von Druck ausgeübt worden wäre. Das Mittelfeld von Metalist konnte sich unbedrängt in der Austria-Hälfte die Kugel hin und herschieben, ohne dass mal ein Austrianer auf die ja auch nicht übertrieben schnell aufbauenden Ukrainer draufgepresst hätte.

Das Positionsspiel im Mittelfeld von Metalist war sehr flexibel. Grundsätzlich war Juan Manuel Torres (einer von sechs Argentiniern im Kader), vor ihm waren Edmar und Cleiton Xavier (zwei der vier gebürtigen Brasilianer von Metalist) die eher offensiv eingestellten. Die beiden wechselten sich immer wieder darin ab, nach vorne zu gehen – war der eine unterwegs, sicherte der andere neben Torres etwas ab. Die Aufgabenverteilung war aber hauptsächlich so ausgelegt, dass Xavier den Zehner gab und Edmar aufpasste, dass Alex Grünwald nicht ins Spiel kam.

…sehr wohl aber bei den Ukrainern

Denn Metalist-Coach Miron Markevich hatte seine Scouting-Aufgaben ganz offensichtlich erledigt. Er ließ nämlich nicht gegen alles und jeden pressen, sondern hatte sich seine Opfer augenscheinlich sehr gezielt ausgesucht. Einer davon war eben Alex Grünwald, der im Spiel der Austria der Taktgeber im Umschalten von Defensive auf Offensive sein sollte – er wurde, eben vornehmlich von Edmar, völlig kaltgestellt.

Ein anderer, auf den es Metalist abgesehen hatte, war Rechtsverteidiger Florian Klein. Er wurde vom aggressiven und hoch stehenden Taison nicht nur ziemlich hinten festgenagelt, sondern hatte seinen Gegenspieler auch immer auf den Füßen stehen, wenn er nach Ballgewinn das Spiel eröffnen wollte. Die Austria kam ohne Grünwald im Zentrum und Klein auf der rechten Seite nicht dazu, selbst sinnvoll das Spiel in die Hand zu nehmen.

Die Problematik mit Junuzovic

Weil nämlich auch die linke Seite, jene von Zlatko Junuzovic, ein offenes Scheunentor für Metalist-Rechtsverteidiger Cristian Villagra war. Was vornehmlich an Junuzovic lag. Denn so gut er etwa im letzten Derby gegen das Hofmann-Loch gespielt hat, indem er sich tief stellte und Hofmann nicht ins Zentrum folgte, um den ganzen Platz für schnelle Gegenstöße vor ihm zu haben, ließ er sich in diesem Spiel von José Ernest Sosa (der sich auch einige Jahre mit mäßigem Erfolg bei Bayern München versucht hatte) fast nach belieben aus der Position ziehen, wodurch Villagra bis zu seiner Verletzung kurz vor der Pause freie Bahn bis zum sehr tief stehenden Suttner hatte.

Das große Glück der Austria in der ersten Hälfte war, dass es die Ukrainer verabsäumten, aus ihrer klaren Überlegenheit – vom Gegentor ließen sie sich kaum schocken – auch wirklich etwas zu machen. Zu selten kamen sie wirklich in den Strafraum durch, bis zum Seitenwechsel schaute dabei aber nichts Zählbares heraus.

Der überfällige Ausgleich

Auch nach dem Seitenwechseln dominierte Metalist den Ballbesitz, letztlich brauchte es aber einen Eckball, um durch Innenverteidiger Guéye den längst überfälligen Ausgleich zu erzielen. Allerdings verpasste es das Team aus der Ukraine, nach diesem Nackenschlag für die Austria nachzusetzen. Stattdessen zog sich Metalist etwas zurück und ließ die Austria kommen. Was aber andererseits angesichts der schon vor der Pause blitzschnell und brandgefährlich vorgetragenen Konter, wenn die Austria aufgerückt war, durchaus nicht ganz unlogisch war.

Es ging aber nie soweit, dass man den Eindruck haben musste, Metalist hätte das Spiel wirklich aus der Hand gegeben. Edmar ließ Alex Grünwald nun ein bisschen leben, zudem wurde das Spiel vor allem von Seiten der Austria nun deutlich ruppiger geführt. Das Offensiv-Quartett in Violett sah nun zwar mehr Bälle als zuvor, etwas Gefährliches damit anfangen konnte die Austria aber nicht.

Austria macht die Flanken nicht zu

Im Gegenteil: Vor allem über die Flanken blieben die Gastgeber immer unglaublich anfällig für Gegenstöße. Weniger, weil Klein und Suttner so weit aufgerückt wären, nein, die Viererkette zog sich unerklärlicherweise immer wieder geschlossen in den Strafraum zusammen und überließ Junuzovic und Barazite das Verteidigen der Flanken. Dass Metalist das nicht viel konsequenter ausnützte, war ein Glück für die Austria.

Die es aber dennoch schaffte, die Gäste zur Führung einzuladen: Der anstonten recht glücklos und uneffektiv agierende Cristaldo wurde von Pascal Grünwald recht unsanft von den Beinen geholt, den fälligen Strafstoß verwandelte Cleiton Xavier sicher. Für den Austria-Goalie der zweite ziemlich baugleiche Elfmeter, den er innerhalb von knapp mehr als einer Woche verursacht, neben jenem im Länderspiel gegen die Türkei.

Verpuffende Wechsel

Das Problem bei der Austria, wenn Linz, Jun, Barazite und Junzuovic allesamt in der Startformation stehen – das hat Karl Daxbacher schon vor einiger Zeit angesprochen – ist, dass es an Alternativen von der Bank fehlt. So konnte der Austria-Trainer lediglich noch Stankovic statt Jun in die Schlacht werfen, ohne dass das eine Wirkung gehabt hätte. Und auch der Austausch von Alex Grünwald war eher ein verschenkter – denn es lag nich ausschließlich an ihm selbst, dass er nicht ins Spiel kam, sondern an Gegenspieler Edmar.

Umso seltsamer, dass Daxbacher mit Alex Gorgon den neuen Mann genau auf die selbe Position von Grünwald stellte, mit dem Unterschied, dass Gorgon wohl nicht ganz die Qualität seines Vorgängers hat. Edmar jedenfalls ließ Gorgon logischerweise genauso wenig am Spiel teilnehmen wie er das bei Grünwald zuvor gemacht hatte. Und nicht nur dem Trainer fiel nichts mehr ein, um den Punkt zu retten – auch der Mannschaft auf dem Platz nicht.

Fazit: Hochverdiente Niederlage gegen starken Gegner

Ganz ohne violette oder rot-weiß-rote Brille betrachtet: Die Austria war gegen einen um klassen besseren Gegner im Grunde genommen völlig chancenlos. Die frühe Führung hielt lange die Hoffnung am Leben, einen Sieg oder zumindest einen Punkt mitzunehmen, aber ein solcher wäre, so schade es ist, wirklich nicht verdient gewesen.

Bei Metalist war klar erkennbar, dass sehr gezielt auf einzelne Spieler gepresst wurde und so mit dosiertem Aufwand die Austria komplett niedergehalten wurde. So konnte es sich Metalist erlauben, das qualitativ sicher gutklassige Offensiv-Trio der Austria nicht allzu streng an die Kandarre zu nehmen, weil sie ihnen schon zuvor die Nachschubwege abgeschnitten haben.

Karl Daxbacher auf der anderen Seite fiel nicht nur nichts ein, um die Druckstellen von Metalist zu entschärfen – nein, er machte erst 80 Minuten lang gar nichts und brachte dann Gorgon für Grünwald, der in gleicher Position mit den genau gleichen Problemen zu kämpfen hatte wie Grünwald zuvor.

Der einzige Vorwurf, den sich Metalist machen kann, ist, dass es aus der teil drückenden Überlegenheit nicht gelang, auch nur ein Tor aus dem Spiel heraus zu erzielen. Die Dominanz über die Flügel und die Unbedrängtheit im Zentrum hatten viel früher viel mehr ermöglicht. Gut für die Austria, dass das lange nicht ausgenützt wurde. Schade für die Austria, dass es nicht lange genug nicht ausgenützt wurde.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.