Das soll Milan sein?

Wäre Milan auch nur halb so agil aufgetreten wie der Flitzer in der 1. Minute, hätte es ein richtig offenes Match werden können. Denn Real verschonte ein spielerisch erschreckend ärmliches Milan, in dem sich nur einer gegen die Niederlage stemmte – Ex-Barcelona-Spieler Zlatan Ibrahimovic.

Real Madrid - AC Milan 2:0

Wer erhofft hat, dass eine (einstmals?) große europäische Mannschaft wie Milan im Bernabéu zumindest versucht, mitzuspielen, wurde schnell eines Besseren belehrt – die Rossoneri zogen sich mit ihrem 4-3-1-2 weit zurück, überließen Real bereitwillig den Ball und legten selbst kaum Ambitionen an den Tag, wirklich am Spiel teilzunehmen. Vor der recht statischen und auch schon in die Jahre gekommenen Viererkette (Ø-Alter: 31 Jahre) platzierte Milan-Coach Max Allegri eine weitere Dreierkette aus defensiven Mittelfeldspielern: Pirlo zentral als Organisator, Gattuso rechts als Bewacher für Cristiano Ronaldo und Clarence Seedorf links zumeist gegen Di María. Weit davor stand Ronaldinho als nomineller Spielmacher, vorne waren Pato und Ibrahimovic aufgestellt.

Real hatte es somit nicht allzu schwer, schnell Kontrolle über das Spiel zu bekommen. Und selbiges auch entscheiden zu können, noch bevor eine Viertelstunde gespielt war: Bei einem Freistoß von Ronaldo öffneten Ibrahimovic und Seedorf die Mauer, das war das 1:0. Eine Minute später geht Ronaldo auf seiner linken Seite durch, flankt zur Mitte, und Özils Schuss wird von Bonera unhaltbar abgefälscht.

Spiel schon früh entschieden

Es fiel schwer daran zu glauben, dass das Team aus Mailand, welches von Beginn an ohne den Willen zur Kreativität aufgelaufen war, wieder ins Spiel zurück finden könnte, und in der Tat glaubten sie ganz offensichtlich auch selbst nicht mehr daran. Nesta ließ nach einem der zahllosen Fehlpässe die Schultern schon nach 20 Minuten hängen, der auf sich alleine gestellte Linksverteidiger Antonini warf seinen Kollegen einen fast schon verzweifelten „Warum-hilft-mir-denn-keiner?“-Blick zu, ehe er vom wild gestikulierenden Gattuso quer über den Platz zusammen gepfiffen wurde – nach einem Rückpass zum Torhüter.

Real tat nun aber auch nichts mehr für das Spiel und schaffte es somit erfolgreich, sich selbst einzulullen – was darin resultierte, dass der von Arbeloa völlig allein gelassene Seedorf zur einzigen wirklich herausgespielten Chance der ersten Halbzeit kam; kurz nachdem Pirlo mit einem Freistoß angeklopft hatte. Mehr Konzept als „Lange Bälle“ und „Freistöße herausholen“ war bei Milan aber nicht zu erkennen. Zumal die Mannschaft versuchte, wenn möglich an Ronaldinho vorbeizuspielen – denn der 30-Jährige ist sogar in diesem nicht gerade vom Tempofußball beseelten Team noch ein Bremsklotz.

Es brachte nun nicht nur Milan keine drei erfolgreichen Pässe hintereinander zu Wege, sondern auch die Gastgeber nicht. Womit die Begegnung ein Niveau erreicht hat, das eigentlich so nicht geplant war. Bei Milan war es nur Zlatan Ibrahimovic, der sich wirklich gegen die Niederlage stemmte. Er brachte sein körperliches Spiel immer wieder ein; versuchte, vorne Bälle zu halten und zu verteilen, und er hätte auch einen Elfmeter bekommen können.

Erst gegen Ende der ersten Hälfte fing sich Real wieder etwas, so setzte etwa der auf der rechten Außenbahn aufgestellte Di María zu einem Solo an, das erst bei Milan-Goalie Amelia endete – nachdem zuvor schon Cristiano Ronaldo und Higuaín das 3:0 auf dem Fuß gehabt hatten. Wie verwundbar die Milan-Abwehr war, zeigte sich noch vor der Pause ein weiteres Mal, als Antonini und Nesta für den indisponierten Bonera retten mussten, sich dabei aber gegenseitig behinderten.

Milan? Nein, nichts.

Auch nach der Pause legte Real nicht das allerhöchste Tempo an den Tag, weil es einfach nicht nötig war. Auch so konnte Di María (und auch der desöfteren auf den Flügel ausweichende Higuaín) den überforderten Antonini immer wieder überlaufen, auch so fiel Milan überhaupt nichts ein, auch so verging die Zeit. Und unverständlicherweise änderte Allegri immer noch nichts an seiner Grundformation. RV Zambrotta ging nun etwas mehr nach vorne, der verunsicherte Antonini klebte indes hinten. Die verglichen mit den Real-Spielern im Schneckentempo über den Platz laufenden Seedorf und Gattuso trauten sich kaum über die Mittellinie. Und war der Ball weg, machten sofort wieder sieben Milan-Spieler hinten dicht, die drei Offensiven hingen in der Luft.

Erst nach einer Stunde – 45 Minuten nach dem Doppelschlag – reagierte Allegri, er brachte Kevin-Prince Boateng für Gattuso. Die Crux bei diesem Wechsel: Zwar startete Boateng etwas höher als Gattuso, ließ sich aber immer weiter zurückfallen, je mehr sich Real entschloss, das Spiel nicht einfach auszusitzen, sondern es wie ein Trainingsspielchen zu nehmen, das halbwegs seriös heruntergespielt gehört. Vor allem Marcelo bekam so um die 70. Minute ein wenig mehr Lust, und Ronaldo nahm diese Hilfe dankend an. Und sofort kam Real wieder zu Chancen, die aber – was das größte Problem der bisherigen Real-Saison ist – einfach nicht genützt wurden.

Dann war auch für Ronaldinho Schluss, für ihn kam Robinho, kurz danach Inzaghi für Pato – in der Tat, Allegri blieb bis zum bitteren Ende bei seiner Grundformation, die jegliche Kreativität im Spiel nach vorne vermissen ließ – die sieben hinten blieben von den drei vorne praktisch die komplette Spielzeit abgeschnitten. Somit auch kein Wunder, dass auch die Wechsel nichts am über weite Strecken miserablen Milan-Spiel ändern konnten. Zu Chancen kam aus dem Spiel heraus weiterhin fast nur Ibrahimovic, weil dieser ein hohes Laufpensum abspulte und sich als einziger sichtlich bemühte.

Etwa zehn Minuten vor Schluss merkte Real, dass dieses Milan sogar mit leichten Tempoverschärfungen jederzeit unter Kontrolle zu halten ist, und ließ die Rossoneri also wieder etwas leben, Robinho hatte wiederum eine kleine Chance. Aber Real bis zum Schluss alles im Griff.

Fazit: Nur einer stemmte sich dagegen

Milan machte von Beginn an keinerlei Anstalten, aktiv an der Spielgestaltung teilnehmen zu wollen, und nach dem Doppelschlag war wohl im Grunde schon allen Beteiligten klar, dass alles entschieden ist. Real tat danach nicht mehr als das Allernotwendigste, und nicht mal da schaffte es Milan wirklich, die Hausherren ernsthaft in Verlegenheit zu bringen. Das war mehr als ein Klassenunterschied – das war eine absolute Lehrstunde.

Taktisch war im Übrigen nicht viel los. Real spielte im gewohnten 4-2-3-1 und wurde defensiv kaum gefordert, weil Milan bis zum bitteren Schluss nicht vom 4-3-1-2 mit drei defensiven Mittelfeldspielern abrückte, Ronaldinho ein Totalausfall war, und alleine Ibrahimovic den Eindruck erweckte, wirklich etwas holen zu wollen. Und einer alleine ist gegen Real natürlich zu wenig.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.