Salzloser Einheitsbrei

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Die Länderspiele unter Brückner werden immer schlechter. Dem starken Italien-Spiel und dem schönen Sieg gegen Frankreich folgten ordentliche bis unglückliche Spiele wie das auf den Färöer und dem gegen die Türkei. Und nun, im neuen Jahr, stellt das Team nach 15 Minuten guten Spiels selbiges ein und versucht nicht einmal mehr, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen.

Österreich - Schweden 0:2 (0:0)
Österreich – Schweden 0:2 (0:0)

Angefangen hatte das Team nämlich gut. Mit Schwung. Mit Elan. Mit Vorwärtsdrang. Das Umschalten von Abwehr auf Angriff klappte schnörkellos, kaum war der Ball in den eigenen Reihen, orientierte sich das komplette Spiel nach vorne – so wie es sein soll. Wirklich zwingende Chancen kamen dabei zwar nicht heraus, aber man hatte die biederen Schweden damit zumindest voll im Griff. Der einzige bei den Blau-Gelben, der in dieser Anfangsphase (also die ersten 20 bis 30 Minuten) den Österreichern etwas Kopfzerbrechen bereitete, war Chippen Wilhelmsson im linken schwedischen Mittelfeld. Mit ihm hatte Andi Hölzl alle Hände voll zu tun. Was nicht für den Grazer spricht: Weder bekam er den Blondschopf in den Griff, noch konnte er irgendwelche Akzente nach vorne setzen. Von einem Sololauf mit anschließender eher unbrauchbarer Flanke mal abgesehen. Zusätzlich bekam es Garics dadurch ebenso oft mit Wilhelmsson zu tun, und auch er konnte dem Flügelflitzer, der sich weder in Italien, noch in England oder Spanien durchsetzen konnte und jetzt in einer Scheich-Liga kickt, nie Einhalt gebieten. Der Atalanta-Legionär, der in der Serie A mittlerweile seinen Stammplatz bombensicher hat, knüpfte damit nahtlos an seine immer wieder sehr enttäuschenden Einsätze im Nationalteam an. Es war daher nur folgerichtig, dass er zur Pause in der Kabine blieb.

Erfreulicher, oder zumindest sicherer als vor allem gegen Serbien und die Türkei, agierte dafür diesmal wieder die Innenverteidigung. Brückner ging Risiko, als er den gerade erst wieder im Training stehenden Sebastian Prödl von Beginn an in der Abwehrzentrale aufbot, Emanuel Pogatetz dafür auf die linke Seite schob. Ein Risiko, dass sich für beide Seiten bezahlt gemacht hat: Prödl spielte, gemessen an Spielpraxis und seinem Nebenmann Stranzl, eine sehr ordentliche Partie. Gut für Brückner, weil damit hinten nicht viel anbrannte. Gut für Prödl, der sich damit sicherlich wieder ein schönes Stück Selbstvertrauen geholt haben dürfte. Schlecht jedoch für Martin Stranzl, der einmal mehr ein Desaster war. Wann immer es in der Defensive gefährlich wurde, war Stranzl nicht unbeteiligt. Schwach im Zweikampf, schlecht im Stellungsspiel, als Führungsfigur unbrauchbar. Als er nach etwas mehr als einer Stunde vom Feld musste, war das fast wie eine Erlösung. Das Innenverteidiger-Duo Prödl/Schiemer ließ dann (gegen eine allerdings längst nicht auf Vollgas spielende schwedische Mannschaft) kaum noch etwas zu.

Generell ist zur Abwehr zu sagen, dass sie von Beginn an deutlich höher stand als zuletzt – etwas, das Pogatetz im Vorfeld in einem Kurier-Interview angesprochen hatte. Dadurch wurde vor allem in der ersten halben Stunde viel vom schwedischen Druck genommen. Sicherlich ein Mitgrund, aus dem die Defensive diesmal weitgehend standhielt. Die Außenverteidiger (Garics und Pogatetz, später eben Ibertsberger statt Garics) trauten sich aber kaum einmal über die Mittellinie. Garics, weil er mit Wilhelmsson gebunden war – und Pogatetz, weil das nicht wirklich in seinem Naturell liegt. Wenn Fuchs im Ernstfall trotz kleinerer Blessuren spielt (also wenn’s um was geht), wäre die logische Konsequenz aus dem in Graz gesehenen, dass Pogatetz statt Stranzl in die Mitte geht und dem mit Selbstvertrauen vollgepumpten Fuchs die linke Seite zu überantworten. Das spielt er in Bochum mit einer Klasse, die man ihm in Mattersburg gar nicht zugetraut hatte.

Scharner hat auch gegen Schweden gezeigt, dass er in der Abwehrkette wohl besser aufgehoben wäre – auf der Position also, die er bei Wigan bekleidet. Da hier allerdings ein Überangebot herrscht, und man wirklich gute defensive Mittelfeldleute in Österreich gleichzeitig schon mit einer sehr guten Lupe suchen muss, wird seine Position im Nationalteam auch weiterhin die des DM bleiben. Als Sechser spielt Scharner seinen Stiefel routiniert herunter, man würde sich aber etwas mehr Esprit und auch etwas mehr Effektivität von ihm wünschen. Also etwas, was man von Jürgen Säumel zum Beispiel sah. Er spielte nicht den klassischen Sechser-Zwilling von Scharner, sondern war vor allem in der ersten Hälfte sehr bemüht, auch (zusammen mit Ivanschitz) die Offensive zu beleben, gab zuweilien den zweiten zentralen offensiven Mittelfeldspieler – ähnlich wie beispielsweise Flo Mader aus der mittleren Dreierreihe bei Ried. Auch, wenn er bei Torino zuletzt kaum zum Einsatz kam: Er hat in Italien deutlich dazugelernt. Dass man ein halbes bis ganzes Jahr braucht, um den Sprung von Österreich in eine Top-Liga wirklich zu vollziehen, haben ja schon andere erfahren müssen. Diese Zeit sollte man auch Säumel zugestehen.

Die nicht vorhandene Spielpraxis war auch Ivanschitz anzumerken. Vor allem, als er nach 20, 30 Minuten in den Feig-Modus umschaltete. Auch, wenn er als Kapitäns-Persönlichkeit weiterhin eher mimosenhaft agiert und auf dem Platz keine echte Führungskraft ausstrahlt – kaum traute er sich nach einer halben Stunde nichts mehr zu, färbte das auf die komplette Mannschaft ab. Am plakativsten war das bei Marko Arnautovic zu sehen: Zu Beginn sehr engagiert, sehr lauffreudig, traute sich viel zu, ging in die Zweikämpfe, mit echtem Offensivgeist. Nach einer halben Stunde: Aus die Maus. War bis zu diesem Zeitpunkt (ob der Hölzl/Garics-Situation) das Spiel zwar zentral- und linkslastig, aber zumindest vom Grundprinzip her nach vorne ausgerichtet, war nun davon gar nichts mehr zu sehen. Alibi-Pässe wie zu schlimmsten Hickersberger-Zeiten waren die Folge.

Was die Schweden nach der Pause nicht nur bemerkt haben, sondern auch ausgenützt. Das ohne einen sich was zutrauenden Ivanschitz weitgehend führungslos bis blind dahinschlingernde Team bot den Schweden nun die Gelegenheit, die sich immer mehr aufmachenden Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld zu nützen. Das wunderschöne Tor zum 1:0 durch Rasmus Elm entstand genau so: Unbemerkt vom Mittelfeld, unbehelligt von der Defensive (Pogatetz stand in der Nähe, Stranzl war ganz wo anders) kam Elm zum Schuss. Dass er den Ball trifft wie wahrscheinlich noch nie in seinem Leben: Geschenkt. Das Tor an sich war wunderschön und nach dem Schuss nicht zu verhindern – aber in der Entstehung wäre es das sehr wohl gewesen, und das ist symptomatisch für das österreichische Spiel nach der Pause. Ähnlich ungeschickt die Ausgangslage zum endgültig entscheidenden zweiten schwedischen Treffer: Stranzl denkt zu langsam mit, muss dem schwedischen Stürmer hinterher hecheln, kann ihn gerade noch vor der Strafraumgrenze stoppen. Ein Sinnbild für die bescheidene Leistung von Stranzl – in einem Bewerbsspiel hätte es zumindest Gelb gegeben, drei Minuten später war er endlich aus dem Spiel genommen. Dass Kim Källström den fälligen Freistoß in Weltklasse-Manier über die Mauer unter die Latte versenkte: Wiederum geschenkt. An diesem Freistoßtor gab es nichts, aber auch wirklich gar nichts zu verhindern. So hoch hätte Janko in der Mauer gar nicht springen, so schnell Manninger nicht reagieren können.

Ja, Manninger. Der Juve-Goalie, der ob des immer wieder verletzten/kranken Buffon in der Serie A deutlich mehr zum Spielen kommt, als gedacht, ist in der Form seines Lebens. Was auf sein Tor kommt und irgendwie zu halten ist, hält er auch. Für einen wie Manninger, der seine Leistung vor allem über Selbstsicherheit abrufen kann, ist diese Saison ein Traum, wie er schöner nicht gemalt sein könnte. In dieser Form würde er wohl in so ziemlich jedem Nationalteam dieser Welt die unumstrittene Nummer eins sein. Und noch ein kurzes Wort zu den drei Debütanten des Schweden-Spiels: Christoph Saurer (15 Minuten), Andi Ulmer (13 Minuten) und Mario Kienzl (8 Minuten) durften alle mal hineinschnuppern, wie es so ist, als Nationalspieler. Wirklich etwas bewegen konnten sie in der kurzen Zeit, in der sie zum Einsatz kamen, natürlich auch ob des schon ziemlich zerstörten Spiels der eigenen Mannschaft natürlich nicht mehr. Ob sie in unmittelbarer Zukunft ernsthafte Alternativen zu den aktuellen Stammspielern sein werden, ist allerdings zweifelhaft: Kienzl ist 25 und wird den Sprung ins Ausland kaum mehr schaffen, Ulmer hat mit Fuchs, Pogatetz und Ibertsberger drei Alternativen auf seiner Position vor ihm und muss sich erst einmal in Salzburg durchsetzen, und auf der rechten Seite von Christoph Saurer besteht der Handlungsbedarf erst in der zweiten Reihe (sprich, wenn Korkmaz nicht kann – Hölzl war gegen Schweden nicht auf der Höhe). Dazu muss Saurer schleunigst vom LASK weg, wenn er wirklich was aus sich machen will.

FAZIT: Man merkt Brückner immer mehr an, dass er das Ausmaß des Himmelfahrtskommandos, auf das er sich vor einem halben Jahr eingelassen hat, unterschätzt hat. Die steigende Lustlosigkeit ist ihm deutlich anzusehen. Wie man hört, kennt er nicht mal alle Teamspieler mit Vor- und Nachnamen – und wenn man keinen Draht zur Mannschaft aufbauen kann, hilft das beste taktische Konzept nichts. Das 0:2 gegen Schweden war auf gewisse Weise der bisherige Tiefpunkt der Ära Brückner: Zwar hat die Mannschaft gezeigt, dass sie grundsätzlich könnte, wenn sie wollte, aber über weite Strecken des Spiels war das genau der ungenießbare Einheitsbrei, der entsteht, wenn nicht genug Salz dazugemischt wurde. Sprich: Die Mannschaft spielt, was mit Halbgas möglich ist, und lässt dabei den Willen, den Schwung und auch die notwendige Einstellung vermissen, die notwendig wäre. Denn schließlich war das gestern tatsächlich etwas mehr als „nur“ ein Testspiel. Es war ein Zeichen, dass der Wille, wirklich etwas voran zu bringen, bei einigen Korsettstangen innerhalb der Mannschaft nur so lange gegeben ist, so lange es keine Widerstände der gegnerischen Mannschaft gibt.

Und das ist zu wenig. Auch in einem Testspiel.

(phe)

Aufstellungen

AUT: Manninger – Garic, Stranzl, Prödl, Pogatetz – Hölzl, Scharner, Ivanschitz, Säumel, Arnautovic – Janko
SVE: Isaksson – Johansson, Mellberg, Majstorovic, Edmann – Wilhelmsson, R. Elm, V. Elm, Källström – Berg, Rosenberg

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.