Champions League 2011/12 | Playoff-Runde, Hinspiel
Dinamo, Minsk, 16. August 2011
BATE Borisov - Sturm Graz
1-1
Tore: 61' Simic bzw. 12' Weber

Nach 1:1 bei BATE winkt die Königsklasse

Remis mit Auswärtstor beim weißrussischen Meister – ein gutes Resultat für Sturm Graz! Und auch die Leistung bei BATE Borisov war sehr ansprechend. Auch, weil das Heimteam über weite Strecken des Spiels auf die Zentrale komplett verzichtet hat und es kaum schaffte, wirklich zu Torchancen zu kommen.

BATE Borisov - Sturm Graz 1:1

Die Weißrussen begannen sofort mit dem Versuch um Ballkontrolle und pressten auch durchaus, wenn Sturm in Ballbesitz kam. Auffällig war bei BATE, dass sich der Sechser Edgar Olekhnovich  extrem weit zurückfallen ließ, dabei oft und lange sogar letzter Mann hinter den beiden in diesem Fall recht weit nach außen schiebenden Innenverteidigern war. Effektiv spielten die Weißrussen hinten also mit einer Dreierkette, wobei allerdings die Außenverteidiger selten höher standen als Bukva und Hölzl tief. Und weil die beiden nicht viel nach vorne machten, waren die Mittelfeld-Außen der Weißrussen umso mehr gefordert.

Hier schaltete Popkhadze den auffälligen Patotski so gut es ging aus, Nekhaitchik – einer von drei weißrussischen EM-Semifinalisten von vor sieben Wochen in der Aufstellung von BATE – machte gegen den defensiv ansprechenden Standfest keinen Stich. Und dass Sturm es nach 12 Minuten ausnützte, dass die De-facto-Dreierkette im Umschalten nicht schnell genug die Schnittstellen zustellte und die Grazer nach einem Lochpass zwischen Olekhnovich und Filipenko auf Weber zum 1:0 traf, spielte dem österreichischen Meister natürlich zusätzlich ziemlich in die Hände.

Schlechte Raumaufteilung bei den Weißrussen

Das Problem bei Borisov war nicht nur die fehlende Untestützung für die Mittelfeld-Außen, sondern auch die Tatsache, dass die Zentrale unterbesetzt war. Weil Olekhnovich sehr tief stand und Rodionov im Gegensatz dazu sehr hoch, war zumeist Dmitri Baga der alleinige Mann in der Gegend des Mittelkreises. Der ehemalige Deutschland-Legionär Rodionov versuchte sich gemeinsam mit Kontsevoi zwischen den beiden Sturm-Sechsern (Säumel und Weber) und den Innenverteidigern (Dudic und Burgstaller) breit zu machen, durch die Unterbesetzung des Zentrums und zu wenig Unterstüzung von den Flügeln waren die beiden allerdings gut unter Kontrolle.

Die Weißrussen hatten weiterhin ein Plus an Ballbesitz, wurden aber kaum einmal so richtig torgefährlich, weil eben der Aufbau nicht klappte, das 1-gegen-2 im Zentrum kaum zu überwinden war und Sturm gegen den Ball eine wirklich sehr gute Leistung brachte. Kein Vergleich mehr mit der Emmentaler-Abwehr gegen Székesfehérvár oder der tempolosen Zitterei gegen Zestafoni. Nein, diesmal blieb Sturm mit schnellen Gegenstößen nach Balleroberung stets gefährlich und ein zweites und drittes Tor waren durchaus im Bereich des Möglichen.

Das Wissen, eine Gruppenphase schon fix erreicht zu haben, wirkte sich (sicherlich in Verbindung mit dem Sieg gegen Rapid am Wochenende) befreiend auf die Mannschaft aus – anders als bei Salzburg in den letzten Jahren, als dieses Wissen eher zur Nachlässigkeit animierte.

Gegentor nur aus ruhendem Ball

BATE-Coach Viktor Goncharenko brachte für die zweite Hälfte Gordeichuk für Oleg Patotski auf der rechten Mittelfeldseite, dazu bewegte sich Linksverteidiger Maxim Bordachov nun mehr nach vorne, was es dem linken Mittelfeldspieler Pavel Nekhaichik erlaubte, mehr und früher ins Zentrum zu rücken. Am grundsätlichen Problem im Spiel der Weißrussen änderte sich aber nichts: Die Außen waren halbwegs unter Kontrolle und Baga war in der Mitte weiterhin oft auf sich alleine gestellt.

So war es fast folgerichtig, dass der Ausgleich von BATE nur über einen Standard fallen konnte – Innenverteidiger Simic versenkte per Kopf einen Freistoß zum 1:1. Ein Ausgleich, der sich nicht unbedingt angedeutet hatte, obwohl BATE deutlich mehr Ballbesitz hatte, und daher umso ärgerlicher ist – zumal die Flanken davor und danach eine ordentliche Streuung hatten.

Aktion und Reaktion von der Bank

Einige Minuten nach dem Ausgleich stellte Goncharenko seine Formation ein wenig um: Er nahm Stürmer Rodionov raus und brachte mit Filip Rudzik einen Spieler, der Baga im Zenturm zur Seite stehen sollte. Diese Maßnahme zeigte sofort Wirkung, denn waren Weber und Säumel davor wegen ihrer Überzahl immer in der Lage, wegen der gegenseitigen Absicherung auch etwas nach vorne tun zu können, war diese Gelegenheit nun nicht mehr gegeben und so nahmen auch die Gegenstöße von Sturm ab – was aber sicher auch daran lag, dass die junge Mannschaft aus Weißrussland (24,5 Jahre im Schnitt – jünger als jede österreichische Bundesliga-Mannschaft) gegenüber der deutlich älteren aus Graz Konditionsvorteile hatte.

Also reagierte auch Franco Foda und stellte mit Muratovic statt Szabics auf ein 4-4-1-1 um. Somit war Baga wieder beschäftigt, die Passwege auf Muratovic zu kappen, und konnte sich seinerseits nicht mehr so viel nach vorne einschalten. Letztlich war die Schlussphase aus sicht von Sturm „nur noch“ ein Retten des 1:1 – der Wechsel von Hölzl zu Ehrenreich verdeutlicht das. Und weil der ebenfalls neu ins Spiel gebrachte Gordeichuk in der 93. Minute verpasste, blieb es auch beim Remis.

Fazit: Der Meister findet zu sich

Man sah, wie wichtig einerseits die Siege gegen Zestafoni und Rapid waren und andererseits wie sehr Sturm von der internationalen Routine eines Jürgen Säumel im Zentrum profitiert. Die Körpersprache und das Selbstverständnis waren ein ganz anderes als in den schwierigen Wochen zu Saisonbeginn. Denn taktisch hat Foda im Grunde nichts verändert.

So wie diese Partie inhaltlich nicht besonders prickeld, aber aufgrund der wirklich guten Leistung von Sturm – wohl der besten in dieser Saison – durchaus ansehnlich war, weil sich die Grazer auch als Auswärtsmannschaft nicht so arg versteckt haben wie in Ungarn und in Georgien. Das Remis mit Auswärtstor ist ein gutes Resultat, weil zwar einerseits mehr drin war, man andererseits aber auch davon profitiert hat, dass Viktor Goncharenko 70 Minuten gebraucht hat, um auf die größte Schwäche – das gnadenlos unterbesetzte Zentrum – zu reagieren.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.