Innerhalb von 20 Monaten hat sich Roman Abramovich nun den vierten Trainer zum Chelsea FC geholt. Jose Mourinho war erfolgreich, ließ dem Geldgeber aber nicht spektakulär genug spielen. Er wollte ein Team das die Massen begeistert. Avram Grant ging es umgekehrt. Plötzlich wurde Chelsea zur Torfabrik, gewann aber damit auch nicht die großen Titel. Das sollte dann Luiz Felipe Scolari richten, aber nach nur sieben Monaten im Amt stand fest: der Meistertitel ist weg, die Champions League dauert noch lange und die Manschaft spielte zuletzt eher lustlos. „Tchau“, sagte man dem Brasilianer. „Dag“, hieß es für den Niederländer Guus Hiddink (der weiter auch russscher Trainer bleiben wird).
Hiddink, ein verurteilter Steuerbetrüger der vor einem Spiel aber auch schon mal rassistische Plakate aus dem Stadion entfernen lässt (in den frühen 90ern in Valencia), hat Südkorea 2002 und Holland 1998 ins kleine WM-Finale geführt, mit Russland bei der Euro 2008 groß aufgegeigt und scheiterte mit Australien bei der WM 2006 im Achtelfinale weniger am späteren Weltmeister Italien und mehr am Schiedsrichter. Er führte PSV Eindoven 2005 ins Champions League-Semifinale, holte mit dem Verein zahlreiche Meister-, einen UEFA Cup-Titel und erreichte das Champions League-Semifinale 2005. Seine einzigen unrühmlichen Trainerstellen in zwanzig Jahren waren zwischen 1998 und 2000 bei Real Madrid und Real Betis.
Kurz: Guus Hiddink ist – obwohl er nie den ganz großen Erfolg geschafft hat – zweifellos einer der besten Trainer aller Zeiten. Er verkörpert die Vorstellung aller Investoren, die sich attraktiven und erfolgreichen Fußball für ihre Teams wünschen. Schon vor Scolari war er bei den Blues im Gespräch, wollte aber in Russland bleiben. Jetzt soll der Niederländer für Chelsea die Kohlen aus einer Saison holen, in der ordentlich Feuer am Dach ist. (Mit Bezahlung natürlich, aber ohne Vertrag. Er ist ein enger Freund von Abramovich.)
Die Herausforderung ist vor allem eine zersplitterte Mannschaft (die vor der Saison als jene mit dem besten Kader galt, nun aber bei etwas ungünstigem Saisonverlauf sogar aus den Champions League Plätze zu rutschen droht). An Scolaris Rauswurf haben einige Spieler maßgeblich mitgewirkt (unter anderem Michael Ballack, Didier Drogba, Petr Cech), nur eine kleine Gruppe rund um Kapitän John Terry setzte sich für seinen Verbleib ein. Mit seinem Vorgänger will Hiddink über diese Splittergruppen und die Ursachen der Verstimmungen schnellstmöglich sprechen.
Möglicherweise liegen die in einer Tatsache begraben, die schon Scolari kommen sehen hat. Ein Urgestein im Chelsea-Trainerstab, Steve Clark, hat den Klub zu Beginn der Saison in Richtung West Ham verlassen, obwohl der Brazilianer ihn halten wollte. Er galt als wesentliches Bindeglied für die unterschiedlichen Cliquen. Hiddink wird also gut daran tun, seine Arbeit im sozialen Bereich schnell zu beginnen. Dass er als jemand mit Doppelfunktion selbst genug Zeit für diesen mühsamen Bereich aufbringen kann, darf aber bezweifelt werden. Ob er einen Assistenten mitbringen wird, ließ er sich bisher noch offen.
Was dann nach dem Saisonfinale passiert ist vorerst nicht sicher. Aber selbst wenn das Doppelfunktions-Experiment glückt (und dafür würde nur ein Champions League-Sieg und ein tolles Meisterschaftsfinish zählen), ist Hiddinks weiteres Engagement unwahrscheinlich. Der russische Verband will Hiddink bis zur WM 2010 halten und er offensichtlich nicht unbedingt weg. Es wird sich zeigen, ob er in Anbetracht dessen in unbequemen Bereichen die nötige Konsequenz aufbringen wird, oder sich das Leben als Interimslösung einfach macht.
Milan-Trainer Carlo Ancelotti wird jedenfalls als wahrscheinlicherer Trainer für den Herbst gehandelt. Er wäre dann die fünfte Trainergröße innerhalb von zwei Jahren, die sich am Schleudersessel an der Stamford Bridge einzunisten versucht.
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