Andi Herzog auf Sky nach Maccabi-Salzburg

Nachbetrachtung des Spiels Maccabi Haifa gegen Salzburg auf Sky, Moderator Patrick Wasserziehr und Gast Andreas Herzog

Andreas Herzog, hatten Sie jemals den Eindruck, dass es den Glauben in der Mannschaft gab, die Überraschung in Haifa noch zu schaffen?

„Wenn ich ehrlich bin, ab der ersten Minute nicht. Und das ist eigentlich die größte Enttäuschung, denn wir haben ja vor dem Spiel schon besprochen, dass sie im Endeffekt nichts mehr zu verlieren haben und einfach ein gewisses Risiko suchen müssen. Es ist bis zur letzten Minute nie passiert, dass man den Eindruck hat, dass die Mannschaft etwas erzwingen möchte, dass sie die Überzeugung hat, dass sie dieses Spiel vielleicht noch einmal drehen kann. Haifa ist sicherlich keine schlechte Mannschaft, aber nie und nimmer eine Wundermannschaft, dadurch ist für mich heute das Auftreten der Salzburger Mannschaft umso enttäuschender. Überhaupt keine Aktivität, alles passiv. Wenn ich hinten bin, muss ich das Spiel an mich reißen, muss dem Gegner mein Spiel aufzwingen, muss den Gegner zu Fehlern zwingen. Aber nur immer hinterher schauen und den Gegner spielen lassen, das ist einfach zu wenig und damit hat man in der Champions League nichts zu suchen – auch wenn mir das als Österreich weh tut, aber das war meiner Meinung nach heute eine ganz, ganz schlechte Vorstellung.“

Woran kann das liegen – hat Stevens möglicherweise mit seiner Aufstellung, Zickler draußen zu lassen, ein falsches Signal gegeben?

„Ja, ich glaube schon. Da bin ich auch enttäuscht. Ich habe geglaubt, da der Stevens doch ein sehr erfahrener Trainer ist, Holländer… und wir Österreicher haben eh in den letzten Jahrzehnten gerade auswärts einen Minderwertigkeits-Komplex. Wir trauen uns nie von Beginn an, aktiv zu sein und das Risiko zu suchen. Dann hab ich mir gedacht, da kommt ein holländischer Trainer mit einer Riesenerfahrung und der wird der Mannschaft diese Philosophie einimpfen. Aber da war einfach von Anfang bis zum Schluss eine Inaktivität, die dann auch bitter bestraft worden ist – vollkommen zurecht.“

Jetzt habe ich gedacht, dass gerade jetzt, wo dieser Modus geändert worden ist, der nun ja auch tendenziell die Landesmeister auch aus schwächeren Ligen bevorteilt, dass der dazu führen würde, dass Salzburg mit aller Macht versuchen würde, diese Chance zu ergreifen. Man hat auch einen zigfach höheren Etat als Maccabi Haifa – warum war man da so mutlos?

„Man hat immer gesagt, man hat keine Chance gegen die Engländer oder die Spanier, weil die ein um so viel höheres Budget und so viel bessere Spieler haben. Aber man sieht doch, dass Geld nicht alleine nur die Tore schießt. Du musst schon auch eine Mannschaft haben, die gewisse Ziele verfolgt, und die alles dafür tut. Und das ist einfach bei Salzburg in allen Qualifikationsspielen vielleicht in Zagreb so gewesen, aber jetzt beim Hinspiel gegen Haifa nicht und beim Rückspiel überhaupt nicht. Und da müssen die Spieler, auch wenn sie das nicht gerne hören, sich richtige Kritik gefallen lassen, denn so eine Chance kommt so schnell nicht wieder.“

Wenn man mal exemplarisch auf ein Gegentor schaut, hier das 0:2, wird man auch sehen, dass das Abwehrverhalten nicht aggresiv geung ist. Wie bewerten Sie diese Situation?

„Man sieht hier, abgefälschter Schuss… und da kann man wieder typisch österreichisch von Pech sprechen, aber wenn man andererseits sieht, dass man nie richtig den Ballführenden unter Druck setzt, sich immer wieder weiter zurückzieht, dann ist das ganz normal, dass auch solche Situationen entstehen. Da muss man auch einmal den Spieler richtig in einen Zweikampf verwickeln, und zeigen, dass ich gewillt bin, den Zweikampf zu gewinnen um dann auch blitzschnell in die Offensive umschalten zu können. Das ist ihnen heute überhaupt nicht gelungen, und teilweise hat man auch den Eindruck gehabt, sie wollten es gar nicht.

Erklären Sie vielleicht noch einmal ein bisschen diese Mentalität. Hat man sich zu sehr ans Verlieren gewöhnt, daran, dass es für den Sprung in die Champions League doch irgendwie nicht reicht?

„Ich weiß es nicht. Es ist halt… wenn du wie in den letzten Jahren gegen Valencia spielst, ist es natürlich schwer von unserer Ausgangsposition, keine Frage. Ich glaube aber schon, dass für den einen oder andere Spieler – für die Neuen zählt das natürlich nicht als Ausrede – dass man in den letzten drei Jahren drei komplett unterschiedliche Trainer gehabt hat mit komplett unterschiedlichen Philosophien. Wenn ich mich jetzt in die Situation von den Spielern hineinversetze, hätte auch ich irrsinnige Probleme gehabt. Das Zusammenspiel passt noch nicht, man hat fixe Aufgabenverteilungen und das ändert sich von Jahr zu Jahr. Aber nicht um eine Spur, sondern immer von einem Extrem ins andere, dann ist das sicherlich nicht der richtige Weg!“

Wie reagiert Mateschitz jetzt?

„Das weiß ich nicht. Er investiert sehr viel Geld und er hätte jetzt sicher Salzburg gerne auch einmal in der Champions League gesehen. Ich glaube aber trotzdem nicht, dass er da jetzt die Nerven verliert. Die Salzburger müssen jetzt schauen, dass sie in der Euroleague so weit wie möglich kommen, aber da müssen sie ganz anders spielen als heute. Viel aktiver, sich viel mehr zutrauen. Wenn sie das nicht umstellen können, dann wird sie bald in Österreich auch keiner mehr sehen wollen.“

Wird es denn jemals reichen können?

„Man darf jetzt nicht nur die zwei Spiele gegen Haifa nehmen. Man hat gesehen, dass eine gewisse Siegermentalität in Zagreb da war, und die habe ich mir heute auch erhofft. Und die war nicht da, und das ist eigentlich das Schlimmste, was man einer Mannschaft vorwerfen kann, dass sie von der ersten bis zur letzten Minute gar nicht versucht hat, das Spiel noch zu drehen oder das Ergebnis noch zu korrigieren. Das ist gegen eine Mannschaft wie Haifa sicher noch leichter als gegen eine absolute Spitzenmannschaft in Europa. Darum ist meine Enttäuschung auch relativ groß und die Kritik so hart.“

Was trauen sie Haifa in der Königsklasse zu?

„Nicht viel. Wenn man sich die anderen Mannschaften anschaut, die sich jetzt qualifiziert haben, wie Debrecen – gegen die können sie nicht spielen – und gegen die großen Teams rechne ich maximal mit zwei oder drei Punkten. Das hat nichts damit zu tun, dass ich ihnen nicht wünschen würde, dass sie die Punkte holen, sondern damit, dass sie eine brave Mittelklasse-Mannschaft sind. Und in der Champions League, das hat man gesehen mit Atletico Madrid oder Lyon heute, die richtigen Kracher, die kommen erst. Und da kann ich mir nicht vorstellen, dass die viele Punkte holen.“

Interview Stevens: „Wir sind aus der CL ausgeschieden, aber immer noch im internationalen Bewerb, und das war unser Ziel […] Wenn man mit einer ganz anderen Abwehr spielen muss, dass ein junger Bursche im defensiven Mittelfeld spielen muss […] Fußball wird immer noch von hinten heraus gespielt, und da hatten wir zu viele Ausfälle […] Wenn man hinten gut steht und alles ist in Ordnung, dann geht es auch einfacher nach vorne.“

Nun ja, die Europa League hatte man ja schon vorher erreicht. Dann hätte man ja, dieser Logik folgend, gar nicht erst antreten zu brauchen. Also, wo ist die Selbstkritik? Das muss ich jetzt schon mal sagen. Er hat gesagt, drei Stürmer, zwei Offensive… wir haben sehr genau hingeschaut und haben im Prinzip nicht eine einzige Torchance gesehen. Gegen eine Mannschaft, die keine Übermannschaft ist, das muss man ja mal klar und deutlich sagen!

„Fakt ist, dass man gelten lassen kann, dass die Abwehr so noch nie zusammengespielt hat, und Sekagya sicherlich gefehlt hat, keine Frage. Wenn ich nach dem Hinspiel schon 1:2 zurück liege und dann nicht von Beginn an das Risiko suche, ist das für die Mannschaft ein Zeichen, ‚wir schauen einmal, dass nichts passiert‘. Und dann aber den Hebel umzuschalten, von Null quasi auf Hundert zu gehen und absolutes Risiko zu spielen, das können vielleicht absolute Topteams, aber das kann keine österreichische Mannschaft. Und darum wäre es besser gewesen, von Beginn an initiativer zu sein – nicht hundert Prozent alle nach vorne stürmen, aber trotzdem den Israelis zu zeigen, ‚wir sind heute hier, um euch zu beweisen, dass wir uns mit der Euroleague nicht zufrieden geben, und alles dafür unternehmen werden, euch noch zu schlagen‘. Und das ist heute von der ersten bis zur letzten Sekunde nicht ein bisschen gelungen.“

Was bedeutet diese doch sehr klare Niederlage für die Position von Huub Stevens? Wird er Kritik einstecken müssen in Österreich?

„Er ist ein anerkannter Trainer, aber der Druck, wenn du zu Red Bull Salzburg geht, endlich der Erste zu sein, der in die Champions League kommt, ist schon da. Das hat er jetzt nicht geschafft und so ist für den Rest der Saison das ganz große Ziel schon vorbei. Man hat gesehen, wenn ich so ein großes Budget habe und in der Defensive einige Ausfälle, dann muss ich das ausgleichen. Wenn ich höre, dass jetzt der Ilsanker zum allerersten Mal gespielt hat, finde ich das super und auch mutig, dass er ihm die Chance gibt. Aber bei den Israel hat ein 17-Jähriger gespielt, ein 18-Jähriger, und die sind dort absolute Leistungsträger und auch Torschützen!“

Warum hat denn der Kader, der ja so viel kostet, nicht diese Tiefe, um zwei oder drei Ausfälle dann kompensieren zu können?

„Es ist am Anfang so losgegangen, dass man geglaubt hat, mann kann jetzt die Topstars holen. Fakt ist aber, dass man natürlich die Superstars gar nicht in die österreichische Liga bekommt. Sie haben mit einem Alex Zickler oder einem Thomas Linke, später auch mit Niko Kovac riesige Coups gelandet, aber dann muss man aufpassen, dass man wieder die richtige Balance findet, die richtige Mischung. Und da hat Salzburg in den letzten zwei, drei Jahren extrem viele Kreativspieler, sehr gute auch, geholt. So wie einen Johan Vonlanthen, die sich aber nie über einen längeren Zeitraum hinweg beweisen durften. Da ist immer wieder viel hin und her gewechselt worden. Im Vergleich zu anderen Topklubs in Österreich, wie der Austria oder Rapid… da gibt es halt ein, zwei Spieler, die sind die absoluten Chefs in der Mannschaft und die haben auch das Vertrauen, wenn es mal ein paar Spielen nicht so läuft. Bei Salzburg ist da viel zu viel gewechselt worden, und dadurch hat sich auch nie ein Spieler so entwickeln können, dass er da fast unantastbar ist.“

Ist es realistisch, dass ein Topverein wie Milan jetzt ein Auge auf Marc Janko wirft?

„Er ist Österreicher, vielleicht lachen die Leute jetzt darüber. Aber auch in Österreich musst du erst einmal 39 Tore schießen. Und er wird an seinen 39 Toren von letzten Saison natürlich gemessen. Wenn er heuer nur 15 oder 20 Tore schießt, aus welchen Gründen auch immer – vielleicht kann er gar nicht mehr Tore schießen, weil er nicht zu mehr Möglichkeiten kommt – wird er sicherlich häufiger kritisiert als ihm lieb ist. Aber er ist 1,96m groß, er hat im Strafraum alles, was ein Stürmer braucht und ist für seine Größe auch sehr beweglich. Nur braucht er dafür auch eine Mannschaft, die offensiven Fußball spielt – und das ist Salzburg momentan nicht!“

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.