Nach Flutlichtausfall war Lok Moskau munterer – Sturm verliert mit 1:2

Auch eine 40-minütige Verzögerung des Anpfiffs wegen Problemen mit dem Flutlicht konnte die Russen nicht einschläfern: Lok Moskau dominierte Sturm über weite Strecken klar und konnte es sich dann leisten, sich zurück zu lehnen. Somit startet der österreichische Meister mit einer 1:2-Heimniederlage in die Europa-League-Gruppenphase.

Sturm Graz - Lokomotiv Moskau 1:2

Alle Zeichen deuten darauf hin, dass Sturm-Trainer Franco Foda ab Winter ÖFB-Teamchef wird. Noch aber ist der Deutsche der Verantwortliche auf der Bank von Meister Sturm Graz – und im Spiel gegen Lok Moskau wurde das größte Problem schnell offensichtlich: Die totale Unterlegenheit im Mittelfeld. Das gewohnte 4-4-2 Fodas sieht nun mal nur zwei Mann in der Zentrale vor, und wenn einerseits einer davon eine Immobilie wie Samir Muratovic ist und andererseits der Gegner mit drei Mann auf engstem Raum ständige Überzahl herstellen, noch dazu mit gezieltem Pressing, ist da nicht viel zu machen.

Lok sofort klar überlegen

Und so war es dann auch: Die Russen übernahmen sofort das Kommando über das Zentrum und ließen einen geordneten Spielaufbau bei Sturm gar nicht zu. Damit war es aber nicht getan: Im 4-3-3 von Lok Moskau drückten die Außenverteidiger sehr nach vorne, und kreuzten gut mit den Flügelstürmern – mal hinterlaufen, mal ins Zentrum hinein. Die Viererkette von Sturm wurde so ziemlich auseinander gezogen.

Außerdem rückten die beiden defensiveren Spieler im russischen Mittelfeld, Glushakov und Osdojev ebenso relativ weit auf und mit den Innenverteidigern auf Höhe der Mittellinie wurde Sturm überhaupt kein Raum zum Atmen gegeben. Lok spielte den österreichsichen Meister ziemlich her, weil sich im schnellen Spiel immer ein freier Mann fand und Sturm mit dem Tempo auch einfach nicht mitkam.

Führung gegen den Spielverlauf

Die einzige Chance von Sturm war, nach Ballgewinn so schnell wie möglich mit Steilpässen die hohe Verteidigungslinie von Lok Moskau auszunützen und so schnörkellos wie möglich in deren Rücken zu gelangen. Nach einer Viertelstunde gelang dies mit einem blitzgescheiten Pass von Weber auf Wolf hervorragend, die Hereingabe verwertete Szabics komplett gegen den Spielverlauf zum 1:0 für Sturm – und kaum eine Minute später hatte der Ungar sogar die Chance auf das 2:0.

Die Probleme wurden aber dennoch nicht weniger. Der extrem mobile Zehner Senijad Ibricic war von Muratovic nie auch nur in irgendeiner Weise in den Griff zu bekommen; wie überhaupt das Spiel am erstaunlich tief stehenden Bosnier komplett vorbei lief. Die Überlegung hinter Muratovic‘ Positionierung wird wohl seine Fähigkeit zu klugen Pässen in der Spieleröffnung gewesen sein, aber er wurde praktisch nie ins Spiel mit einbezogen, und wenn doch, hatte er augenblicklich fünf Lok-Spieler um sich herum.

Blöde Gegentore

Trotz der drückenden spielerischen Überlegenheit tat sich Lok aber schwer, wirklich Zugriff auf den Strafraum von Sturm zu erlangen. So mussten zwei Aktionen für Tore der Russen herhalten, die mit spielerischen Mitteln eigentlich gar nichts zu tun hatten, um das Spiel verdientermaßen zu ihren Gunsten zu drehen.

Erst traf ein Freistoß den vor dem Tor stehenden Obinna am Fuß, ohne dass der wirklich etwas dafür konnte (das 1:1), und kaum eine Minute später reagierte Kapitan Dmitri Sitchov am schnellsten, nachdem ein Schuss von Glushakov (der auch vorher schon gefährlich aus der Distanz abgezogen hatte) aus über 30 Metern von der Latte zurück prallte.

Drei Aspekte nach der Pause

Nach dem Seitenwechsel konnte sich Sturm gut aus der Umklammerung der Russen lösen. Das hatte drei Gründe: Erstens nahm Lok-Coach José Couceiro Ibricic aus dem Spiel und brachte dafür Zapater. Entweder Ibricic war angeschlagen oder er sollte geschont werden, denn mit seiner Leistung konnte die Auswechslung nichts zu tun haben. Was sich auch am Spiel ohne ihn zeigte: Zapater bemühte sich zwar redlich, aber er konnte trotz eines durchaus großen Aktionsradius nie die Präsenz und die Gefahr ausstrahlen, wie das Ibricic vor ihm konnte.

Zweitens wechselten Maicon und Obinna die Seiten – und zwar auf ihre jeweils „richtige“, sprich, Linksfuß Obinna spielte nun auch links, Rechtsfuß Maicon rechts. Dadurch gab es nicht mehr im gleichen Ausmaß wie zuvor die Läufe der beiden nach innen, wodurch zwar die Breite im Spiel der Russen immer noch gegeben war, aber das Zentrum von Sturm deutlich mehr Luft holen konnte.

Und drittens nützten das die Grazer aus, um merklich aufzurücken. Weber und Muratovic hatten nun nicht mehr sofort einen Gegenspieler an sich kleben, wenn sie den Ball hatten, wodurch sich das Spiel merklich weiter vom Sturm-Tor entfernte.

Sturm geht die Luft aus

Dieser Effekt sollte noch verstärkt werden, indem Bodul nach rund einer Stunde die Position von Muratovic im Zentrum einnahm und Mario Hass statt seiner in die Spitze ging. Bodul interpretierte seine Position deutlich offensiver als Muratovic vor ihm, was dem Spiel von Sturm durchaus gut tat. Alleine die wirkliche Torgefahr konnte weiterhin nicht entwickelt werden – russische Teams sind für ihre kompromisslose Abwehrarbeit bekannt, in keiner anderen Liga Europas fallen dermaßen wenig Tore wie in der russischen.

In der letzten Viertelstunde aber schienen bei Sturm die Kräfte immer deutlicher nachzulassen. In jedem Fall kam Maicon auf der rechten Seite viel besser ins Spiel, spätestens ab dem Moment, als sein Gegenspieler Joachim Standfest nach einer eher rüden Attacke am Brasilianer verwarnt worden war und sich in den Zweikämpfen mit ihm zurückhalten musste. Es machte, je mehr sich das Spiel seinem Ende näherte, immer weniger den Eindruck, Sturm könnte wirklich noch den Ausgleich schaffen.

Fazit: Vor allem vor der Pause war Lok klar besser

In der ersten Halbzeit war Lok Moskau die klar überlegene Mannschaft – dominant im Mittelfeld, stark über die Außen, gutes Pressing, viel Laufarbeit. Dass Szabics das 1:0 für Sturm machte und gleich danach beinahe für das 2:0 gesorgt hätte, stellte den Spielverlauf komplett auf den Kopf. Dennoch muss sich Sturm über den Doppelschlag und den somit entstandnenen Rückstand ärgern, weil beide Tore der Russen nicht herausgespielt waren.

Mit der Herausnahme von Ibricic und dem Seitenwechsel von Obinna und Maicon, wozu auch immer er gut gewesen sein soll, brachte sich Lok selbst um die Dominanz, die das Team noch in der ersten Halbzeit ausgestrahlt hatte. Doch die gute Defensivarbeit der Moskauer erlaubte es Sturm nie wirklich, einem Ausgleich nahe zu kommen. Im Gegenteil – in der Schlussviertelstunde schien ein 3:1 wieder wahrscheinlicher.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.