Die Ausgangssituation vor dem Wiener Derby war klar: Tabellenführer Austria hätte mit einem Sieg die schon die ganze Saison über am Rande einer Krise wandelnden Rapidler endgültig aus dem Titelrennen geworfen. Selten waren die Favoritenrollen in dieser Partie so klar verteilt. Und natürlich kam es anders.
Die Aufstellungen gaben auch einen Hinweis darauf, warum die Austria mit Selbstvertrauen oben und Rapid mit Problemen weiter unten standen. Karl Daxbacher schickte seine Mannschaft mit einem offensiv ausgerichteten 4-1-4-1 in die Partie, wobei Nachwuchsnationalspieler Dilaver den Spieleröffner und Vorstopper gleichermaßen spielen durfte.
Peter Pacults Gameplan sah vor, den spielerischen Qualitäten der Favoritner eine kompakte Defensive entgegenzusetzen um den Kombinationsfußball zu unterbinden. Dazu wurde auch spätestens ab der Mittellinie aggressiv attackiert. Offensiv verließ man sich auf schnelle Gegenzüge, da Prokopic etwas tiefstehend hinten mithalf, hing Solospitze Salihi allerdings oft ziemlich in der Luft. Während Steffen Hofmann (mit starker Laufleistung) eher in die Mitte zog und sich dem debüttierenden Hintermann Schimpelsberger selten anbot, versuchte die linke Seite sich in Vorstößen die Seitenlinie entlang. In der Mitte war Salihi dabei aber oft allein und schwer zu finden.
Engagement ersetzt keine Präzision
Das Spiel begann mit viel Engagement und hohem Tempo, vor allem die Austria fand schnell in die Partie. Nach Jun-Zuspiel versuchte Linz schon nach 5 Minuten einen Abschluss aus etwas spitzem Winkel, verschmähte dabei aber den in der Mitte mitlaufenden Barazite. Das Pressing der Favoriten machte Rapid das Leben schwer. Wenn dann auch noch aus der Defensive ein ungewohnter Mann nachrückte, gab es Troubles. So dribbelte Innenverteidiger Margreitter in der 16. Minute gleich über das halbe Feld, ehe er im Strafraum vom letztmöglichen Mann doch noch gestoppt wurde. Die Aktion war eine Folge von Dilavers guter Defensivleistung, die den Verteidigern schon mal Vorstöße erlaubte.
Doch schon die Erwähnung solcher Situation zeigt, dass trotz Bemühen beider Teams in der ersten Hälfte Torszenen Mangelware darstellten. Die bessere Aktion hatte die Austria (25.). Barazite rückte aus vorderer Position nach links, öffnete damit den Platz für einen Lauf von Junuzovic, den Stankovic gut erkannte und bediente. Doch Österreichs Fußballer des Jahres zeigte den Scouts auf der Tribüne im Abschluss nur ein schwaches Schüsschen. Ansonsten war das violette Spiel zu unpräzise – auch einige misslungene Flanken verärgerten das Ästhetikerauge.
Und Rapid? 50 Prozent Ballbesitz hatten die Hütteldorfer zwar, doch als erste nennenswerte Aktion am Notizzettel wird in der 29. Minute ein schlechter Schuss von Prokopic vermerkt, der einem haarsträubenden Fehlpass von Ortlechner folgte. Der war zum Teil eine Folge der guten Defensivarbeit, denn die Austria hatte dank dem guten Deckungsspiel der Grünen echte Probleme von hinten rauszuspielen. Schiedsrichter Lechner hätte in der 31. Minute die Möglichkeit gehabt, diese Abwehrriegel zu brechen. Katzer kam bei einem Foul von rechts hinter seinem Gegenspieler deutlich zu spät und traf einzig dessen Knöchel. Keine böse Absicht, aber ein gefährliches Foul. Lechner begnügte sich mit einer gerade noch vertretbaren Dunkelgelben.
Eine Minute später setzte die Austria abermals Junuzovic ein. Der hohe Ball über die Abwehr erreichte den Nationalspieler, der nicht viel falsch machte aber an einem Fußrefex von Payer scheiterte. Rapids beste Aktion vor der Pause erlaubte die Veilchen-Hintermannschaft Pehlivan, der bis zum Strafraum dribbeln durfte, seinen Schuss aber knapp am Tor vorbeischlenzte. Kurz vor dem Halbzeitspfiff kombinierte die Austria noch einmal über die linke Seite. Junuzovic spielte Sutner frei, der vielleicht etwas zu überhastet schoss und damit den ersten Durchgang beendete.
Weiter im Programm
Die Trainer beließen ihre Teams wie sie waren. Zur ersten Aktion nach der Pause kam wieder die Austria. Eine Freistoßflanke von links fand zwar nur den Kopf von Soma, doch dessen Klärung misslang. Margreitter fand im Strafraum den Abzug nicht, Jun rauschte von hinten heran und nebelte den Ball in die letzten Rauchschwaden der Pyro-Trotzaktionen auf den Tribünen. Eine zweite schwierige Entscheidung traf Schiedsrichter Lechner in der 54. Minute. Margreitter erkämpfte sich den Ball, setzte Linz (sonst unauffällig) ein, der Austria-Kapitän war auf dem Weg allein auf Payer zu, als ein Abseitspfiff ihn stoppte – ich hielt ihn für falsch, doch es war ein richtiger, wie erst ausgiebige Zeitlupenstudien verrieten.
Nach einer knappen Stunde wollte sich auch Rapid in der zweiten Hälfte anmelden, Kulovits traf aus 20 Metern aber nur eines ganz genau: Tormann Lindner. Pacult hatte nun genug von der Harmlosigkeit seiner Trupe, nahm Prokopic vom Platz und brachte Hinum. Der rückte auf die rechte Seite und ermglichte so Hofmann, sich in der Mitte hinter Salihi zu betätigen.
Kurz zuvor hatte auch Drazan Gelb gesehen, womit die gesamte linke Flanke von Rapid sich in Vorsicht üben musste. Das hatte nach 62. Minuten möglicherweise fast gröbere Folgen. Junuzovic wurde zögerlich attackiert und erarbeitete sich eine Ecke. Die Flanke von dort fand den komplett freistehenden Dilaver. Sein gut platzierter Kopfball konnte vom beim Corner anm langen Eck platzierten Schimpelsberger kurz vor der Linie geklärt werden.
Das Spiel öffnet sich
Mit der Änderung von Hofmanns Aufgaben hatte Dilaver nun defensiv mehr zu tun. In der 64. kam er gleich einmal einen Schritt zu spät gegen die Rapid-Ikone und dessen Querpass von rechts hätte eigentlich die Höchststrafe für die Austria bedeuten müssen, doch Salihis technischer Fehler ließ den Ball am langen Eck vorbeikullern. Daxbacher brachte frische Kräfte ohne viel zu ändern, Liendl ersetzte Stankovic.
Und einmal durfte Lechner noch eine schwierige Entscheidung treffen. Nach einem schrecklichen Fehler von Sonnleitner legte sich Barazite sich im Sturm aufs Tor den Ball etwas zu weit vor. Der riskant herausrutschende Payer konnte den sehr beweglichen aber manchmal etwas zu ballverliebten Niederländer folglich vom Leder trennen, berührte es dabei allerdings auch außerhalb des Strafraums mit der Hand. Lechner entschied das Spiel weiterlaufen zu lassen und lag damit wohl richtig.
Zu diesem Zeitpunkt war die Leistung der Austria sicher werder bestechend noch auch nur annähernd die beste der Saison, doch das Selbstvertrauen und die spürbare Philosophie in der Mannschaft ließ im Kopf dieses Autors schon eine Lobesschrift über die Entwicklung der Veilchen entstehen. Doch die muss wohl auf ein andermal verschoben werden, denn wie schon in der Einleitung erwähnt. Es kam anders.
Rapid geht in Führung
Ein Freistoß in der 68. war die Ankündigung für das was noch kommen sollte. Eine gute Variante ließ Drazan flanken, Katzer scheiterte per Kopf aber noch an Lindner. Drei Minuten später: Bei einem unnötig von Dilaver verschuldeten Freistoß 30 Meter vor dem Tor hob Hofmann diesmal den Ball selbst in den Strafraum, Sonnleitner kam nicht ganz heran, irritierte aber Lindner, dessen kurze Abwehr nur bis zu Salihi kam und der bis dahin völlig in der Luft hängende und nur einmal mit einer Stümperaktion aufgefallene Stürmer erwies sich diesmal eiskalt und netzte ein. Rapid führte nach 71 Minuten in der Generali-Arena – nicht verdient, aber das wird die Hütteldorfer nicht weiter kümmern.
Pacult fügte seiner Mauer etwas Routine hinzu, nahm Schimpelsberger runter (seinen Platz übernahm vorerst Sonnleitner, später tauschte dieser Platz mit Katzer) um Patocka in die Innenverteidigung setzen zu können. Über die rechte Seite kamen die Gäste noch zu einer letzten Torchance (78.). Hinum brachte seinen Cross auch an den Mann. Doch diser Mann war Salihi und der verzog aus vielversprechender Position.
Danach war der nur kurz währende Offensivarbeitstag bei Rapid beendet. In der Schlussphase musste natürlich auch nur die Austria unbedingt scoren. Es kam Tadic für den sichtbar müde gewordenen Barazite. Der hatte vorerst aber noch nichts damit zu tun, dass Jun in der 79. Minute einen weiteren Pflichttreffer vernebelte. Der Tscheche wurde bei einem Einwurf völlig allein gelassen, drang nach unfreiwilliger Verlängerung des Balles durch Kulovits unbelästigt in den Strafraum von Rapid ein, fand sich vor Payer wieder und schmiss die nerven weg.
Fünf Minuten später setzte Tadic sich auf der linken Seite durch, brachte den Ball auch zur Mitte, doch zahlreiche Austrianer verpassten ihn, ehe Kulovits ausputzen konnte. Rapids hervorragende Fitness bewies sich in weiterer Folge daran, dass die Gäste mit aggressivem Forechecking die Gastgeber entnervten. Deren Mittelfeld begann auch viel zu früh damit, vorne auf Bälle zu warten, statt hinten weiter ruhigen Spielaufbau zu betreiben. Und so kamen die Favoritner am Ende auch zu keinen weiteren Chancen und einer empfindlichen Derbyniederlage vor Heimpublikum.
Fazit
Die Austria scheiterte als eigentlich spielbestimmende Mannschaft über weite Strecken an einem Mangel an Präzision. Die gut stehende Rapidabwehr ließ den Gastgebern das nicht durchgehen und auf diese Weise lange keine Chancen zu. Wenn es doch zu einer Austria-Chance kam, hielt Payer was zu halten war und verschossen die Veilchen, was unmöglich zu verschießen war.
Neben neuen Hoffnungen auf ein Eingreifen im Titelkampf gab es auch ein zusätzliches Siegerzuckerl für Rapid : Der Erfolg stieß die violetten Rivalen auch von der Tabellenspitze. Bei gleicher Tordifferenz ist Sturm dank mehr erzielten Toren nach der 25. Runde an der Spitze. Fünf Mannschaften können in den verbleibenden 11 Runden noch meister werden. (tsc)