Symptomatisch. Das ist das Wort, dass einem bei vielen Details einfällt, dieser Tage, rund um das österreichische Nationalteam. Und auch um den ÖFB. Wie der seltsame Abschied auf Raten vom Teamchef. Wie das Staatsgeheimnis, das um das angebliche verfeinerte Anforderungsprofil des neuen gemacht wird. Und wie die Reaktionen auf den Vorstoß von Paul Scharner. Ein Kommentar.
Er biete sich selbst an, als Spielertrainer für die letzten beiden Qualifikationsspiele in Aserbaidschan und Kasachstan, gab Paul Scharner im Zuge der Salami-Trennung von Didi Constantini zu Protokoll. An der Mannschaft wäre er genauso nah dran wie der Teamchef, und der Erfolg ist offenbar eh zweitrangig. Der Aufschrei, der um die „Selbstüberschätzung“ des offenbar wahnsinnig gewordenen Exzentrikers von West Brom durch das Land ging, war immens.
Und traurig zugleich.
Denn keiner schien die eigentlich unverhohlene Kritik an Teamchef und ÖFB verstanden zu haben. Schlechter als Constantini könne er es selbst auch nicht machen, so die Botschaft, und wie Ried-Trainer Paul Gludovatz zuletzt meinte: Im ÖFB kommt es auf andere Sachen an als Erfahrung und Qualifikation für den Job. Der Erfolg ist wohl tatsächlich nur zweitrangig – und Gludovatz muss es wissen, er war selbst lange genug im ÖFB. Weshalb er den Teamchef-Job von vornherein ablehnt. Sinngemäß: Das tu‘ ich mir nicht mehr an.
Zumal Scharner schon direkt nach dem 0:0 gegen die Türkei gesagt hatte, er hätte sich etwas Input von der Bank erhofft, zur Halbzeit – mehr Risiko? Sicherer stehen? Stattdessen kam erst gar nichts und dann ein Wechsel im System, bei dem ein Konterstürmer kam, obwohl man das Spiel selbst in die Hand nehmen musste. Offensichtlicher, als es Scharner gemacht hat, geht es kaum, und doch scheint seine Absicht keiner verstanden zu haben.
Das muss für Scharner noch frustrierender sein als es die letzten Spiele waren.
Denn auch, wenn mit Christoph Zöpfl der Sportchef der OÖ-Nachrichten nicht ohne durchklingender Geringschätzung schreibt, dass „heimischen Netzwerker derzeit fast euphorisch ihren ersten Teamchef-Abschuss feiern“ (der Fairness halber muss man aber sagen, dass Zöpfl sonst durchaus zu den kritischeren seiner Zunft gehört) – so sehr ich die Rolle der Kollegen von 90Minuten, von Martin Blumenau, abseits.at und auch von uns selbst gerne so groß sehen würde, waren es letztlich wohl doch eher die Folgen als die Ursachen, die zum Ende der Ära Constantini führten. Sprich, die desaströse Bilanz, die nackten Ergebnisse. Denn selbst nach dem Spiel gegen die Slowakei, in dem man dem Gegner inhaltlich heillos unterlegen war, wurde nur von Pech und fehlender Chancenverwertung geredet.
Keine Frage: Die wegen kritischer Fragen abgebrochen PK mitsamt „Trottelgate“ war sicher nicht hilfreich für Constantini und sein Gespann und etablierte die nachdrängende Generation der „Netzwerker“ (wie es Zöpfl nennt) weiter in der Mitte des öffentlichen Diskurses. Das ist auch sicher ein Mitgrund, warum nun hektisch von einem Anforderungsprofil geredet wird. Wie ernst es damit ist, entblätterte aber zuletzt die Heute recht schonungslos: Alles nur Blabla.
Denn die fehlende Bekenntnis zur inhaltlichen Arbeit im sportlichen Bereich sind nur ein Teil des Problems.
Was noch schwerer wiegt, ist die komplette Verweigerung jedes noch so kleinen Schrittes zur Modernität bei denjenigen, die den Nachfolger von Constantini bestimmen. Wie die Aussagen von TFV-Boss Geisler, die anmuten wie eine Mischung aus Steinzeit und finsterstem Mittelalter. Oder wie von NÖFV-Präsident Gartner, die vor Wischiwaschi nur so strotzen. Oder denen von BFV-Chef Kaplan, dem es gleich komplett wurscht ist, „ob der Teamchef nun Maier, Huber oder sonstwie“ heißt. So war es dem ÖFB auch egal, dass ein Spielerberater U19-Teamchef wird – eine Ungeheuerlichkeit.
Als Deutschland vor einigen Jahren komplett am Boden war, wurden, wie es die Manager von Augsburg und Bremen, Andreas Rettig und Klaus Allofs, zuletzt beim Talk im Hangar-7 erklärten, „alle persönlichen Eitelkeiten“ von Vereinen und Verband hintangestellt, ein Generalbevollmächtiger im Nachwuchsbereich installiert (Matthias Sammer) und ein Teammanager für die Nationalmannschaft – Oliver Bierhoff, dynamisch, vergleichsweise jung, am Puls der Zeit und mit einem abgeschlossenen Wirtschaftsstudium in der Tasche. Der DFB ist hochmodern aufgestellt – der ÖFB mutet dagegen wie ein in den 1970ern verkrusteter Verein an, von lobenswerten Ausnahmen wie Pressechef Peter Klinglmüller abgesehen unwillig/unfähig zur Modernisierung.
Was sich auch bei einigen der öffentlich gehandelten Kandidaten für die Constantini-Nachfolge manifestiert.
Otto Rehhagel etwa. Ist er mit seinen 73 Jahren wirklich der Richtige für einen langfristigen Aufbau? Oder Leo Beenhakker. Der bei seiner letzten Station in Polen vor allem im Zuge der Euro2008 ähnliche Planlosigkeit offenbarte wie jene, die man Constantini vorwarf – mit einem 4-2-3-1 gegen die Deutschen zu harmlos, mit einem 4-4-2 mit Raute gegen Österreich überrant, mit einem 4-1-4-1 gegen ein kroatisches B-Team zu behäbig. Und Beenhakker ist auch schon 69 Jahre alt.
In diesem Zusammenhang ist es durchaus positiv, dass sich mit Christian Fuchs in der „Kronen Zeitung“ zuletzt eine gewichtige Stimme für einen modernen, jungen Trainer ausgesprochen hat. Einen wie Marco Pezzaiuoli – der die Strukturen des DFB kennt, darin mit dem U17-Europameister-Titel großen Erfolg hatte, in Hoffenheim David Alaba zum Stammspieler machte und trotz mäßiger Resultate einen modernen Angriffsfußball zu zeigen versuchte.
Zumal es ja sportlich gar keinen wirklichen Neuanfang braucht, die im Frühjahr auch abschätzig als „linke Partie“ dimmamierte Internet-Gemeinde den auch gar nicht fordert, wie Zöpfl in den OÖN fälschlicherweise annimmt. Die paar logischen Figuren (Garics und Ivanschitz in erster Linie) zurück zu bringen ist kein Neustart.
Eher wäre angebracht, wenn man so etwas von sich gibt, ob es nicht vielleicht doch einen Grund gibt, warum die Internet-Gemeinde fast einstimmig ein so vernichtendes Urteil über die Ära Constantini fällt. Einen Grund, der nicht nur in schlechten Resultaten zu suchen ist.
Denn wenn die Kollegen von 90Minuten, FM4, abseits.at, Laola1 und wir selbst uns über eines erhaben fühlen, dann über simplen Resultatsjournalismus.
(phe)