Österreich – Kroatien: Taktikbesprechung und Einzelkritik

Vergebene Chance gegen schwache Kroaten

Die Taktikbesprechung zum Kroatien-Spiel fällt wohl etwas kürzer als gewohnt aus.

Einerseits war es auf der Wiener Fanmeile schwierig, sich auf jedes einzelne Detail zu konzentrieren (gute Stimmung, wenig Sicht), andererseits arbeite ich während der EM ja beim Online-Standard in der Sportredaktion. Dementsprechend leide ich dann mit Arbeit, gewöhnlichen Fansein und Bloggen an einem gewissen Fußball-Overkill.

Ach was! Blödsinn! Sowas gibt es doch gar nicht.

Formation

Das Spiel begann Hickersberger wie fast schon zu befürchten war mit einer wahnsinnigen Angsthasenvariante (auch wenn der planlose Fanmeilen-Moderator versuchte, es der wahrscheinlich großteils nicht mehr checkenden Masse als Risikotaktik zu verkaufen). Drei Innenverteidiger (Prödl, Stranzl, Pogatetz), zwei vorgezogene Außenverteidiger (Standfest, Gercaliu) und zwei defensive Mittelfeldspieler (Säumel, Aufhauser) zierten eine 7 Mann starke Defensivabteilung. Im 3-4-1-2 (vereinfacht: 3-5-2) von Hickersberger spielten nur Ivanschitz, Harnik und Linz eine offensive Rolle.

Dass man mit vollen Hosen von Beginn an unter Druck gerät, nun – ich will ja nicht sagen, ich hätte es ja schon immer gesagt… Das schnelle Gegentor und die anfängliche Hilflosigkeit waren ein Resultat dieses selbstverschuldeten, kroatischen Anfangsdrucks. (Übrigens: Den Elfer kann man geben. Ich verwette aber meine Unterhose darauf, dass bei der WM in Deutschland das deutsche Team sich darüber keine Sorgen hätte machen brauchen. Einen Underdog- oder Gastgeber-Bonus gabs da nicht.)

Der schwache Beginn ist vor allem beachtlich, weil in fast allen Spielen die ich in den letzten Jahren vom Nationalteam gesehen habe, die ersten 15 Minuten die besten waren.

Spieler-Einzelkritik

Betrachtet man sich die einzelnen Spieler in der Startaufstellung, dann muss man sich schon fragen, was Hickersberger bezwecken wollte.

Für den desolaten Standfest stand mit Garics eine hervorragende Alternative (was für ein Hohn, den so bezeichnen zu müssen) bereit. Hicke bevorzugte es, Standfest durchspielen zu lassen. Ich weiß nicht wie viele Leute in Österreich sich bei dessen Aktionen (als vorwiegend Fehlpässe) die Haare ausgerauft haben. Persönlich kann man gegen Standfest vermutlich nichts was sagen. Er will ja, er kann nur nicht. Seine Einberufung hat er im Kroatien-Spiel wieder ad absurdum geführt (und Ibertsberger wollten wir ja nicht mitnehmen). Dass Garics nicht gespielt hat, ist für mich (falls es nicht irgendeinen mir unbekannten Grund geben sollte) ein Bekenntnis zur Inkompetenz, hat er doch mit Harnik die rechte Seite in den entsprechenden Testspielen sehr schön gefüllt.

Auf den schwachen Gercaliu hätte man dank Fuchs (oder einem von Beginn an spielenden Korkmaz) ebenfalls verzichten können. Aber dessen Einsatz kann man wenigstens rechtfertigen, Gercaliu ist an und für sich ein zuverlässiger Mann – war heute aber eine Katastrophe, eine wandelnde Unsicherheit. Den schwarzen Tag hat auch Roland Linz erwischt.

Aufhauser dürfte in Wahrheit im Moment nicht spielen – aber da fehlt die Alternative. (Scharner wollten wir ja nicht dabei haben, dafür aber die völlig unflexiblen und grundlegend uneinsetzbaren Hiden und Patocka). Aufhauser bemüht sich, rackert, kämpft und ist defensiv auch meist wirklich nicht ganz unwichtig (allerdings: saublöde Attacke die zum Elfer geführt hat). Er hat sich in den letzten Wochen auch wieder einen Tick gesteigert. Aber auch er ist immer für einen Alibi- oder gar Fehlpass gut.

Solide gespielt haben Pogatetz (von seinen zwei Blödheiten mal abgesehen eine sehr saubere Partie mit einigen wichtigen Tacklings), Stranzl, Ivanschitz (ist bemüht, aber – wenn er aufmerksam bewacht wird – leider nicht stark genug. Er hat immer noch Potential das er in den kommenden zwei Jahren ausschöpfen muss – vielleicht ja mit dem neuen Trainer bei Panathinaikos.), Säumel (Spielt meist unauffällig, aber intelligent im Spielaufbau. Seine Auswechslung war für mich völliger Quatsch. Wird für die WM-Quali tragender Spieler sein.) und Macho (er hatte nichts zu tun, daran sieht man, wie harmlos und packbar die Kroaten waren).

Tolle Leistungen gab es vor allem von Prödl . Er ist auf seiner Position in Österreich der Spieler mit dem modernsten Spielverständnis, schaltet sich in den Angriff ein, harmoniert vor allem mit Harnik sehr gut, wenn es zum Kontakt kommt. Der wiederum hatte heute auch einen starken Tag. Geschätzte 75% aller Angriffe liefen über ihn. Er spielte vier oder für geniale Querpässe, die ein Roland Linz im Normalfall alle verwerten würde.

Seine Beurteilung durch die österreichischen Stadion- und Fanmeilenbesucher stellt mir immer wieder die Nackenhaare auf. Da wird viel gejammert und genörgelt (auffällig oft von Rapid-Fans, die Jimmy Hoffer einfach lieber mögen) wenn er ab und zu den Ball verliert, aber beständig ignoriert, dass er mit Leuten wie Standfest und Aufhauser auf seiner Seite agieren muss, während Linz auf Pässe wartet und sehr oft Ivanschitz links orientiert oder isoliert ist. Kein Zuckerschlecken.

Die Einwechselspieler: Korkmaz ist toll in Form und ab jetzt dringend von Beginn an einzusetzen. Vastic war in Ordnung. Mehr ist zum Oldie und Publikumsliebling auch kaum zu sagen – außer, dass sein Einsatz immer ein bisserl so wirkt, als würde dadurch jedes taktische Konzept aufgegeben und stattdessen auf einen Genieblitz gehofft, der bislang auf sich warten lässt. Kienasts Leistung war durchaus ansprechend. Er kommt jetzt langsam auf Touren im Team und ist meiner Einschätzung nach keine Fehleinberufung, was sich schon gegen Nigeria abgezeichnet hat.

Taktikbesprechung für die Offensive

Hickersberger änderte sein System bis zur Einwechslung von Vastic eigentlich kaum. Einzig Harniks Rolle wandelte sich, was sofort positive Wirkung zeigt. Der Werder-Legionär spielte zu Beginn einen waschechten zentralen Stürmer und bekam da von hinten so gut wie keine verwertbaren Bälle. Später rückte er weiter nach rechts und mimte einen offensiven Mittelfeldspieler bzw. Flügelstürmer. Da kam er auch gleich deutlich besser zur Geltung.

Der schnelle Weg über die Außenbahn mit abschließendem Querpass oder ein gefinkelter Haken zur Mitte, das ist das, was Harnik schon sehr gut beherrscht. Und genau da liegt die Chance des Teams (gleich mehr dazu). Mangelnde Spielpraxis in der deutschen Bundesliga hin oder her – ohne Harnik geht nach vorne wenig bis gar nichts – mit ihm geht aber plötzlich alles über ihn. Das sollte eigentlich jeder sehen, der die Vereinsbrille mal abnimmt (wobei sich Hoffer und Harnik nicht zwangsläufig ausschließen in der Startformation).

Ergänzt wurde er dann (leider viel zu spät) von Ümit Korkmaz. Die zwei werden uns noch viel Freude machen (haben wir schonmal irgendwo gehört, könnte hier aber wirklich zutreffen, weil beide nicht nur talentiert sondern auch bereits am richtigen Weg sind). Und schon war da plötzlich auch der ein oder andere Angriff über links. Hickersberger hat also in seiner Verzweiflung tatsächlich die von mir als „junge Flügelzange“ betitelte Aufstellung ausprobiert.

[ad#bv_test]Das Ergebnis ist bekannt. Korkmaz kam in der 69. Minute, ab etwa diesem Zeitpunkt gelang Kroatien kaum noch eine echte Entlastung. Ich hoffe doch, es stellt sich auch Hicke jetzt nicht mehr die Frage, ob und wo man die beiden gegen Polen einsetzen kann. Sieben Defensivspieler braucht nicht nur niemand, so braune Hosen können wir uns jetzt unter Zugzwang auch nicht mehr leisten. Ein Sieg mit mehr als einem Tor Differenz muss her, wenn das Viertelfinale bis zum letzten Spiel realistisch bleiben soll.

In welchen Variationen ich mir die „junge Flügelzange“ vorstellen kann, werde ich in den nächsten Tagen noch einmal ausführlich darstellen.

Cool? Sag das doch anderen!