Mainz findet in Dortmund seinen Meister

Ohne Frage, in diesem Spiel trafen die beiden interessantesten und derzeit auch besten Teams der deutschen Bundesliga aufeinander. Das Sensations-Team aus Mainz ging als 0:2-Verlierer aus diesem Spitzenduell hervor – weil Dortmund auf jede Umstellung der Mainzer die richtige Antwort fand.

Mainz - Dortmund 0:2

Seit einigen Wochen wurde diesem Spiel entgegen gefiebert: Dortmund-Trainer Klopp gegen seine alte Liebe Mainz, FSV-Trainer Tuchel gegen seinen großen Vorgänger, zwei bekennende Taktik-Freaks im direkten Duell – oder kurz: Erster gegen Zweiter. Die zwei besten Bundesliga-Teams gegeneinander, der Showdown. Und dieses Spiel wurde der Vorfreude gerecht.

Klopp ließ an seiner alten Wirkungsstätte sein Team mit dem gewohnten 4-2-3-1 auflaufen. Schmelzer und der Piszczek als extrem offensive Außenverteidiger, Sven Bender als defensiverer Sechser und Nuri Sahin als Quarterback in der Spielgestaltung. Und die Dortmunder machten das, was Mainz im Laufe der Saison so stark gemacht hat: Extremes Pressing auf dem ganzen Feld, von praktisch allen Spielern. Der ballführende Mainzer hatte kaum einmal die Zeit, einen Mitspieler zu finden.

Mainz-Trainer Tuchel stellte sein Team mit einem 4-3-1-2 auf, ähnlich wie das etwa Milan macht, nur wesentlich frischer, schneller, jünger, aggressiver und offensiver – der Beweis, dass nicht das System an sich entscheidend ist, sondern dessen Umsetzung. Wie es Tuchels Art ist, war die Spielweise seiner Mannschaft extrem am Gegner orientiert. So blieb etwa Linksverteidiger Christian Fuchs, der sonst permanent die Linie auf- und abwetzt, brav hinten. Denn über diese Seite galt es (gemeinsam mit Elkin Soto), den gelernten Stürmer Lukasz Piszczek und den frechen Mario Götze zu empfangen und in ihrem Offensivdrang zu bremsen. In der Spielgestaltung fiel Fuchs nur durch lange Bälle in die Spitze auf.

Auf der anderen Seite dafür drängte Niko Bungert permanent nach vorne, unterstützte Caligiuri im Offensivspiel und beschäftigte so vor allem Großkreutz, der anfangs kaum zur Geltung kam. Vor der Viererkette baute sich eine Dreierkette auf. Ihre Aufgabe war es, die Zentrale eng zu machen, auf den ballführenden Dortmunder zu pressen und nach Ballgewinn schnell Holtby und die beiden Spitze Allagui und Szalai in Szene zu setzen. Das „Problem“ Lewis Holtby lösten die Dortmunder im Duo: Ließ sich der Jungstar zurückfallen, hatte er Sahin gegen sich; orientierte er sich nach vorne, war er bei Sven Bender gut aufgehoben. Holtby fand daher nicht ins Spiel und die Spitzen mussten viel mehr laufen als geplant – ohne sich allerdings gegen Hummels und Subotic durchsetzen zu können.

Nach zehn Minute orientierten sich mit Caligiuri und Soto die beiden äußeren Spieler der Mittelfeld-Dreierkette weiter nach vorne, Polanski weniger – ebenso wie drei der Verteidiger (Svensson, Noveski und Fuchs), die aber im Kollektiv weit nach vorne pressten. Dieser Versuch, Dortmund weiter hinten einzuschnüren, ging aber schon in der 14. Minute beinahe nach hinten los, als Barrios die Abseitsfalle überlistete und alleine auf Mainz-Kepper Wetklo zulief. Und knapp am Tor vorbeischoss.

Dortmund wird dominanter

Tatsächlich hatte der vorsichtige Fuchs die linke Dortmunder Angriffsseite gut im Griff, dafür etablierte sich Niko Bungert als defensiver Schwachpunkt und in Nebenmann Bo Svensson hatten die Dortmunder den ersten Passgeber aus der Defensive identifiziert. Daher orientierte sich auch Kagawa immer mehr auf diese Seite, um Svensson weiter zu bearbeiten, und Linksverteidiger Schmelzer überrannte Bungert nun immer wieder. Mit geschicktem Stellungsspiel zog der BVB bei seinen schnellen Angriffen immer wieder einen Gegenspieler aus dem Passweg, wodurch die Mainz-Defensive immer mehr gefordert wurde – der Angriff in der 20. Minute, der letztlich an Goalie Wetklo endete, ist zweifellos einer der genialsten Spielzüge der bisherigen Saison gewesen.

Bei Dortmund beteiligten sich wirklich alle Spiele am ganzen Platz am Pressing. So war es in der 26. Minute Außenverteidiger Schmelzer, der durch seine aggressive Bewegung Richtung Bungert dessen Fehlpass provozierte, der zum nicht unverdienten 1:0 durch Mario Götze geführt hat. Mainz konnte darauf aber kaum reagieren, weil Holtby isoliert blieb und die Aktionen somit ausrechenbar waren. Kein Wunder, dass Jürgen Klopp schon vor Ende der ersten Hälfte ein zufridenes Grinsen aufsetzte, das etwa „Schaut her, so besiegt man dieses Team“ sagte.

Mainz mit Elan aus der Pause

Mainz - Dortmund 0:2 (2. Hälfte)

Tuchel erkannte die Probleme und reagierte in der Halbzeit: Er nahm Bungert raus und brachte Marcel Risse für das rechte Mittelfeld, dafür rückte Caligiuri nach hinten. Zudem stellte er auf ein 4-2-3-1 um – Allagui ging auf die linke Mittelfeld-Seite; Polanski und Soto verblieben als Sechser, wobei Polanski sich mehr nach vorne einschaltete. Genau wie nun auch Fuchs deutlich aktiver in der Vorwärtsbewegung war.

Das Spiel hätte sicherlich einen anderen Verlauf genommen, hätte Polanski in der 47. Minute den Elfmeter getroffen, und wäre nicht an Weidenfeller gescheitert. So oder so aber kam Mainz nach diesen Umstellungen deutlich besser ins Spiel. Soto und Polanski hatten Kagawa gut im Griff, und Holtby sah mit dem oft nach innen ziehenden Allagui als Unterstütung deutlich besser gegen Sahin und Bender aus. Schmelzer (von Risse) und Piszczek (von Fuchs) waren viel weiter in die Defensive gedrängt. Mainz kam auch nach dem verschossenen Elfer zu einigen guten Chancen – Tuchel war mit dem Spiel seines Teams nun sichtlich zufrieden.

Um die 60. Minute herum aber verstärkte Dortmund das Pressing wieder merklich, das zuvor etwas eingeschlafen war. Sofort hatte Mainz wieder Probleme, sich nach vorne zu kombinieren und dr BVB tauchte wieder deutlich gefährlicher vor dem Mainzer Tor auf. Was mit dem 2:0 durch Barrios (nach einer sehenswerten Vorarbeit des starken Mario Götze) in der 67. Minute auch prompt belohnt wurde.

Ein letzter Versuch

Mainz - Dortmund 0:2 (ab Min. 70)

Tuchel stellte nach dem 0:2 ein weiteres Mal um, und zwar auf ein 4-4-2. Er brachte statt des isolierten Holtby nun Schürrle für die linke Mittelfeldseite, dieser orientierte sich von dort ebenso wie Allagui zuvor (nun wieder zweite Spitze) eher nach innen als Richtung Grundlinie – das was weiterhin das Aufgabengebiet von Christian Fuchs. Diese Umstellung konnte aber nicht für mehr Offensive sorgen, weil Sahin/Großkreutz und Bender/Götze (bzw. Bender/Kagawa) die Passwege der beiden Flanken-Dreiecke (Fuchs/Soto/Schürrle bzw. Caligiuri/Polanski/Risse) gut zustellten und die Mainzer gegen den Ballbesitz nach dem Geschmack des Trainers nicht nah genug beim Mann waren und nicht in ausreichendem Maße pressten. Die Folge: Szalai und Allagui in der Spitze waren völlig abgeschnitten, Dortmund kontrollierte das Spiel mit der klaren Führung im Rücken weiterhin.

Also brachte Tuchel noch Ivanschitz statt Allagui, um wieder einen Mann in der offensiven Mittelfeldzentrale zu haben. Doch die Zeit und die Überzeugung bei den Hausherren, das Spiel tatsächlich noch zumindest ausgleichen zu können, war schlicht nicht mehr gegeben.

Fazit: Mainz trifft seinen Meister

Es war in der Tat ein absolut hochklassiges Spiel der zwei fraglos konstantesten und besten Mannschaften in der laufenden Bundesliga-Saison. Das Team aus Dortmund gewann die Partie zu Recht mit 2:0, weil es auf jede Maßnahme der Mainzer innerhalb kürzester Zeit die passende Antwort gefunden hat, konsequenteres Pressing gespielt hat, die Chancen besser verwerten konnte (siehe der verschossene Mainz-Elfer in der 47. Minute) und schlicht und einfach den qualitativ hochwertiger besetzten Kader zur Verfügung hat.

Mainz zeigte sich, wie schon in der ganzen Saison, systematisch extrem flexibel und stellte drei-, viermal im Spiel die Formation um. Immer brachte dies kurzzeitige Besserung, aber nie nachhaltig. Dieses Spiel darf als Beweis dafür gelten, dass Mainz aktuell zu den spielintelligentesten Mannschaften der Bundesliga gehört – wenn es aber gegen ein ebenso brilliant eingestelltes Team geht, das die besseren Einzelspieler hat, stößt Mainz an die Grenzen.

Man kann also sagen, dass der FSV in diesem Spiel seinem Meister begegnet ist.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.