Bei der anstehenden U20 Weltmeisterschaft in Kolumbien wird Andreas Heraf als österreichischer Teamtrainer an der Seitenlinie stehen. Im Vorfeld des Turniers haben wir uns eine Stunde mit ihm über seine Arbeit unterhalten. Wir präsentieren euch das Gespräch ungekürzt in drei Teilen. Im ersten Part geht es um die Zusammenstellung des Kaders, den Weg nach Südamerika und die Hindernisse auf dem Weg zum erwünschten Ziel.
Das Gespräch führten Philipp Eitzinger und Tom Schaffer.
Ballverliebt.eu: Herr Heraf, was ist in den letzten Tagen passiert, damit Georg Teigl doch mit nach Kolumbien fahren konnte?
Andreas Heraf: Dazu kann ich ehrlich gesagt nichts sagen. Ich weiß nur, dass Präsident Leo Windtner – wie bei einigen Spielern auch – nochmal zu intervenieren versucht hat. Wie genau es gelaufen ist weiß ich nicht. Ich bin froh, dass er mitfahren darf und möchte mich bei Red Bull Salzburg bedanken. Es sind jetzt doch alle drei Spieler von meiner 30er-Liste dabei. Dass Hinteregger von sich selbst aus nicht mitfahren will, dafür kann ich nichts. Das muss er für sich selbst verantworten.
Die Kritik der letzten Tage orientierte sich ja vor allem an Salzburg. Sind Sie jetzt mit allen Vereinen zufrieden?
Ja. Es stehen jetzt alle österreichischen Vereine hinter der WM, dem ÖFB und dieser Mannschaft. Das muss man als absolut positiv sehen. Es wäre schön gewesen, wäre das von Anfang an so gewesen. Dann hätte es erstens nicht so viele Diskussionen gegeben und zweitens wäre vielleicht auch der ein oder andere Spieler aus dem Ausland abgestellt geworden. Das wurde mir schon gesagt: „Warum sollten wir, wenn ihre eigenen Landsleute die Spieler nicht abstellen?“. Jetzt wo das Argument nicht mehr da wäre, ist es zu spät.
Mit all diesem Zusammenkratzen von Spielern ist viel Zeit vergangen. Wie frustrierend war das, jeden Spieler einzeln holen zu müssen? Und wie viel von der Zeit hätte man zielgerichteter in die WM-Vorbereitung stecken können?
Ich habe sicher keine Zeit verloren, die irgendwo fehlen würde. Ich bereite das Ganze jetzt seit einem Jahr vor. Ich habe also die WM-Vorbereitung betreffend keine Zeit verloren, aber ich habe viel Zeit meines Lebens verloren, die wirklich verschenkt war. Es ist extrem mühsam, jedem einzelnen Verein nachzulaufen. Diese Herren haben natürlich auch anderes zu tun, da sind es zig Anrufe, bis man einmal jemanden erwischt. Wir haben sehr früh damit begonnen, uns darum zu kümmern. Da hörte man am Anfang nur: „Warten wir einmal ab. Kurz vor der WM sagen wir euch dann, wen ihr kriegt.“ Es war vor allem zum Schluss sehr frustrierend, wenn du immer wieder die ein oder andere Gnackwatsch’n bekommst, weil Leute nicht mitfahren dürfen. Du willst natürlich mit der besten Mannschaft dorthin, kannst dann aber nicht.
Sie kennen die Situation von Schwanenstadt. 2007 sind da ja mit Hinum und Stanislaw zwei Spieler von Ihnen nach Kanada mitgefahren…
Hat mit damals eigentlich nichts zu tun, aber ich kann mich natürlich in Vereine und Trainer hinein fühlen, dass die ihre Spieler immer bei sich haben möchten. Aber eine Weltmeisterschaft ist ein besonderes Ereignis und eine Möglichkeit für den Spieler, sich zu präsentieren und Erfahrungen zu sammeln, wie er sie nie wieder bekommen wird. Wenn der Spieler dort gute Leistungen bringt, bekommt er oder auch der Verein einen Mehrwert.
Ich wurde 2007 gar nicht gefragt. Die Spieler waren von einem Tag auf den anderen gar nicht mehr da. Hat mich für die Jungs total gefreut, ich hätte auch nichts dagegen gehabt. Aber sie waren wirklich auf einmal weg.
Es fehlen jetzt einige Kaliber, um wirklich die beste Mannschaft aufzubieten…
Mit Dragovic, Alaba und eigentlich auch Holzhauser fehlen drei Spieler, die bei diesem Bewerb in die Kategorie Weltklasse fallen würden. Drei Spieler dieser Klasse würden unsere Qualität natürlich steigern. Das ist schade, aber sie könnten ja auch verletzt ausfallen. Wir haben jede Qualifikation und die U19-Euro ohne Dragovic gespielt, auch Alaba war in der ersten Qualirunde nicht dabei und fehlte im entscheidenden Spiel gegen Holland. Ohne damit zu sagen, wir hätten ihn nicht brauchen können – das stimmt überhaupt nicht, weil er einfach ein super Spieler und geiler Typ ist. Aber wir haben uns auch ohne ihn, Dragovic und Knasmüllner qualifiziert. Die Mannschaft hat eine hohe Qualität und die Stimmung ist gut.
Was ist Ihr Ziel?
Es muss unser Ziel sein, die Gruppe zu überstehen. Auch wenn es extrem schwer wird. Mit Brasilien und Ägypten haben wir zwei volle Kaliber. Auch wenn es viele nicht glauben, Ägypten ist für mich um nichts schlechter als Brasilien. Auch Panama wird von vielen Seiten unterschätzt. Trotzdem: Wenn man zu einer WM fährt, will man weiter kommen.
Welche Rolle wird das Klima spielen?
Das wird das größere Problem. Speziell unser erster Gegner Panama wohnt gleich ums Eck. Die haben weder das Problem der Anreise, noch der Akklimatisierung. Wir schon. Das müssen wir in der Woche, die wir vorher dort sind, so schnell wie möglich hinbekommen. Wir sind mit dieser Zeit am Anschlag, aber es könnte so halbwegs reichen, wenn wir es mit der Trainingsintensität clever steuern. Wobei du im Prinzip nicht ganz wettmachen kannst, dass Panama das gewöhnt ist. Der Jetlag kommt auch noch dazu.
Hätte man sich mehr Vorbereitungszeit gewünscht?
Wir hatten die kürzeste von allen Mannschaften. Aber von Seiten des ÖFB wurde alles unternommen, die FIFA-Termine im März und Mai haben wir genützt. Das hat mir insgesamt 16 Tage und ein Testspiel mit der Mannschaft gebracht. Zum Vergleich: Panama hatte in diesem Jahr 170 Tage und 33 Testspiele zusammen, Brasilien hatte 110 Tage und über 20 Spiele, Ägypten 105 Tage und über 30 Spiele…
Woran liegt es, dass die so viel mehr haben?
Ich weiß nicht, wie sie es gemacht haben, aber sie hatten einfach von der Abstellung viel mehr Unterstützung. Wenn man sieht, wie schwer es ist, die Spieler zu bekommen, haben wir die nicht gehabt. Es wäre unmöglich gewesen, die auch noch im Rahmen der Meisterschaft abzuziehen. In Argentinien trainieren seit drei Monaten alle U20-Spieler von Montag bis Mittwoch mit der Nationalmannschaft.
Da sind wohl die meisten Spieler rund um Buenos Aires…
Das kann schon sein, aber da werden welche von woanders auch herkommen. Und wir sind eh so ein kleines Land. Aber solche Nationen unternehmen halt einfach extrem viel, um bei solchen Turnieren topp zu sein. Kolumbien hat die Meisterschaft heuer sogar verschoben.
Warum passiert das bei uns eigentlich nicht? An wem hängt das?
Weiß ich nicht. Es gibt eh so wenige internationale Termine, an diese wenigen Tage müssen wir uns halten und versuchen sie auszufüllen.
Geht es bei einem solchen Turnier noch um die Ausbildung der Spieler, oder schon eher um den Erfolg?
Das ist die Endphase des Nachwuchsbereiches. Bei einem solchen Turnier geht es natürlich um das Resultat. Die Entwicklung der Spieler ist zwar nie beendet, aber die der Mannschaft ging jetzt über Jahre und endet praktisch mit der Weltmeisterschaft. Von der Erfahrung wird den den einzelnen Spielern dieses Ereignis aber niemand mehr wegnehmen. Das hat für die weitere Karriere einen sehr hohen Stellenwert.
Bezüglich der ÖFB-Delegation für Kolumbien: Wie groß wird die sein und gibt es einen gewissen Spardruck?
Nein, alle Wünsche, die ich hatte, wurden erfüllt. Es gab die zwei Trainingslager, die waren top. Ich bekam vom ÖFB jede Unterstützung, die ich brauchte, und alle Leute für den Betreuerstab, die ich haben wollte.
Wir sind 21 Spieler und 14 Delegationsmitglieder: Je einen Chef-, Co- und Tormanntrainer, einen Arzt, einen Physiotherapeuten und zwei Masseure, einen Zeugwart, Pressesprecher, Teammanager und mit Willi Ruttensteiner einen Spielbeobachter. Mit Michael Grubinger haben wir einen in Kolumbien lebenden Auslandsösterreicher, der schon seit Monaten mein Kontaktmann ist und uns per Videoanalyse unterstützen wird. Der Delegationsleiter ist Willi Prechtl und Leo Windtner kommt direkt von der Auslosung für die WM-Quali der A-Nationalmannschaft aus Brasilien zum zweiten Spiel.
Eine ganz wichtige Geschichte ist ein Koch. Bei dem, den wir ursprünglich mitnehmen wollten, ist jetzt eine Tragödie passiert. Er liegt nach einem Motorradunfall vor zwei Wochen im Koma.
Nicht nur das Klima ist ein Problem. Es ist auch sehr wenig Zeit zwischen den Spielen. Wie handhabt man das?
Diese Erfahrung haben wir schon aufgrund der bisherigen Turniere. In der ersten und zweiten Qualirunde und bei der Europameisterschafts ist es ganz genau so, jetzt hat man sogar zwei Tage Pause zwischen den Spielen. Bei Qualiturnieren und Europameisterschaft hast du nach dem ersten Spiel nur einen Tag. Wir wissen, wie man damit umgehen kann. Das wichtigste in dieser Zeit wird die Regeneration sein, wo wir einiges vor haben. Das Ganze multipliziert sich ja mit der Hitze – deshalb war es mir wichtig, von der medizinischen Abteilung abgesichert zu sein. Mit der Fitness kannst du gegenüber dem Gegner vielleicht das ein oder andere Prozent herausholen oder verlieren.
Da ist natürlich auch die Auslosung ein Thema. Beim mittleren Gruppenspiel gegen Brasilien kann man wohl am wenigsten erwarten. Kann es sein, dass man das zum Kräfteschonen nutzen wird?
Das kann man von vorneherein schwer sagen, bei solchen Turnieren sollte man es schon immer mit der besten Mannschaft versuchen. Wobei die Idee schon was hat. Ich habe ja auch bei der EM in Frankreich genau nach dem Schema agiert. Es kommt darauf an, wie der erste Spieltag abläuft. Es kann natürlich eine Überlegung sein – weniger um sich zu schonen, als wegen der Gefahr einer zweiten Gelben Karte. So haben wir es in Frankreich mit Kainz und dem leicht verletzten Klem gemacht. Dort war klar: Ich kann gegen Frankreich das zweite Spiel 100 zu Null gewinnen oder verlieren, wenn ich gegen Holland nicht gewinne, hat sich die Sache erledigt. Das 0:5 war dann im Nachhinein schade und hoch, aber im Prinzip nicht tragisch. (tsc, phe)
Teil 2 des Interviews mit Andreas Heraf beschäftigt sich mit den österreichischen Gruppengegnern in Kolumbien, dem ÖFB-Team selbst und seinen Ärger über Paul Gludovatz; Teil 3 des Interviews mit seinem Selbstverständnis als Trainer, Transfers von jungen Spielern ins Ausland, Nachwuchsstrukturen in Österreich und der Trainerausbildung.