Ehrlich, ich war schon begeistert, das sämtliche 4 Europacup-Vertreter aus der heimischen Bundesliga es in die letzte Runde der CL- bzw. EL-Quali geschafft haben. Das alle auch jetzt noch dabei sind, verblüfft mich durchaus. Wann gabs das zum letzten Mal, das alle rot-weiß-roten Vertreter nach den Qualifikationsspielen noch im Bewerb waren? Gabs das überhaupt einmal?
Das waren übrigens meine Schätzungen nach den Hinspielen, in Klammern dabei stehn die Beurteilungen von Kollegen Schaffer:
Aston Villa – Rapid Wien: 55:45 (65:35)
Metallist Kharkiv – Sturm Graz: 65:35 (50:50)
Austria Wien – Metallurg Donetzk: 70:30 (70:30)
Maccabi Haifa – FC Salzburg: 80:20 („Salzburg ist fix in der EL“)
Dem vernehmen nach also ein prognostisches Unentschieden. Aber nun zu Wichtigerem, der kurzen Nachbetrachtung und einem Blick in die Zukunft:
Heute war zum wiederholten Male etwas zu sehen, was bisher fast immer eine einmalige Ausnahmeerscheinung war. Kampfgeist, insbesondere im Rückstand. Die Austria hatte sich zweimal in ein Unentschieden zurückgefightet und in der Nachspielzeit noch gesiegt. Und das obwohl der Gegner spielerisch überlegen war, wie auch Coach Daxbacher einzugestehen wusste. Rapid verlor das Spiel zwar, trotzte aber einem 0:2 Rückstand und machte das rettende Auswärtstor. Zudem gab die Offensive den Gastgebern aus der Premier League über weite Strecken gut Gas. Und wären Hofmann und Jelavic nur ein bisschen abgebrühter, dann hätte Rapid mit zwei Toren mehr die letzten Minuten nicht mehr um den Aufstieg zittern müssen. (Bedenkt man die Hundertprozentige auf der Gegenseite, so wäre dieses Spiel 3:3 ausgegangen).
Wo wir gerade dabei sind: Beflügelt von diesem Kampfgeist entblösste sich keiner der drei heute spielenden Klubs mit feigem Verstecken in der eigenen Hälfte. Zumindest die Ausgangssituation bei den Wiener Klubs hätte das theoretisch zugelassen. Und es ist ja nicht so, als wäre das in der Vergangenheit nie so gehandhabt worden – im Gegenteil. Bei den eben Angesprochenen zeigte sich auch ganz deutlich, das eine dynamische Offensivabteilung eine schwache Abwehr „ausmerzen“ kann. Die Tore die man reinkriegt, schiesst man selbst, quasi.
Denn: Weder bei Grün-Weiß noch bei Violett bekleckerte die Abwehr sich mit Ruhm. Mit seinem ungestühmen Vorgehen birgt ein Andreas Dober z.B. einiges Risiko für das weitere Wohlergehen der Pacult-Truppe. Man stand hinten zwar meist gut, war aber technisch und im Zweikampf zu krass unterlegen um souverän zu verteidigen.Drazan könnte sich heute weiter in die Augen diverser Scouts gespielt haben und dem kürzlich nach Napoli gewechselten Erwin Hoffer ins Ausland folgen. Für Rapids Angriff ist er derweil in der Gruppenphase ein wichtiger Baustein, der historische Erfolg gegen Aston Villa sollte ohnehin eine Riesenmotivation sein. Dober und Co. bleiben aber die Schwachstellen. Gruppengegner: Hamburger SV, Celtic Glasgow, Hapoel Tel Aviv – Aufstiegschance: 25%
Bei den Veilchen wiederum fehlte es beinahe immer an der Organisation – beispielgebend dafür ist der Hergang des 2:1 für Donetzk. In der Gruppenphase werden solche Defizite effizienter ausgenutzt werden. Dabei könnte mit besserer Kommunikation und intelligenterem Stellungsspiel dieses Manko minimiert werden. Der Angriff ist mir wiederum zu unberechenbar für eine Prognose. Weil man in den letzten zwei Runden jeweils in die Nachspielzeit musste, darf man davon ausgehen, dass es die Austria sehr schwer haben wird. Einen großen Vorteil hat man allerdings: Als einziges Team findet man sich im Lostopf 2, alle übrigen im Vierten. Gruppengegner: Werder Bremen, Athletic Bilbao, CD Nacional – Aufstiegschance: 30%
Bei Sturm war heute etwas die Luft draussen, das Spiel fehleranfällig. Da Kharkiv trotz aller Bemühungen ein wirklich gutes Offensivrezept fehlte, reichte heute Beichlers kalte Schnauze. Der schoss damit den ukrainischen Verein im Alleingang ab, denn schon der Führungstreffer in Graz ging auf sein Konto (Geiches gilt übrigens auch für den Rapidler Nikica Jelavic, der sowohl das 1:0 in Wien als auch das 2:1 in Birmingham schoss). Für die kommenden Monate braucht die Foda-Elf vor allem Stabilität. Mit der Kaderdichte ist das aber leichter gesagt als getan. Gruppengegner: Panathinaikos Athen, Galatasaray Istanbul, Dinamo Bukarest – Aufstiegschance: 35%
Kurios, das ausgerechnet die Mannschaft mit dem geringsten „Ösi-Anteil“ die mir so lange gewohnten „Tugenden“ pflegte. War der FC Salzburg daheim noch einigermassen bemüht, so hatte man beim 0:3 auswärts nie das Gefühl, das Team würde ernsthaft an die Chance des Aufstiegs glauben. Diese recht destruktive Einstellung wurde von Huub Steves mit einer Angsthasentaktik auch noch bestätigt. Aber gut: Die EL-Gruppenphase bietet dem österreichischen Meister die Gelegenheit zur Rehabilitierung (und damit ist nicht zwingend der Aufstieg gemeint). Dazu ist der Kader allemal gut genug. Gruppengegner: Villareal, Lazio Rom, Levski Sofia – Aufstiegschance: 20%
Gesamtprognose: Mit ein wenig Losglück sehen wir vielleicht einen oder zwei Klubs auch nach den Gruppenspielen, und damit nach der Winterpause wieder. Auch das gabs schon ein paar Jahre nicht mehr. Genauer gesagt seit 4 Jahren, zuletzt schaffte das die Wiener Austria 2005 im UEFA Cup.
Nach der heutigen Auslosung der Gruppen werde ich die Chancen-Prozent in einem Update präzisieren. Ihr seid aber auch jetzt schon eingeladen, eure eigenen Einschätzungen in den Kommentaren zu hinterlassen.
Update: Am ehesten könnte es wohl Sturm und der Austria gelingen, für eine Überraschung zu sorgen. Für Rapid könnte sich mit viel Glück durchmogeln, Salzburg ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit raus.